Oktober 2015

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Nanopartikel weisen Wirkstoffen den Weg zur Leber oder in die Niere

Moderne Therapien greifen oft in molekulare Abläufe erkrankter Organe ein. Ein Wissenschaftsteam aus Jena nutzt Nanopartikel, um die Wirkstoffe zielgenau an jenen Ort im Körper zu dirigieren, an dem sie ihre Aufgabe erfüllen sollen.

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Sepsis, in der Bevölkerung besser als Blutvergiftung bekannt, ist eine häufige und bisweilen lebensbedrohliche Krankheit. Auslöser für eine Sepsis ist eine außer Kontrolle geratene Infektion meist durch Bakterien. Bei einer schweren Sepsis kann es zu einem lebensbedrohlichen Organversagen kommen – Niere, Lunge, Herz oder Leber können ausfallen. Bislang fehlt es an Behandlungsstrategien, um gezielt die Ursachen des Organversagens zu bekämpfen und die Funktion der Organe schnell wiederherzustellen. Ein aktueller Forschungsansatz ist, gezielt in beteiligte zelluläre Signalwege einzugreifen. „Dazu müssen jedoch nicht nur geeignete Signalwege als therapeutische Ansatzpunkte identifiziert und Medikamente entwickelt werden. Diese Medikamente müssen auch gezielt an den gewünschten Wirkungsort transportiert werden – also in die betroffenen Organe –, ohne die gesunden Organe zu schädigen“, erklärt Professor Dr. Michael Bauer. Genau damit ist sein Forschungsteam nun einen entscheidenden Schritt vorangekommen. Bauer leitet das vom Bundesforschungsministerium geförderte Integrierte Forschungs- und Behandlungszentrum Sepsis und Sepsisfolgen CSCC am Universitätsklinikum Jena.

Copyright: DLR-PT/BMBF

Um unerwünschte Nebenwirkungen zu minimieren, sollten Wirkstoffe ganz gezielt an den gewünschten Wirkungsort, also beispielsweise in ein bestimmtes Organ, transportiert werden. Die in Jena entwickelten Nanopartikel könnten hierzu einen wichtigen Beitrag leisten.

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Leuchtende Botenstoffe bringen Wirkstoff ans Ziel

Im Schwarzlicht wird die Leuchtkraft der Nanopartikel sichtbar.

Im Schwarzlicht wird die Leuchtkraft der Nanopartikel sichtbar.

Jan-Peter Kasper/FSU Jena

Tatsächlich haben die Jenaer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gemeinsam mit Medizinern und Chemikern aus München und den USA im Tierexperiment zeigen können, dass sie Wirkstoffe ganz gezielt in zwei lebenswichtige Organe lenken können, deren Funktion bei einer Sepsis lebensbedrohlich beeinträchtigt sein kann: in Leber und Niere. Gelungen ist ihnen dies durch die Herstellung hochspezifischer Nanopartikel, die ins Blut injiziert werden. Diese Nanopartikel können mit verschiedenen Wirkstoffen beladen werden. Ihren Weg zu Leber- oder Nierengewebe finden sie durch spezifische Farbmarkierungen auf ihrer Oberfläche.

Doppelfunktion: Farbstoffe sind sowohl Adressaufkleber als auch Sendungsnummer

Die auf biologisch abbaubaren Polymeren basierenden Nanopartikel werden hierzu mit Nahinfrarot-Fluoreszenzfarbstoffen markiert. Die Farbstoffe wirken für die Partikel wie Adressaufkleber und individuelle Sendungsnummer in einem: Sie weisen dem Wirkstoff den Weg durch den Körper und ermöglichen es gleichzeitig, seine Verteilung im Köper in Echtzeit zu verfolgen. „Abhängig von der chemischen Struktur des Farbstoffes wurden die Partikel entweder über das Nierengewebe oder über Zellen der Leber aus dem Blut gefiltert. Gleichzeitig ließ sich dieser Weg durch die Farbstoff-Markierung mithilfe von optischen Verfahren wie der Intravital-Mikroskopie leicht nachverfolgen“, erklärt Intensivmediziner Bauer. „So können wir sicher sein, dass die Wirkstoffladung der Nanopartikel exklusiv nur in den gewünschten Organen freigesetzt wird.“

Nachweis erbracht: Das System funktioniert
 

Schematische Darstellung eines Nanopartikels mit Wirkstoffbeladung im Inneren (lila) und spezifischen Farbmarkierungen auf der Partikeloberfläche (blaue Punkte).

Schematische Darstellung eines Nanopartikels mit Wirkstoffbeladung im Inneren (lila) und spezifischen Farbmarkierungen auf der Partikeloberfläche (blaue Punkte).

JCSM/SmartDyeLivery GmbHJCSM/SmartDyeLivery GmbH

Um den Nachweis zu erbringen, dass das Transportsystem tatsächlich funktioniert, haben die Forscherinnen und Forscher für ihre tierexperimentelle Studie die Nanopartikel mit genetischem Material als Therapeutikum beladen, genauer mit small interfering RNA-Molekülen, kurz mit siRNA. Diese kleinen RNAs können – abhängig von ihrer Sequenz – spezifisch Gene stumm schalten, indem sie verhindern, dass die darauf codierten Proteine produziert werden. „Die siRNAs gelten als Hoffnungsträger für zielgerichtete Therapieansätze“, erklärt Bauer. Sein Forschungsteam testete die Machbarkeit des Systems mit einer siRNA, die ein wesentliches Enzym der Cholesterin-Biosynthese unterdrückt, die sogenannte HMG-CoA-Reduktase. Tatsächlich konnte die Wirkung der mit den Nanopartikeln in Leber oder Niere transportierten siRNA durch einen verminderte Produktion der HMG-CoA-Reduktase in den Organen sowie durch einen deutlich reduzierten Cholesterinspiegel im Blut der Versuchstiere nachgewiesen werden. Bauer: „Unser Fazit: Das System funktioniert!“

Das „Baukastenprinzip“ der Nanopartikel bietet zukünftig die Möglichkeit, so die Hoffnung der Forscherinnen und Forscher, die Organspezifität der farbstoffmarkierten Nanopartikel vorab ohne Wirkstoff zu testen. Um dann im nächsten Schritt geeignete Nanopartikel mit genetischem Material zu beladen und so gezielt krankheitsassoziierte Gene auszuschalten. „Auf diese Weise bieten unsere Nanopartikel neue Möglichkeiten für die individualisierte Therapie der Sepsis und anderer Krankheitsbilder“, resümiert Bauer.

CSCC – Förderung geht in die Verlängerung

Das Center for Sepsis Control & Care, kurz CSCC, ist eines von acht integrierten Forschungs- und Behandlungszentren (IFB), die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert werden. Das CSCC ist am Universitätsklinikum Jena angesiedelt und widmet sich der Erforschung von Sepsis und deren Folgeerkrankungen. Hierbei betrachten die Forscherinnen und Forscher alle Aspekte der Erkrankung, von der Risikobewertung und Prävention über die Akutbehandlung bis hin zur Nachsorge. Im August 2015 startete die zweite fünfjährige Förderphase des CSCC mit 21 Kernprojekten, darunter acht klinischen Studien. Dem CSCC ist es seit seinem Projektbeginn im Jahr 2010 gelungen, wesentliche Infrastrukturen für hochqualitative klinische Forschung auf- und auszubauen. Seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern stellt das CSCC umfassende Methodenplattformen zur Verfügung, unter anderem zu Infektiologie, Epidemiologie und Systembiologie. Ein wesentliches Ziel des CSCC ist die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses, insbesondere im klinischen Bereich. Junge Forscherinnen und Forscher werden unter anderem durch Stipendien, Mentoring-Programme und ein strukturiertes Graduiertenprogramm unterstützt.

Ansprechpartner:
Prof. Dr. Michael Bauer
Integriertes Forschungs- und Behandlungszentrum
Sepsis und Sepsisfolgen
Center for Sepsis Control and Care (CSCC)
Universitätsklinikum Jena
Erlanger Allee 101
07747 Jena
03641 932-3111
03641 932-3379
Michael.Bauer@med.uni-jena.de