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| September 2018

Medulloblastom: Verbesserte Diagnostik für seltene Gehirntumore

Ein internationales Forschungsteam hat einen Algorithmus für genetische Untersuchungen entwickelt, der Kindern mit bestimmten bösartigen Gehirntumoren, sogenannten  Medulloblastomen, helfen kann. Denn er verbessert die Therapie und Beratung der Betroffenen.

Medulloblastome sind seltene Gehirntumore, die insbesondere bei Kindern auftreten. Etwa 100 bis 150 Kinder in Deutschland erkranken jährlich daran. Bei schätzungsweise 10 bis 15 Prozent von ihnen lösen erbliche Gendefekte die bösartige Erkrankung aus. „Wie die Krankheit fortschreitet und wie sie behandelt werden sollte, hängt auch von den Genen ab, die an der Krebsentstehung beteiligt sind“, weiß Professor Stefan Pfister. Er ist einer der drei Direktoren des Hopp-Kindertumorzentrums am NCT* Heidelberg (KiTZ). Gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen aus Deutschland, Kanada und den USA analysierte er das Erbgut von 1.022 Menschen, die unter einem Medulloblastom litten. Ihre Erkenntnisse ermöglichen zukünftig eine genetische Untersuchung, die hilft, Patientinnen und Patienten mit erblichen Erkrankungen zu identifizieren und für sie Vorhersagen zum Krankheitsverlauf sowie bessere Therapieempfehlungen zu erstellen.

MRT-Aufnahme eines Kinderschädels

MRT-Aufnahme eines Medulloblastoms bei einem sechsjährigen Kind

Universitätsklinikum Heidelberg, Dr. Angelika Seitz 

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler analysierten sogenannte Prädispositionsgene im Erbgut der Medulloblastom-Patienten. Prädispositionsgene sind Gene, die an der Entstehung verschiedener Krebsformen bei Kindern und Erwachsenen beteiligt sind. Ihre Ergebnisse zeigten, dass sechs dieser Gene bei Patientinnen und Patienten mit Medulloblastom deutlich häufiger verändert waren als bei gesunden Menschen. Die statistische Auswertung bestätigte, dass bei etwa fünf Prozent der untersuchten Patienten das Krebsrisiko alleine deshalb erhöht war, weil eines dieser sechs Gene verändert war. Bei einer spezifischen Form der Gehirntumore, den SHH-Medulloblastomen, lag dieser Anteil sogar bei etwa 20 Prozent.

Genetische Untersuchung im Krankheitsfall

Aufbauend auf diesen Ergebnissen entwickelten die Forschenden Empfehlungen für genetische Untersuchungen, ein sogenanntes Screening. Dieses kann bei verschiedenen Formen des Medulloblastoms standardisiert durchgeführt werden. „Das Screening hilft uns, bestimmte Therapieentscheidungen zu treffen. So können wir jetzt beispielsweise besser einschätzen, ob ein Erkrankter mit Strahlentherapie behandelt werden sollte oder nicht“, erläutert Pfister. „Es unterstützt uns aber auch dabei, die betroffenen Familien zu beraten. Denn Veränderungen in Prädispositionsgenen werden häufig von den Eltern an die Kinder vererbt und betreffen unter Umständen mehrere Familienmitglieder, zum Beispiel auch Geschwisterkinder.“ Gemeinsam mit Professor Christian Kratz von der Medizinischen Hochschule Hannover gründete Pfister vor Kurzem ein Register für Krebsprädisposition. Es soll zukünftig dazu beitragen, für alle Patientinnen und Patienten mit erblichen Krebserkrankungen in absehbarer Zukunft flächendeckend entsprechende Sprechstunden und Vorsorgeuntersuchungen anbieten zu können, welche genau auf die jeweilige Erkrankung abgestimmt sind. Zudem haben sie eine Website erstellt, die viele nützliche Informationen für Patienten, Familien und Ärzte enthält: www.krebs-praedisposition.de

Forschung zu kindlichen Tumoren – weltweite Vernetzung im Kampf gegen Krebs

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unterstützt bereits seit vielen Jahren Forschungsprojekte, die nach den molekularen Ursachen kindlicher Tumore suchen. So basiert das beschriebene Projekt auf Ergebnissen, die vom BMBF im „Internationalen Krebsgenom-Konsortium“ (International Cancer Genome Consortium, kurz ICGC) bis November 2017 unterstützt wurden.

Im ICGC arbeiten weltweit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler daran, 50 verschiedene Krebserkrankungen genetisch zu untersuchen, um neue verbesserte Ansätze zu Prävention, Diagnose und Therapie zu finden. Es gibt drei deutsche ICGC-Beteiligungen. Die Projekte untersuchen die molekularen Ursachen kindlicher Hirntumore und maligner Lymphome sowie die Genome von früh entstehenden Prostatatumoren. Derzeit werden die umfangreichen Datensätze ausgewertet und veröffentlicht.

Auf der Suche nach weiteren Prädispositionsgenen

In einem nächsten Schritt wollen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler das Erbgut der 1.022 Menschen mit einem Medulloblastom systematisch nach weiteren Veränderungen durchsuchen, die mit der Krankheitsentstehung in Zusammenhang stehen könnten. „Wir glauben, dass wir bereits mindestens einem weiteren Gen auf der Spur sind, welches bislang nicht zu den Krebsprädispositionsgenen gezählt wurde“, so Pfister. Bestätigt sich dieser Verdacht und finden die Forschenden weitere Gene, so liegt der Anteil der Menschen, die aufgrund einer genetischen Ursache an diesen Gehirntumoren erkranken, wahrscheinlich deutlich höher als bislang angenommen.

Die vorgestellten Untersuchungen sind Ergebnis einer internationalen Kooperation, an der neben dem KiTZ mit seinen Trägern Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ) und Universitätsklinikum Heidelberg auch das European Molecular Biology Laboraty (EMBL), das Deutsche Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK) sowie das St. Jude Children’s Research Hospital in Memphis und das Hospital for Sick Children in Toronto beteiligt waren. Die deutschen Partner wurden maßgeblich vom DKTK, der Deutschen Krebshilfe, der Deutschen Kinderkrebshilfe und dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unterstützt.

Ansprechpartner:

Prof. Dr. Stefan Pfister
Pädiatrische Neuroonkologie
Deutsches Krebsforschungszentrum
Im Neuenheimer Feld 280
69120 Heidelberg
Tel.: 06221 424618
E-Mail: s.pfister@dkfz.de