Die Hände zittern, die Glieder sind steif - Parkinson-Patienten leiden oftmals stark unter ihrer Krankheit. Wenn Medikamente allein die Symptome nicht mehr lindern, kann die Implantation eines Hirnschrittmachers helfen. Um Betroffene nach der Operation optimal zu begleiten, haben sich Neurochirurgen und niedergelassene Neurologen zusammengetan. Entstanden ist ein Netzwerk zum Wohle der Patienten.
Der Schauspieler Michael J. Fox und der Boxchampion Muhammad Ali – zwei Prominente, die wie etwa 300.000 Menschen in Deutschland an Parkinson erkrankt sind. Im Gehirn von Parkinson-Patienten sterben Nervenzellen, und es mangelt an einem dämpfenden Botenstoff, dem Dopamin. Bestimmte Bereiche im Gehirn, die unsere Bewegungen steuern, werden deshalb überaktiv, und es kommt zur typischen Schüttellähmung der Patienten. Zunächst können Medikamente die quälenden Symptome der Patienten lindern. In einem fortgeschrittenen Stadium der Krankheit lässt ihre Wirkung aber oftmals nach. Für Patienten, die langjährig und schwer an Parkinson erkrankt sind und bei denen Medikamente nicht mehr zuverlässig helfen, gibt es seit nahezu zehn Jahren eine Aussicht auf Besserung: durch die Implantation eines Schrittmachers in das Gehirn.
„Bei der Tiefen Hirnstimulation werden über ein winziges Loch in der Schädeldecke elektrische Sonden in das Gehirn des Patienten eingesetzt. Und zwar genau in die Hirnregion, meist ist es die Substantia nigra, in der die Funktion der Nervenzellen gestört ist“, erklärt Prof. Dr. Günther Deuschl, Direktor der Klinik für Neurologie am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein in Kiel. Diese Elektroden sind mit dem eigentlichen Schrittmacher verbunden, der unter das Schlüsselbein implantiert wird. „Durch schwache Stromstöße wird eine permanente elektrische Reizung der Hirnregion verursacht, die gezielt die überaktiven Nervenzellen hemmt. So verbessert sich die Beweglichkeit und
im Vergleich zur reinen Medikamenten-Therapie“, fasst Professor Deuschl die Ergebnisse einer Studie zusammen, die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen des Kompetenznetzes Parkinson gefördert wurde. In dieser Studie wurde erstmals gezeigt, dass die Tiefe Hirnstimulation im fortgeschrittenen Stadium einer Parkinson-Erkrankung tatsächlich besser geeignet ist, die Symptome der Patienten zu lindern, als die alleinige Behandlung mit Medikamenten. Die Patienten können durch die Tiefe Hirnstimulation allerdings keine Heilung ihres Parkinson-Leidens erwarten. „Durch die elektrischen Impulse kommt es aber zu einer erheblichen Verbesserung ihrer Symptome“, betont Professor Deuschl.
Sowohl vor als auch nach der Implantation eines Hirnschrittmachers ist es wichtig, die Patienten intensiv zu betreuen – eine Aufgabe, die in Deutschland meist von niedergelassenen Neurologen wahrgenommen wird. Dr. Reinhard Ehret aus Berlin ist einer von ihnen. „Vor dem Eingriff haben die Patienten meist viele Fragen. Denn ein Patient entschließt sich natürlich nur zu diesem Eingriff, wenn er sicher ist, dass sich durch die Tiefe Hirnstimulation seine Beschwerden verbessern werden“, beschreibt Dr. Ehret. Nach der Implantation geht die Betreuung der Patienten weiter – der Hirnschrittmacher muss genau auf die Bedürfnisse der Patienten eingestellt werden. Eine aufwändige Prozedur, für die in einer Klinik oftmals die Zeit und das Personal fehlen – deshalb sind dabei vor allem die niedergelassenen Ärzte gefragt. „Die Gruppe von Parkinson-Patienten, für die ein Hirnschrittmacher in Frage kommt, ist sehr klein – wir schätzen, dass es etwa zehn Prozent aller Parkinson-Patienten sind. Man kann natürlich nicht von jedem niedergelassenen Neurologen erwarten, dass er sich bestens mit der Tiefen Hirnstimulation auskennt“, sagt Professor Deuschl. Deshalb haben sich fast alle Ärztinnen und Ärzte, die in Deutschland mit der Tiefen Hirnstimulation zu tun haben, zusammengetan. „Gemeinsam haben wir die Arbeitsgemeinschaft Tiefe Hirnstimulation gegründet, in der Forscher, klinische Neurologen, Neurophysiologen, Neurochirurgen, Anästhesisten und niedergelassene Neurologen miteinander kooperieren“, sagt Professor Deuschl, der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft. „Wir bilden uns zusammen fort, tauschen uns aus und haben gemeinsam Standards für die Behandlung von Parkinson-Patienten mit Hirnschrittmacher entwickelt.“ Diese Vernetzung ermöglicht, dass nun überall in Deutschland Hirnschrittmacher-Patienten in Kliniken und Praxen betreut werden.
„Hier in Berlin funktioniert diese Vernetzung bereits reibungslos“, berichtet Dr. Ehret. Er kooperiert mit Prof. Dr. Andreas Kupsch von der Klinik für Neurologie der Charité – Universitätsmedizin Berlin. „Durch unsere enge Zusammenarbeit werden die Patienten nach dem Eingriff nun sehr früh zu mir zurückgeschickt, damit ich einen Teil der Nachbetreuung übernehmen kann.“ Für die Patienten ist das oft von Vorteil: „Meist kennen wir uns schon aus der Zeit vor der Operation, und wenn sie Fragen und Probleme haben, ist eine Praxis in der Regel einfacher zu erreichen als eine Klinikambulanz“, beschreibt
Dr. Ehret.
Wie sich das Leben eines Parkinson-Kranken nach der Schrittmacher-Implantation verändern kann, hat Dr. Ehret schon mehrfach erlebt. Ein Beispiel: „Einer meiner Patienten ist gerade aus einem Asienurlaub zurückgekehrt. Dieser Urlaub wäre für ihn ohne den Hirnschrittmacher undenkbar gewesen. Er feiert den Tag seiner Hirnschrittmacher-Implantation sogar als neuen Geburtstag.“
In einer vom BMBF unterstützten Studie konnte Dr. Ehret zeigen, dass es gerade bei der Versorgung von Hirnschrittmacher-Patienten sinnvoll ist, dass Ärzte aus Kliniken und Praxen Hand in Hand arbeiten. „Durch diese so genannte integrierte Versorgung können Parkinson-Patienten schneller aus dem Krankenhaus entlassen und in eine Spezialpraxis überwiesen werden – ohne dass die Qualität ihrer Versorgung darunter leidet. Und das Gesundheitssystem könnte durch den verkürzten Klinikaufenthalt sogar Geld sparen“, erklärt Dr. Ehret. Noch hat die integrierte Versorgung von Hirnschrittmacher-Patienten nicht Einzug in die Regelversorgung gefunden.
Das typische Zittern der Hände, der Tremor, ist nur eines der auffälligsten Symptome von Patienten mit Parkinson. Sie leiden vor allem unter Bewegungsarmut (Akinese, griechisch: Bewegungslosigkeit), die Muskeln ihrer Gliedmaßen versteifen sich (Rigor, lateinisch: Starre), sie bekommen Gleichgewichtsstörungen, stürzen schnell und haben Probleme mit ihren Bewegungsabläufen. Die Ursache für die Erkrankung liegt im Gehirn der Patienten: Hier sterben langsam, aber unaufhörlich die Nervenzellen, die den Botenstoff Dopamin produzieren. Dopamin wirkt auf bestimmte Hirngebiete und steuert so die Muskelfunktion und damit die Bewegungen. Fehlt es an Dopamin, werden Nervenzellen in diesen Hirngebieten überaktiv und es kommt zur typischen Schüttellähmung der Patienten.
Die Therapie von Parkinson-Patienten beginnt stets mit der Einnahme von Medikamenten, die den Mangel des Botenstoffs Dopamin im Gehirn ausgleichen. In einem fortgeschrittenen Stadium der Krankheit lässt die Wirkung dieser Medikamente aber oftmals nach. Um die Symptome dennoch zu lindern, gibt es seit nahezu zehn Jahren die Möglichkeit, diesen Patienten einen Hirnschrittmacher zu implantieren.
Ansprechpartner:
Prof. Dr. Günther Deuschl
Klinik für Neurologie
Universitätsklinikum Schleswig-Holstein
Arnold-Heller-Str. 3
24105 Kiel
Tel.: 0431 597-8550
Fax: 0431 597-8502
E-Mail: g.deuschl@neurologie.uni-kiel.de