Wachstumsfaktor erleichtert die Knochenzucht im Labor
In Regensburg wachsen Knochen auch außerhalb des Körpers. Dort kultivieren Wissenschaftler Zellen des Knochenmarks und züchten sie zu lebendigem Knochengewebe heran. Neuester Erfolg: Ein natürlicher Wachstumsfaktor verbessert die Qualität des Gewebes aus der Retorte erheblich.
Knochen bestehen zum größten Teil aus stabilen Bindegewebsfasern und Mineralsalzen. Im Körper werden die Bindegewebsfasern von speziellen Knochenzellen produziert, den Osteoblasten. Diese Zellen sorgen auch für die Einlagerung von Mineralsalzen in das Gewebe. Wissenschaftler der Universität Regensburg versuchen, die Knochenbildung durch Osteoblasten im Labor nachzuahmen. Sie werden dabei vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) finanziell unterstützt und sind inzwischen ein gutes Stück vorangekommen.
Die Forscher um Professor Achim Göpferich entnehmen Zellen aus dem Knochenmark von Ratten und vermehren sie in einer speziellen Nährlösung. Unter diesen Zellen befinden sich auch Stammzellen, die zu Osteoblasten heranreifen können. Damit die Zellen dreidimensionale Gewebeverbände bilden, lassen Göpferich und seine Mitarbeiter sie in eine schwammartige Kunststoff-Matrix einwachsen. Im Labor stellten die Zellen allerdings bisher zu wenig Bindegewebe her. Außerdem wurden nicht genug Mineralsalze eingelagert. Die Forscher fügten deshalb der Nährlösung den Wachstumsfaktor TGF-ß1 (Transforming growth factor ß1) zu. TGF-ß1 kommt auch im natürlichen Knochen vor, wo es neben dem Wachstum an der Reparatur der Knochen beteiligt ist.
Mithilfe von TGF-ß1 lief die Knochenbildung tatsächlich wesentlich effektiver: Mehr und mehr Bindegewebsfasern wurden produziert und füllten nun auch tiefere Schichten der Kunststoff-Matrix aus. Der Kalziumgehalt im künstlichen Knochen – ein Indikator für die Einlagerung von Mineralsalzen – erhöhte sich um 70 Prozent. Mittlerweile wächst der Zucht-Knochen in 14 Tagen zu Gewebeverbänden heran, die etwa einen halben Millimeter hoch sind und einen Durchmesser von acht Millimetern haben. Nach etwa drei Wochen Wachstum verfestigt sich das zunächst weiche Gewebe. „Für einen Einsatz beim Menschen ist es aber wahrscheinlich sinnvoller, Knochengewebe zu verwenden, das noch nicht voll entwickelt ist”, erläutert Professorin Michaela Schulz, eine der Mitarbeiterinnen des BMBFgeförderten Projektes. „Das Gewebe wird dann besser in den Organismus integriert.” Schulz ist mit dem bisher Erreichten zufrieden: „Wir verstehen jetzt allmählich die Mechanismen, die den Aufbau von Knochengewebe durch Knochenmarkszellen im Labor steuern.”
Alternative zu Prothesen und Knochenverpflanzung
Eigentlich regenerieren sich Knochen auch von alleine erstaunlich gut. Erst wenn Defekte eine bestimmte Größe überschreiten, reichen die Selbstheilungskräfte nicht mehr aus. Ursache können etwa sehr schwere Verletzungen sein, chronische Erkrankungen wie Osteoporose oder Operationen in Folge von Knochenkrebs. In diesen Fällen böten Knochen aus der Retorte eine hervorragende Alternative zu den herkömmlichen Behandlungsmethoden. Bisher überbrücken Ärzte große Knochendefekte entweder mit körperfremden Materialien wie Prothesen aus Metall oder sie verpflanzen Knochengewebe aus anderen Körperteilen. Eine Behandlung mit gezüchtetem Knochengewebe wäre für die Patienten weniger belastend. Sie müssten lediglich eine Punktion des Knochenmarks über sich ergehen lassen, bei der die benötigten Zellen gewonnen werden. Bevor es soweit ist, haben Schulz und ihre Kollegen aber noch einige Probleme zu lösen: So muss der gezüchtete Knochen mit Blut versorgt werden, damit er im Körper dauerhaft überleben kann. Schulz: „Deshalb entwickeln wir gerade ein injizierbares Gel. Es enthält einen speziellen Cocktail aus Wachstumsfaktoren, der das Einwachsen von Blutgefäßen anregt. Nach der Übertragung in den Körper wollen wir das Gel in die gezüchteten Knochenkonstrukte spritzen und dadurch neue Gefäße anlocken.”
Ansprechpartner:
Prof. Dr. Achim Göpferich
Lehrstuhl Pharmazeutische Technologie
Naturwissenschaftliche Fakultät IV
Chemie und Pharmazie
Universität Regensburg
93040 Regensburg
Tel.: 09 41 / 9 43-48 43
Fax: 09 41 / 9 43-48 07
E-Mail: achim.goepferich@chemie.uni-regensburg.de