Stürze und Knochenbrüche sind eine große Gefahr für ältere Menschen, die zu Hause leben. Das Programm „Trittsicher durchs Leben“ zeigt Seniorinnen und Senioren, wie sie ihre Mobilität verbessern und die Sturzgefahr verringern können.
Bis ins hohe Alter hinein mobil zu sein und zu Hause in der gewohnten Umgebung zu leben – das wünschen sich die meisten Bürgerinnen und Bürger. Allerdings ist die Unfallgefahr in den heimischen vier Wänden groß: Ein Drittel der älteren Menschen stürzt hier irgendwann einmal. Knochenbrüche sind nicht selten die Folge. Besonders häufig sind Hüftfrakturen – fast 150.000 mussten im Jahr 2017 im Krankenhaus behandelt werden. Damit verbunden sind oft Komplikationen oder bleibende Einschränkungen der Mobilität.
Gezielte Maßnahmen können sowohl das Risiko für Stürze und Frakturen verringern als auch die Mobilität verbessern. Diese reichen von einem Training der Balance und der Muskulatur über eine bessere Ausleuchtung von Gängen oder Fluren bis hin zu einer medikamentösen Behandlung eines möglichen Knochenschwunds. Aber wie müssen solche Angebote aufgestellt sein, damit auch hochbetagte, teils gebrechliche Personen regelmäßig daran teilnehmen? Wie kann sichergestellt werden, dass Knochen gesund bleiben oder eine Osteoporose erkannt wird? Und wie erreichen die Informationen über konkrete häusliche Sicherheitsmaßnahmen die Zielgruppe am wirkungsvollsten?
Das Programm „Trittsicher durchs Leben“: Eine kluge Strategie
Mobilitätsfördernde und sturzvermeidende Versorgungsleistungen wirkungsvoll zu den Menschen zu bringen – das ist dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Programm „Trittsicher durchs Leben“ gelungen: „Unser Ziel war es, qualitativ hochwertige Bewegungs- und Sturzpräventionskurse für ältere Menschen direkt an ihrem Wohnort anzubieten, etwa in Gaststätten, Kirchenräumen, Schulen oder Sportstätten. Also an den Orten, die die Menschen kennen und die sie leicht erreichen können. So sind viele Menschen gerne bereit, unser Angebot wahrzunehmen“, erklärt Professor Kilian Rapp, Internist und Geriater. Mit seinem Team am Robert-Bosch-Krankenhaus in Stuttgart begleitet Rapp das Programm „Trittsicher durchs Leben“ wissenschaftlich und evaluiert seine Ergebnisse. Um wohnortnahe Angebote zu schaffen, hat sein Team mit dem Deutschen LandFrauenverband und dem Deutschen Turner-Bund zusammengearbeitet. „Deren Orts- und Kreisverbände kennen sich vor Ort genau aus“, erläutert Rapp. Die LandFrauen haben beispielsweise die Kurse organisiert, und der Turner-Bund hat die Mehrzahl der Kursleiterinnen und -leiter gestellt. Das Programm selbst wurde getragen von der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG) – und war für die Teilnehmenden kostenlos. Die Mitarbeitenden der Sozialversicherung unterstützten das Programm aktiv: Sie sprachen die älteren Menschen direkt an und stellten das Programm vor. So konnte „Trittsicher durchs Leben“ als Pilotprojekt in insgesamt 47 Landkreisen der Bundesländer Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz angeboten werden.
Trittsicher durchs Leben“ besteht aus drei Elementen:
Trittsicher-Bewegungskurs: Hier wird die Muskulatur aufgebaut und sowohl Kraft als auch Gleichgewicht trainiert. Speziell geschulte Trainerinnen und Trainer leiten den Kurs.
Abklärung der Knochengesundheit: Knochenbrüche bei älteren Menschen gehen oft auf Knochenschwund (Osteoporose) zurück. Den Teilnehmenden wird nahegelegt, ihre Knochendichte mittels eines Standardverfahrens untersuchen zu lassen. Falls Osteoporose besteht, entscheidet der jeweilige Haus- bzw.-Facharzt, wie behandelt werden soll.
Sicherheitsmaßnahmen für das eigene Wohnumfeld: Beispielsweise sind dies zusätzliche Handläufe an Treppen, ein kleiner Platz zum Ausruhen zwischen Haus und Garten oder Bewegungsmelder, die Wege ausleuchten.
Weitere Informationen hierzu: www.trittsicher.org
Ein erfolgreicher Ansatz: Mehr als 25.000 Teilnehmende
Diese Strategie war sehr erfolgreich: Mehr als 2.300 „Trittsicher“-Bewegungskurse haben innerhalb von zweieinhalb Jahren bis Mitte 2018 stattgefunden – mit über 25.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Über die Hälfte der Teilnehmenden war älter als 75 Jahre. Die hohe Teilnahmequote lag unter anderem daran, dass die Kurse gut erreichbar waren: Die Hälfte der Teilnehmenden musste weniger als 1,7 km zum Kursort zurücklegen.
Positive Nebeneffekte: Spaß, Lebensqualität und mehr Sozialleben im Dorf
Die Menschen nahmen die Kurse sehr positiv auf. Das Bewegungstraining in der Gruppe machte den Teilnehmenden sichtlich Freude und verbesserte zudem das Sozialleben: „Seit der Teilnahme am Trittsicher-Kurs nehmen auch Seniorinnen und Senioren am Dorfleben teil, die sonst nur noch selten aus ihrem Haus kamen“, beobachtete beispielsweise eine der LandFrauen aus Niedersachsen. Eine Kursteilnehmerin aus Bayern berichtete: „Mit dem Trittsicher-Bewegungskurs haben mein Mann und ich etwas gefunden, an dem wir beide zusammen teilnehmen können und Spaß haben.“
Wie geht es weiter?
Professor Rapp und sein Team werden das Programm „Trittsicher durchs Leben“ weiterhin begleiten: „Im Jahr 2019 werden wir wissen, ob wir Frakturen tatsächlich bedeutsam reduzieren konnten.“ Die Arbeitsgruppe wertet auch aus, ob es sich für Krankenkassen lohnt, das Programm anzubieten – das ist dann der Fall, wenn die Kosten des Programms geringer sind als sämtliche Kosten, die mit einen Sturz verbunden wären. „Schon jetzt steht fest, dass das Programm deutschlandweit ausgebreitet wird – ein großer Erfolg, den wir so nicht erwartet haben“, sagt Rapp.
Ansprechpartner:
Prof. Dr. Kilian Rapp
Robert-Bosch-Krankenhaus
Abteilung für Geriatrie und Geriatrische Rehabilitation
Auerbachstraße 110
70376 Stuttgart
Tel.: 0711 8101-3101
E-Mail: kilian.rapp@rbk.de