Neuer Biomarker für Typ-1-Diabetes - Blutspiegel der Aminosäure Methionin verrät die Krankheit schon vor dem Ausbruch

Seit mehr als 20 Jahren erforschen Wissenschaftler aus München die Entstehung des Typ-1-Diabetes bei Kindern. Bei der Spurensuche im Blut sind sie kürzlich auf einen neuen Biomarker gestoßen, mit dem sie den Ausbruch der Stoffwechselkrankheit vorhersagen können. (Newsletter 57 / Mai 2012)

Bildquelle: Institut für Diabetesforschung, Helmholtz Zentrum MünchenProf. Dr. Anette-Gabriele Ziegler im Gespräch mit zwei kleinen Diabetespatienten. Typ-1-Diabetes mellitus manifestiert sich häufig bereits in der Kindheit. Das Immunsystem der kleinen Patienten zerstört die Betazellen der Bauchspeicheldrüse, die das Hormon Insulin, das den Blutzuckerspiegel reguliert, produzieren. Als Folge gibt die Bauchspeicheldrüse kein oder zu wenig Insulin ins Blut ab. Es werden körpereigene Antikörper gebildet, die sich gegen Bestandteile der Betazelle richten und mit Hilfe derer der Beginn der Autoimmunerkrankung diagnostiziert werden kann. Wissenschaftler des Kompetenznetzes Diabetes mellitus haben nun einen Weg gefunden, Typ-1-Diabetes schon viel früher zu diagnostizieren und dadurch neue Erkenntnisse über die Entstehung des Typ-1-Diabetes zu gewinnen.

Spurensuche im Blut

Bildquellen: FotoliaIn Deutschland leben etwa 250.000 Typ-1-Diabetiker. Meist bricht die Krankheit im Kindesalter aus. Hierfür werteten die Diabetesforscher eine Vorreiterstudie auf dem Gebiet der Forschung zur Entstehung des Typ-1-Diabetes aus: die BABYDIAB-Studie. Seit 1989 wurden – mit Unterstützung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) – mehr als 1.650 Kinder von Eltern mit Typ-1-Diabetes von Geburt an über einen Zeitraum von inzwischen mehr als 20 Jahren beobachtet. Dabei wird und wurde den Teilnehmerinnen und Teilnehmern regelmäßig Blut abgenommen und unter anderem auf Autoantikörper untersucht. Bislang entwickelten 152 der Kinder Autoantikörper gegen die Insulin produzierenden Betazellen und befinden sich somit im Vorläuferstadium des Typ-1-Diabetes. 62 dieser Kinder entwickelten die Antikörper schon vor ihrem zweiten Lebensjahr, 36 Kinder im Alter von fünf Jahren und 54 erst mit über acht. „Durch die Untersuchung der Blutproben dieser Kinder im Vergleich zu Kindern, die noch kein Anzeichen für einen Diabetes haben, konnten wir feststellen, dass man im Stoffwechselprofil des Bluts genau ablesen kann, in welchem Alter die Autoantikörper zukünftig gebildet werden“, erklärt Prof. Dr. Anette-Gabriele Ziegler, Leiterin des Instituts für Diabetesforschung am Helmholtz Zentrum München und Sprecherin des Kompetenznetzes Diabetes mellitus. Und das eben schon vor Auftreten der ersten Anzeichen der Erkrankung. So fanden die Diabetesforscher Unterschiede in der Lipid- und Methionin-Konzentration: Kinder, die schon im frühen Kindesalter die Autoantikörper bilden, haben im Vergleich zu Kindern, die diese Antikörper erst in der Pubertät oder gar nicht bilden, einen nur halb so hohen Methionin-Spiegel im Blut. „Methionin sollte deshalb als neuer Biomarker für die Entstehung von Typ-1-Diabetes berücksichtigt werden“, so Frau Professor Ziegler. Methionin ist eine essentielle Aminosäure, die mit der Nahrung aufgenommen werden muss, weil der Körper sie selbst nicht bilden kann. Dennoch scheint die Ernährung nicht der alleinige Einflussfaktor zu sein, da Methionin als einzige essentielle Aminosäure mit dem Ausbruch der Inselautoimmunität assoziiert ist. Die Forscher vermuten vielmehr, dass verschiedene Stoffwechselmechanismen dafür verantwortlich sind, ob und wann Antikörper gegen die Betazellen der Bauchspeicheldrüse gebildet werden, also eine Inselautoimmunität entsteht.

Langer Atem zahlt sich aus

Das Team um Frau Professor Ziegler wird nun die biologischen Mechanismen untersuchen, die den unterschiedlichen Aktivierungsmechanismen der Inselautoimmunität zugrunde liegen, um daraus Präventionsstrategien und Immuntherapien für das frühe Kindesalter zu entwickeln. „Unsere Ergebnisse machen deutlich“, sagt Frau Professor Ziegler, „dass man in der Forschung einen langen Atem braucht. Nur durch unsere langfristig angelegte Studie BABYDIAB konnten wir Methionin als neuen Biomarker identifizieren.“

Kompetenznetz Diabetes mellitus

Logo Kompetenznetz Diabetes mellitusDas „Krankheitsbezogene Kompetenznetz Diabetes mellitus“ wird seit 2008 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Ziel des Netzwerkes ist es, neue Erkenntnisse über die Entstehung, Prävention und Behandlung des Diabetes mellitus zu gewinnen und dadurch die Vorsorge und Therapie in der Bevölkerung zu verbessern. Für die erste Förderphase erhielten die Forscherinnen und Forscher insgesamt mehr als zehn Millionen Euro. Seit Januar 2012 wird das Kompetenznetz in der zweiten Förderphase mit rund 7,5 Millionen Euro vom BMBF unterstützt. Ein Schwerpunkt des Kompetenznetzes ist der Wissenstransfer aus der Forschung in die Praxis. Die Forschung umfasst den Bereich der Grundlagenwissenschaft über klinische und epidemiologische Studien bis hin zur Versorgungsforschung und Gesundheitsökonomie.
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