Lungenkrebs ist eine der häufigsten Krebserkrankungen in Deutschland. Jedes Jahr sterben hierzulande mehr als 40.000 Männer und Frauen an den Folgen von Lungenkrebs – Hauptrisikofaktor ist Tabakrauch. Etwa ein Drittel aller Tumoren der Lunge sind Plattenepithel- Karzinome, von denen in den meisten Fällen Raucherinnen und Raucher betroffen sind. In späteren Stadien gibt es für Patienten mit diesen Tumoren neben einer oftmals belastenden Chemotherapie keine andere Behandlungsmöglichkeit. (Newsletter Nr. 51 / Mai 2011)
Wissenschaftler haben nun herausgefunden, dass es für jeden fünften Patienten mit dieser Form des Lungenkrebses in Zukunft vermutlich doch eine Alternative zur Chemotherapie gibt.
Ein spannender Befund: Behandelt man verschiedene Lungenkrebszellen, die aus Plattenepithel-Karzinomen unterschiedlicher Patienten stammen, im Labor mit der neuen Substanz PD173074, so reagieren einige Tumorzellen sehr empfindlich auf die Behandlung und sterben ab. Andere Krebszellen hingegen werden von dem Medikament nicht angegriffen. Aber warum sterben nicht alle Lungenkrebszellen? „Die Lungenkrebszellen sind von Patient zu Patient – zumindest was ihre genetische Ausstattung angeht – sehr unterschiedlich“, erklärt Privatdozent Dr. Roman Thomas vom Max-Planck-Institut für neurologische Forschung in Köln. Gemeinsam mit weiteren Wissenschaftlern aus dem Nationalen Genomforschungsnetz NGFN-Plus hat er herausgefunden, dass Lungenkrebszellen, die von PD173074 abgetötet werden, eine ganz bestimmte genetische Veränderung tragen. „Nur Krebszellen, bei denen das FGFR1-Gen durch eine genetische Veränderung in vier oder mehr statt nur in zwei Kopien vorliegt, sterben durch PD173074 ab“, sagt Dr. Thomas. „Bis zu 20 Prozent der Patientinnen und Patienten mit Raucherlungenkrebs tragen diese Veränderung im FGFR1-Gen.“ Mit diesem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projekt ist es somit erstmals gelungen, eine genetische Veränderung zu identifizieren, die typisch für diese häufige Art des Lungenkrebses ist und die gleichzeitig eine neue personalisierte Therapie ermöglichen könnte.
Das FGFR1-Gen kodiert für einen Rezeptor des Wachstumsfaktors Fibroblast Growth Factor, kurz FGF. Liegt das Gen im Erbgut in mehr als vier Kopien, also in veränderter Form vor, werden die Tumoren von diesem Gen abhängig. PD173074 ist ein Inhibitor des FGF1-Rezeptors. Das experimentelle Medikament ist aber derzeit nur für Laborversuche verfügbar und nicht für die klinische Behandlung am Menschen zugelassen. In Tierexperimenten konnten die NGFN-Wissenschaftler bereits zeigen, dass durch eine Behandlung mit dem FGF1- Rezeptor-Inhibitor PD173074 Lungentumoren signifikant schrumpfen. Demnach könnten FGF-Rezeptor-Inhibitoren eine neue Therapiemöglichkeit für Lungenkrebspatienten mit Mutation im FGFR1- Gen sein. Dr. Thomas: „Es sind bereits klinische Studien zur Überprüfung der Wirksamkeit und Sicherheit von PD173074 bei Patientinnen und Patienten mit Plattenepithel-Karzinom der Lunge innerhalb unseres Verbundes, in der Klinik I für Innere Medizin der Universität zu Köln am CIO Köln-Bonn, gestartet. Nur die enge Interaktion von Grundlagenwissenschaftlern und klinisch tätigen Onkologen in unserem Verbund hat diese schnelle Umsetzung möglich gemacht.“ Falls diese Studien erfolgreich verlaufen, könnten weltweit Millionen von Lungenkrebspatienten gezielter behandelt werden als es bisher mit einer ungerichteten Chemotherapie möglich ist. „Das wäre ein großer Durchbruch. Denn die Prognose für Patienten mit fortgeschrittenem Lungenkrebs ist leider in vielen Fällen nicht gut. Deshalb“, so Dr. Thomas, „sind neue Behandlungsoptionen dringend notwendig!“
Ansprechpartner:
PD Dr. Roman Thomas
Max-Planck-Institut für neurologische Forschung
Max-Planck-Gruppe „Funktionelle Krebsgenomik“
Gleueler Straße 50
50931 Köln
Tel.: 0221 4726-259
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