Lange hielt man die Zerstörung der Markscheiden – also der Hülle der Nervenbahnen im Gehirn und im Rückenmark – für die wichtigste Ursache der Multiplen Sklerose. Erst 1998 wurde erkannt, dass nicht nur die Hüllen, sondern auch die Nervenzellen selbst geschädigt werden. Dieser Vorgang hat für den Verlauf der Multiplen Sklerose sogar die größere Bedeutung. Die Arbeitsgruppe von Professor Frauke Zipp und Professor Oliver Ullrich klärte jetzt auf, wie die Nervenzellen schrittweise zerstört werden: Aus bisher ungeklärtem Grund wandern bei der Multiplen Sklerose Immunzellen ins zentrale Nervensystem und greifen die Markscheiden an. Dabei entsteht unter anderem das Abbauprodukt 7-KetoCholesterol. Diese Substanz entdeckten die Wissenschaftler in hohen Konzentrationen im Nervenwasser von Patienten mit Multipler Sklerose. Im Tierversuch wurden die höchsten Konzentrationen von 7-KetoCholesterol zu dem Zeitpunkt gemessen, als auch die Behinderung am stärksten ausgeprägt war. In weiteren Versuchen gelang es nachzuweisen, dass 7-KetoCholesterol Nervenzellen zugrunde gehen lässt. Die Substanz aktiviert in einer anderen Sorte von Immunzellen – den Fresszellen – das Molekül PARP-1. Folge: Die Fresszellen attackieren Nervenzellen.

Patienten mit Multipler Sklerose könnten von diesen neuen Erkenntnissen auf zweierlei Art profitieren: Wenn es gelingt, Medikamente zu entwickeln, die PARP-1 hemmen, ließe sich verhindern, dass Nervenzellen zugrunde gehen. Darüber hinaus eignet sich 7-KetoCholesterol im Nervenwasser möglicherweise als Indikator für die Schwere der Erkrankung.

*Als Liquor ("Nervenwasser") wird die Flüssigkeit bezeichnet, die Gehirn und Rückenmark umspült. Der Liquor dämpft das zentrale Nervensystem gegen Erschütterungen ab. Bestimmte Hirnregionen werden über den Liquor außerdem mit Nährstoffen versorgt.

Ansprechpartnerin:
Prof. Dr. Frauke Zipp
Institut für Neuroimmunologie
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