Juli 2015

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Malaria in der Schwangerschaft: Impfung könnte Hunderttausende Leben retten

Malaria ist eine häufige Tropenkrankheit, für die schwangere Frauen besonders anfällig sind. Eine Infektion kann für Mutter und Kind tödlich enden. Eine Schutzimpfung könnte das verhindern. Eine vom BMBF geförderte Initiative hat einen Impfstoff entwickelt.

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Mit den Risiken, die eine Malaria-Infektion mit sich bringt, beschäftigen wir uns hierzulande meist nur, wenn wir in tropische und subtropische Regionen der Welt reisen. Dann schlucken wir Medikamente zur Malaria-Prophylaxe und schlafen unter einem Mückennetz, um uns vor Stichen der Anopheles-Mücke, die den Erreger der Malaria überträgt, zu schützen. Doch die Menschen, die in den Malaria- Gebieten leben, haben oftmals nicht einmal Geld für ein Mückennetz. Jährlich fallen der Malaria – nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO – annähernd 600.000 Menschen zum Opfer. Ein Großteil davon sind Kinder in Afrika.

Blutkörperchen verklumpen in der Plazenta

Während einer Schwangerschaft sind Frauen besonders anfällig für Malaria

Während einer Schwangerschaft sind Frauen besonders anfällig für Malaria. 

EVI

Eine spezielle Form der Malaria ist die schwangerschaftsassoziierte Malaria. Sie kostet jedes Jahr bis zu 200.000 Neugeborenen das Leben. Das Gefährliche an dieser Malariaform ist, dass rote Blutkörperchen, die mit dem Malaria-Erreger infiziert sind, in der Plazenta verklumpen. Das beeinträchtigt die Nährstoffversorgung des Babys im Mutterleib. Im Verlauf der Schwangerschaft kann es zu Komplikationen kommen. Die Kinder kommen häufig mit vermindertem Geburtsgewicht zur Welt. Auch Früh- und Totgeburten sind die Folge einer Malaria-Infektion in der Schwangerschaft. Während der Schwangerschaft entsteht in der Plazenta eine neue Nische für den Malaria-Erreger Plasmodium falciparum. Diese Nische ermöglicht es den Parasiten, die eine besondere Oberflächenstruktur (VAR2CSA) tragen, sich dort einzunisten und zu vermehren. Durch die Vermehrung der Parasiten in der Plazenta und durch das in der Schwangerschaft veränderte Immunsystem der Mütter kommt es zu dem Krankheitsbild der schwangerschaftsassoziierten Malaria. „Wir schätzen, dass weltweit in den Malariagebieten jedes Jahr weit mehr als 100 Millionen schwangere Frauen von dieser Form der Malaria bedroht sind. Jährlich sterben 10.000 Mütter und bis zu 200.000 Neugeborene und Kleinkinder an ihren Folgen“, sagt Dr. Nicola Viebig. Sie ist Projektmanagerin der „European Vaccine Initiative“ mit Sitz am Universitätsklinikum Heidelberg. Die Initiative hat sich zum Ziel gesetzt, den Frauen und Kindern in den betroffenen Regionen durch die Entwicklung eines Impfstoffes zu helfen.
 

Auf einem Dorfplatz in Burkina Faso informieren sich junge Mütter über die Möglichkeit, gemeinsam mit ihren Kindern an einer klinischen Studie für einen Malaria-Impfstoff teilzunehmen.

Auf einem Dorfplatz in Burkina Faso informieren sich junge Mütter über die Möglichkeit, gemeinsam mit ihren Kindern an einer klinischen Studie für einen Malaria-Impfstoff teilzunehmen.

EVI

Bislang keine Malaria-Impfung auf dem Markt

Bislang ist keine vorbeugende Impfung gegen Malaria verfügbar – auch nicht gegen die übliche Form der Malaria, bei der nicht die Plazenta, sondern zunächst die Leber von den Malaria-Erregern befallen wird. Eine Herausforderung bei der Entwicklung eines Impfstoffes gegen Malaria ist, dass der Malaria-Erreger im Menschen verschiedene Stadien durchläuft und in jedem Stadium anders aussieht. „Im Moment steht ein Malaria-Impfstoff kurz vor der Zulassung. Doch dieser Impfstoff bietet vermutlich keinen Schutz vor der schwangerschaftsassoziierten Malaria. Auch ist insgesamt seine Wirksamkeit eher gering“, erklärt Dr. Odile Leroy, Executive Director der „European Vaccine Initiative“. Auch die Verwendung von Mückennetzen und die Einnahme von Anti-Malaria- Medikamenten können nur bedingt vor schwangerschaftsassoziierter Malaria schützen. „Wir brauchen deshalb dringend einen Impfstoff, der spezifisch vor Malaria in der Schwangerschaft schützt. Ein solcher Impfstoff könnte jedes Jahr Hunderttausende Leben retten“, betont Leroy.

Malaria – der Mensch als Zwischenwirt

Malaria wird durch den Stich der weiblichen Anopheles-Mücke übertragen und von Parasiten, den Plasmodien, ausgelöst. Die auch Wechselfieber oder Sumpffieber genannte Erkrankung äußert sich durch periodische Fieberschübe, Magen-Darm-Beschwerden, Blutarmut und Krämpfe. Schwere Verläufe kommen vor allem bei Kindern vor. Plasmodien sind einzellige Parasiten, die von Anopheles-Mücken übertragen werden und die den Menschen in einem komplizierten Infektionskreislauf als Wirt benutzen: Durch den Stich der Mücke gelangen Plasmodien-Vorformen ins menschliche Blut. Sie siedeln zunächst in Leberzellen, wo sie sich auch teilen. Von dort infizieren sie dann rote Blutkörperchen, in denen sie sich vermehren und zu Keimzellen heranreifen. Die eigentlich sexuelle Vermehrung der Plasmodien findet wieder in der Mücke statt. Dafür ist ein zweiter Mückenstich erforderlich, durch den die Mücke den Parasiten wieder aus dem Blut des Menschen aufnimmt. Es gibt verschiedene Formen der Malaria, die hauptsächlich durch vier unterschiedliche Arten des Parasiten verursacht werden. Die schwangerschaftsassoziierte Malaria wird durch Plasmodium falciparum ausgelöst. Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation WHO infizieren sich jedes Jahr weltweit rund 200 Millionen Menschen durch Mückenstiche mit den Malaria-Erregern. Die Malaria ist eine behandelbare Erkrankung, sofern sie rechtzeitig erkannt wird. Inzwischen sind jedoch Plasmodien zunehmend unempfindlich gegen viele Medikamente. Umso wichtiger ist es, Mückenstiche zu verhindern und Impfstoffe zu entwickeln, vor allem um Kinder zu schützen.Reisende in Malariagebieten sollten eine reisemedizinische Beratung wahrnehmen und vorbeugend Medikamente einnehmen.

Impfstoffkandidat: Gesucht und gefunden!

Dr. Benoit Gamain vom französischen Forschungsinstitut Inserm ist der Entdecker des Impfstoffkandidaten, der kurz vor der klinischen Prüfung steht.

Dr. Benoit Gamain vom französischen Forschungsinstitut Inserm ist der Entdecker des Impfstoffkandidaten, der kurz vor der klinischen Prüfung steht.

Inserm

Dr. Benoit Gamain vom französischen Forschungsinstitut Inserm ist der Entdecker des Impfstoffkandidaten, der kurz vor der klinischen Prüfung steht. Foto: Inserm In den vergangenen vier Jahren hat die „European Vaccine Initiative“ mit Förderung des Bundesforschungsministeriums einen geeigneten Impfstoffkandidaten gesucht, gefunden, hergestellt und im Labor umfangreich geprüft. Der Impfstoff basiert auf einem Protein namens VAR2CSA. Dieses Protein des Malaria-Erregers Plasmodium falciparum ist bei infizierten roten Blutkörperchen in der Membran verankert. „Derzeit ist VAR2CSA der vielversprechendste Kandidat für einen Impfstoff gegen Malaria in der Schwangerschaft“, erklärt Viebig. Bekannt ist, dass Frauen, die eine schwangerschaftsassoziierte Malaria überlebt haben, nach mehreren Schwangerschaften Antikörper gegen genau dieses Protein bilden. So werden sie resistent gegen die schwangerschaftsassoziierte Malaria. „Unser Impfstoff soll diesen Mechanismus nachahmen und Frauen schon während der ersten Schwangerschaft und damit auch ihre Neugeborenen schützen“, hofft Viebig. Noch im Jahr 2015 wird der Impfstoffkandidat in einer klinischen Studie in Frankreich und Burkina Faso untersucht, um herauszufinden, ob er sicher und für den Einsatz am Menschen geeignet ist. „Unser langfristiges Ziel ist die Einführung eines sicheren, effektiven und erschwinglichen Impfstoffes“, so Viebig. Erste Ergebnisse der Studie erwarten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Mitte 2016.

Für die Entwicklung des Impfstoffes kooperiert die „European Vaccine Initiative“ mit den französischen Forschungsinstituten Institut National de la santé et de la recherche médicale (Inserm) und Institut National de la Transfusion Sanguine (INTS) sowie mit dem Centre National de Recherche et de Formation sur le Paludisme (CNRFP) in Burkina Faso.

Was sind PDPs?

Die Abkürzung PDP steht für Produktentwicklungspartnerschaften (Product Development Partnerships). PDPs sind internationale Non-Profit-Organisationen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, Präventionsmethoden, Impfstoffe, Medikamente oder Diagnostika gegen vernachlässigte und armutsassoziierte Krankheiten zu entwickeln und zu geringen Kosten den Menschen in einkommensschwachen Ländern bereitzustellen. Hierzu vereinen sie Expertisen aus unterschiedlichen Bereichen: der biomedizinischen Forschung und Entwicklung, der Industrie und aus gemeinnützigen Organisationen. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unterstützt vier PDPs zu vernachlässigten tropischen Krankheiten, wie Chagas, Dengue, Bilharziose und Elefantiasis, sowie zu Krankheiten, die zu einer hohen Krankheitslast und Mortalität bei Kindern in Entwicklungsländern führen, wie beispielsweise bakterielle Pneumonie und Meningitis, Durchfallerkrankungen oder Malaria:

DNDi (Drugs for Neglected Diseases initiative) arbeitet daran, neue Medikamente gegen vernachlässigte Krankheiten zu finden, unter anderem zur Behandlung von Chagas, Malaria und HIV bei Kindern.

DVI (Dengue Vaccine Initiative) ist ein internationales Konsortium unter südkoreanischer Führung, das einen Impfstoff gegen das Dengue-Virus entwickeln will.

EVI (European Vaccine Initiative) hat das Ziel, wirksame, zugängliche und erschwingliche Impfstoffe gegen Malaria und andere armutsassoziierte Krankheiten zu entwickeln.

FIND (Foundation for Innovative New Diagnostics) entwickelt innovative Diagnostika für mehrere Krankheiten wie Leishmaniose und Schlafkrankheit.

Ansprechpartnerin:
Dr. Nicola Viebig
European Vaccine Initiative
Universitätsklinikum Heidelberg
Im Neuenheimer Feld 326
69120 Heidelberg
06221 56-35965
06221 56-5727
nicola.viebig@euvaccine.eu