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Die neurologischen Symptome von Long-COVID lassen sich möglicherweise mit der Ansammlung von Spike-Proteinen erklären, die nach einer Infektion mit SARS-CoV-2 in der Hirnhaut und im Schädelknochen überdauern. Dies legt eine Münchener Studie nahe.
Dauerhafte Erschöpfung, Konzentrations- und Gedächtnisprobleme zählen zu den möglichen Spätfolgen einer SARS-CoV-2-Infektion. Unter längerfristigen Beeinträchtigungen leiden Schätzungen zufolge bis zu zehn Prozent aller Infizierten.
DLR Projektträger / BMBF
Forschende von Helmholtz Munich und der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) haben einen Mechanismus gefunden, der die Langzeitfolgen einer Infektion mit SARS-CoV-2 erklären könnte. Laut einer Studie unter Leitung von Professor Ali Ertürk, dem Direktor des Instituts für Intelligente Biotechnologien bei Helmholtz Munich, ist das für das Virus charakteristische Spike-Protein noch Jahre nach einer Infektion in den Hirnhäuten und im Knochenmark des Schädels nachweisbar. Diese Dauerpräsenz könnte chronische Entzündungen auslösen und das Risiko für neurodegenerative Erkrankungen erhöhen, heißt es in der Studie.
Den bisher nicht feststellbaren Ablagerungen kam das Team um Professor Ertürk dank einer neuartigen Bildgebungstechnik auf die Spur, die sich auf Künstliche Intelligenz (KI) stützt. Sie erlaubt die transparente Darstellung von Organen und Gewebeproben und damit eine dreidimensionale Visualisierung von Zellstrukturen, Stoffwechselprodukten und in diesem besonderen Fall von viralen Eiweißmolekülen.
Die Forschenden führten ihre Untersuchungen an Gewebeproben von Mäusen durch; methodische Expertise sowie vergleichbare Gewebeproben von Menschen mit COVID-19 brachte das Nationale Obduktionsnetzwerk (NATON) ein. Dieses Netzwerk fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) über das Netzwerk Universitätsmedizin (NUM).
Der im Fachjournal „Cell Host & Microbe“ erschienenen Studie zufolge heftet sich das Spike-Protein an sogenannte ACE2-Rezeptoren, die in den Hirnhäuten und im Knochenmark des Schädels besonders häufig vorkommen und diese daher besonders anfällig für eine langfristige Ansammlung des Spike-Proteins machen. Nach Aussage der Forschenden deuten die Daten auch darauf hin, dass das Spike-Protein an den Grenzen des Gehirns zu den langfristigen neurologischen Effekten von COVID-19 wie Post- bzw. Long-COVID beitragen könnte. Dazu gehöre auch eine beschleunigte Gehirnalterung.
Doch die Forschenden machten noch eine weitere Entdeckung: Sie stellten fest, dass der mRNA-Impfstoff der Unternehmen BioNTech/Pfizer die Anreicherung von Spike-Proteinen und Entzündungen im Gehirn von Mäusen um etwa 50 Prozent verringerte. Ein Restrisiko bleibt für das Gehirn also bestehen; andere Vakzine wurden in der Studie nicht untersucht.
Die aus dem Tiermodell abgeleiteten Ergebnisse lassen sich den Forschenden zufolge nur eingeschränkt auf den Menschen übertragen, sind in ihren Augen aber dennoch als wichtiger Schritt zu werten. „Unsere Ergebnisse eröffnen neue Möglichkeiten zur Diagnose und Behandlung der langfristigen neurologischen Effekte von COVID-19“, bilanziert Ertürk.
Weitere Studien sind erforderlich, um die Relevanz der Ergebnisse für Menschen mit Long-COVID zu untersuchen. In Kombination mit Tests zum Nachweis spezifischer Proteine in Gewebeproben könnten medizinische Untersuchungen der leichter zugänglichen Schädelknochen und Hirnhäute helfen, Spike-Proteine oder Entzündungsmarker im Blut oder der Gehirnflüssigkeit aufzuspüren. Auch könne die Charakterisierung dieser Proteine die Entwicklung gezielter Therapien und Biomarker unterstützen, um neurologische Beeinträchtigungen durch COVID-19 besser zu behandeln oder sogar zu verhindern, so der Münchener Wissenschaftler.
Originalpublikation: Rong, Z., Mai, H., Ertürk, A. et al. (2024). Persistence of spike protein at the skull-meninges-brain axis may contribute to the neurological sequelae of COVID-19. Cell Host & Microbe. DOI: 10.1016/j.chom.2024.11.007.