Wie können Kranke ohne Covid-19 – etwa Krebspatientinnen und -patienten – auch in Pandemie-Zeiten und trotz belasteter Ressourcen angemessen versorgt werden? Ethisch und empirisch begründete Empfehlungen entwickeln Forschende im Projekt CancerCOVID.
Haben schwer erkrankte Menschen trotz der Belastungen, denen das Gesundheitssystem durch die aktuelle Corona-Pandemie ausgesetzt ist, ausreichenden Zugang zu diagnostischen Maßnahmen und therapeutischer Versorgung? Wie lässt sich sicherstellen, dass zum Beispiel Krebspatientinnen und -patienten auch weiterhin zuverlässig geholfen wird? Ist etwa eine chronische Tumorerkrankung individuell so gut beherrschbar, dass eine Behandlung möglicherweise verschoben werden könnte? Fragen wie diesen geht das Projekt CancerCOVID nach, ein Verbundvorhaben der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, der Technischen Universität Dresden und der Ruhr-Universität in Bochum. Dort will man systematisch untersuchen, welche Auswirkungen es auf medizinische und psychosoziale Aspekte der Krebsversorgung in der aktuellen Pandemie gegeben hat und welche Empfehlungen für eine solche Situation künftig gegeben werden können.
Zu Beginn der Pandemie hätten sich Institutionen und Akteure der Gesundheitsversorgung vor allem auf die medizinische Betreuung von mit SARS-CoV-2 infizierten Patientinnen und Patienten vorbereitet, argumentiert Professor Dr. Jan Schildmann von der Medizinischen Fakultät der Universität Halle-Wittenberg, der Koordinator des Forschungsvorhabens. „Sowohl im ambulanten als auch im stationären Bereich waren die Versorgungsstrukturen in Deutschland, wo insbesondere im März und April regulierende Maßnahmen in Kraft traten, in unterschiedlichem Ausmaß nur eingeschränkt zugänglich.“ Dass es auch für Patientengruppen, die nicht von Covid-19 betroffen sind, ausreichend Ressourcen geben muss, sei auch in Zeiten einer Pandemie sowohl ethisch als auch klinisch relevant: „Wir benötigen interdisziplinäre Untersuchungen, um die Auswirkungen der Pandemie auf festgelegte Patientengruppen zu erfassen sowie Handlungsempfehlungen für die Versorgung von Patienten ohne Covid-19“, so Schildmann.
Um deren Sicht auf die Pandemie zu ergründen befragen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bei CancerCOVID sowohl an Krebs erkrankte Patienten als auch Vertreter unterschiedlicher Gesundheitsberufe. Wie stark sind Tumorpatienten psychisch belastet? Wo liegen zusätzliche soziale und ethische Herausforderungen während der Pandemie? Wie kann bei knappen Ressourcen gut versorgt werden? Erkenntnisse dazu erhoffen sich die Forschenden aus der Auswertung von pseudonymisierten Routinedaten von Patientinnen und Patienten im Bundesland Sachsen, die an unterschiedlichen Tumorerkrankungen leiden, sowie Daten von Krebszentren, die viele Patientinnen und Patienten versorgen.
Ihre Projektergebnisse werden die Forschenden mit Entscheidungsträgern aus der Onkologie und der Gesundheitspolitik diskutieren und in Versorgungsempfehlungen einfließen lassen, um auf eine ähnliche Ressourcenknappheit wie zu Beginn der Corona-Pandemie vorbereitet zu sein. Zusätzlich sollen die Erkenntnisse aus dem bis Ende 2021 laufenden Projekt in Fachzeitschriften und als Kongressbeiträge veröffentlicht werden sowie mittelfristig zum Bestandteil von ärztlichen Fortbildungen und medizinischer Lehre werden.
Förderinitiative Richtlinie zur Förderung eines Nationalen Forschungsnetzes zoonotische Infektionskrankheiten / Rapid Response Modul vom 3. März 2020
Projektvolumen: 464.511 Euro
Projektlaufzeit: 01.07.2020–31.12.2021
Projektleitung:
Prof. Dr. Jan Schildmann
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Medizinische Fakultät
Magdeburgstr 8
06112 Halle (Saale)
0345 557-3550
jan.schildmann@medizin.unihalle.de
Projektpartner:
Prof. Dr. Jochen Schmitt, Technische Universität Dresden
Prof. Dr. Anke Reinacher-Schick, Ruhr-Universität Bochum