Mukoviszidose – Beeinträchtigung der Lunge früh und gefahrlos erkennen - Neue Untersuchungsmethode ganz ohne Strahlung und Vollnarkose

Logo Deutsches Zentrum für LungenforschungWissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Lungenforschung konnten nun in einer klinischen Studie nachweisen, dass mithilfe der Magnetresonanztomografie der Krankheitsverlauf schon früh beurteilt und ein Behandlungserfolg schonend gemessen werden kann.

Wenn Lukas M. morgens zur Arbeit geht, hat er schon einiges geleistet. Jeden Morgen muss er eine Stunde lang Übungen machen, damit seine Lunge frei ist und er tagsüber unbeschwert atmen kann. Zu dem Programm gehören: Inhalieren, Dehnübungen und autogene Drainage, also das Abhusten von Schleim aus der Lunge. Abends dann nochmal die gleiche Prozedur. Die erforderlichen Tabletten nimmt er dabei ohne großes Aufsehen nebenbei ein.

Lebenslang für eine Krankheit

ThinkstockTägliches Inhalieren ist eine von vielen notwendigen Maßnahmen, mit denen schon kleine Mukoviszidose-Patienten ihre Lunge schützen können.Lukas kennt es nicht anders. Er hat Mukoviszidose, auch zystische Fibrose genannt. Eine Krankheit, die noch vor zwanzig Jahren als reine Kinderkrankheit galt, weil die Betroffenen sehr früh starben. Heutzutage hat ein Neugeborenes mit Mukoviszidose dagegen eine gute Chance, das Rentenalter zu erreichen. Neue und immer wirksamere Behandlungsmethoden stehen den Betroffenen zur Verfügung. Auch Lukas profitiert davon. Die Krankheit kann zwar bislang nicht geheilt werden. Eine frühzeitige Behandlung mildert jedoch ihre Begleiterscheinungen, wie beispielsweise die schleichende aber fortwährende Schädigung der Lungen, die eine Lungentransplantation erforderlich machen kann.

Frühe Diagnose rettet Lebensjahre

Es gilt: Je schneller die Krankheit erkannt wird und je frühzeitiger die Behandlung begonnen werden kann, desto länger können die Patientinnen und Patienten mit ihr leben. Wegen einer Störung beim Salz- und Wassertransport verklebt bei Mukoviszidose ein zäher Schleim eine Reihe lebenswichtiger Organe. Vor allem Lunge, Bauchspeicheldrüse, Leber und Darm sind davon betroffen. In der Lunge bietet der zähe Schleim Bakterien und anderen Keimen einen guten Nährboden und verursacht so chronische Entzündungen der Atemwege. Langfristig wird dabei das Lungengewebe zerstört. Jeder Lungeninfekt bedeutet eine Gefahr der weiteren Verschlechterung. Die wiederkehrenden Infekte erfordern, dass Mukoviszidose-Patienten häufig Antibiotika nehmen müssen, um die Entzündungen in Schach zu halten. Eine engmaschige Kontrolle der Lungenfunktion ist dabei besonders wichtig.

Ständige Kontrolle

Hierfür, aber auch für die Diagnose der Krankheit selbst, sind bislang wiederholt computertomographische Untersuchungen, kurz CTs, nötig. Diese Untersuchungen sind mit einer relativ hohen Strahlenbelastung verbunden. „Im Laufe eines Patientenlebens kann da einiges an Strahlendosis zusammenkommen“, sagt Dr. Mark Wielpütz. Er leitet die Nachwuchsgruppe „Funktionelle und Strukturelle Bildgebung“ des Deutschen Zentrums für Lungenforschung am Universitätsklinikum in Heidelberg. Zusammen mit Professor Dr. Marcus Mall, der das Mukoviszidose-Zentrum in Heidelberg leitet, hat er eine strahlungsfreie Methode weiterentwickelt, um die Lungen der Mukoviszidose-Patienten zu untersuchen. Die Magnetresonanztomografie, kurz MRT, ist ein bildgebendes Verfahren, das die physikalischen Eigenschaften von Wasserstoffmolekülen im Körper nutzt und so Bilder unserer Organe aufnehmen kann, ohne diese zu schädigen. Bislang eigneten sich aber nur bestimmte Organe für dieses bildgebende Verfahren. Luft in den Organen stört dabei im Allgemeinen eine Aufnahme. Deshalb ist es erst durch die konsequente Weiterentwicklung der Geräte und der Untersuchungstechnik möglich, dass nun die Lunge im MRT untersucht werden kann.

Bildquelle: mit Erlaubnis der American Thoracic Society. Copyright © 2014 American Thoracic Society

Diese Bilder zeigen die MRT-Aufnahmen eines 6-jährigen Mukoviszidose-Patienten zum Zeitpunkt einer akuten Lungenerkrankung (Vorher) sowie einen Monat nach einer intravenösen Antibiotika-Therapie (Nachher). Bei den schwarz-weiß-Bildern schaut man von „oben“ auf die Lunge, als wenn man vom Kopf Richtung Füße schaut. Bei den farbigen Bildern schaut man von vorne durch die Brust auf die Lunge. Durch die Antibiotika-Behandlung sind die Atemwegswände im Vergleich zu vorher dünner geworden (weiße Pfeile in der oberen Bildreihe) und die Entzündung ist zurückgegangen (weiße Pfeilspitzen). Die schwarzen Pfeile im Bild rechts oben zeigen schlecht durchblutete Bereiche. Nach der Behandlung sind diese Gebiete wieder besser durchblutet.

Lungenbilder ganz ohne Röntgenstrahlung

Die Heidelberger Arbeitsgruppe hat mit diesem Verfahren die Lungen von 50 Kindern, die an Mukoviszidose erkrankt sind, und von 26 gesunden Kindern bis zum sechsten Lebensjahr untersucht.

In den Lungenbildern der Kinder mit Mukoviszidose waren dabei schon eindeutig krankhafte Veränderungen im Organ zu sehen. „Wir wissen, dass in diesem Stadium der Krankheit die Organveränderungen teilweise noch reversibel sind. Das heißt, die chronische Lungenschädigung kann möglicherweise noch verhindert werden“, erklärt Mall. Die Universitätsklinik in Heidelberg testet seit 2008 Neugeborene im sogenannten Neugeborenen-Screening routinemäßig auf Mukoviszidose.

Es ist aber nicht nur wichtig zu wissen, ob ein Säugling an der Erbkrankheit leidet, sondern auch ab wann die Lunge tatsächlich beeinträchtig ist. „Das kann nämlich – je nach Krankheitsverlauf – sehr unterschiedlich sein. Nur wenn wir diesen Zeitpunkt kennen, können wir die Lunge entsprechend schützen“, erläutert Mall. „Mit unserer strahlenfreien Methode haben wir nun die Chance, bei den betroffenen Kindern schon ganz früh erste Anzeichen der Mukoviszidose zu erkennen und entsprechende Maßnahmen dagegen zu setzen. Das ist ein enormer Fortschritt zu den bisherigen Untersuchungsmethoden, bei denen die Kinder entweder durch CTs immer wieder hoher Strahlung ausgesetzt waren, oder aber die Lunge in Vollnarkose gespiegelt werden musste“, erklärt der Lungenspezialist. Die Studie wurde im Deutschen Zentrum für Lungenforschung (DZL) durchgeführt, das im Jahr 2010 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) initiiert wurde und seitdem langfristig gefördert wird. Mithilfe der neuen Methode konnten Wielpütz und Mall sowie weitere Kolleginnen und Kollegen des DZL nun erstmalig zeigen, dass Veränderungen, welche durch eine akute Entzündung der Lungen von Kleinkindern mit Mukoviszidose hervorgerufen werden, durch eine Antibiotika-Therapie wieder zurückgedrängt werden können. Die MRT-Bilder sind somit auch geeignet, um den Behandlungserfolg einer Therapie zu verfolgen.

Lukas erinnert sich noch gut an die zahlreichen CTs und die Lungenspiegelungen. Er würde sich freuen, wenn Kinder mit Mukoviszidose zukünftig von einer strahlungsfreien und nicht-invasiven Untersuchungsmethode profitieren könnten.


Mukoviszidose, ein lebensgefährlicher Gendefekt
Die Mukoviszidose, auch Zystische Fibrose genannt, ist eine genetisch bedingte Multisystemerkrankung, die in der Lunge und anderen Organen zu einer gestörten Sekretion von Chloridionen und dadurch bedingt zu einer Eindickung der Sekrete führt. Die Erkrankung wird durch einen autosomal-rezessiv vererbten Gendefekt des CFTR-Gens (Cystic Fibrosis Transmembrane Conductance Regulator) ausgelöst, d. h. Menschen erkranken nur, wenn sie von beiden Elternteilen eine mutierte Genvariante erben. Ungefähr jeder 20. Mensch trägt ein mutiertes CFTR-Gen in seinem Erbgut. Warum ist das CFTR-Gen so wichtig? Es liefert den Bauplan für ein Eiweiß, das in Schleimhäuten von Lunge und Verdauungstrakt für den Wassertransport verantwortlich ist. Beim defekten CFTR-Protein bildet sich aufgrund des gestörten Salz- und Wassertransports ein zäher Schleim, der die Atemwege verstopft und einen hervorragenden Nährboden für Bakterien bietet. Die Bakterien verursachen chronische Entzündungen und zerstören dadurch das Lungengewebe. Das Ausmaß der Beeinträchtigung der Lunge ist somit der kritische Faktor, der die Lebenserwartung und -qualität bestimmt.



Deutsches Zentrum für Lungenforschung
Das Deutsche Zentrum für Lungenforschung, kurz DZL, ist eines von sechs Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung, die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert werden. Über 170 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus 18 Einrichtungen an fünf Standorten haben sich am DZL zusammengefunden, um die Erforschung von Lungenerkrankungen weiter voran zu bringen.
Neben der Mukoviszidose (zystische Fibrose) stehen weitere sieben Lungen-Krankheiten oder Krankheitsgruppen im Zentrum des Forschungsinteresses.
Ein besonderes Anliegen des DZL ist es, den wissenschaftlichen Nachwuchs zu fördern. Im Jahr 2013 ist die „Deutsch-französische Lungenschule“ gestartet. Sie bietet jungen Forscherinnen und Forschern aus dem DZL und französischen Partnerinstitutionen die Möglichkeit, bilaterale Forschungsprojekte durchzuführen.
Weitere Informationen zu den Deutschen Zentren: Deutsche Zentren der Gesundheitsforschung - BMBF



Ansprechpartner:
Dr. Mark Wielpütz
Universitätsklinikum Heidelberg
Abteilung Diagnostische und Interventionelle Radiologie
Zentrum für Translationale Lungenforschung Heidelberg (TLRC)
Im Neuenheimer Feld 110
69120 Heidelberg
Tel.: 06221 56-6410
Fax: 06221 56-5730
E-Mail: mark.wielpuetz@med.uni-heidelberg.de

Prof. Dr. Marcus Mall
Universitätsklinikum Heidelberg
Abteilung Translationale Pneumologie und Mukoviszidose-Zentrum
Zentrum für Translationale Lungenforschung Heidelberg (TLRC)
Im Neuenheimer Feld 350
69120 Heidelberg
Tel.: 06221 56-4502
Fax: 06221 56-4559
E-Mail: Marcus.Mall@med.uni-heidelberg.de