Im Verbundprojekt GLIOTAR wird ein innovatives Konzept radiopharmazeutischer theranostischer Arzneistoffe entwickelt, um die Behandlungsoptionen für an Glioblastom-Erkrankte zu verbessern. Dr. Daniel Schubart, ConsulTech GmbH, berichtet über das Forschungsvorhaben.
Jährlich erkranken in Deutschland rund 8.000 Menschen an einem primären Hirntumor. Primäre Hirntumoren sind Tumoren, die direkt im Gehirn entstehen: Sie können sich aus verschiedenen Zellen im Gehirn entwickeln, am häufigsten aus den Stützzellen, den sogenannten Gliazellen. Das Glioblastom („Glioblastoma multiforme“) ist ein bösartiger Hirntumor und gehört zur Gruppe der sogenannten Gliome. Das sind Tumoren, die in aller Regel nur im Gehirn entstehen. Die Zellen teilen sich meist sehr rasch, sodass es zu einem schnellen und aggressiven Wachstum kommen kann.
Es gibt auch sogenannte sekundäre Hirntumoren: Mediziner bezeichnen sie auch als Hirnmetastasen. Diese Tumoren bilden sich aus Krebszellen, die von einem Tumor außerhalb des Gehirns stammen und sich im Gehirn angesiedelt haben. Betroffene mit Hirnmetastasen erhalten eine Behandlung, die sich auch an der ursprünglichen Krebsart orientiert, von der die Metastasen stammen.
Der Welt-Hirntumor-Tag wurde im Jahr 2000 von der Deutschen Hirntumorhilfe ins Leben gerufen. In rund 15 Nationen setzen sich Menschen anlässlich des Gedenktags für die Belange von Hirntumorpatientinnen und -patienten ein.
Das Projekt GLIOTAR entwickelt ein Behandlungskonzept für den bösartigen Gehirntumor, das Glioblastom. Was macht das Glioblastom so gefährlich?
Patientinnen und Patienten mit einem Glioblastom haben trotz Anwendung modernster Therapiemethoden, in der Regel Operation und/oder Strahlentherapie in Kombination mit Chemotherapie, nur eine mittlere Überlebenszeit von weniger als zwei Jahren. Die Gründe dafür sind vielfältig: einige Tumore können aufgrund ihrer Lage im Gehirn nicht operiert werden; kann der Tumor operiert werden, ist eine komplette Entfernung ohne massive Schädigung des Gehirns nicht möglich, da er strahlenförmig in das Gehirn hineinwächst. Darüber hinaus sind Glioblastome schnell unempfänglich gegenüber Chemotherapeutika. Daher kommt es in den allermeisten Fällen zu einem Rückfall, für den keine wirksame Therapie mehr verfügbar ist, denn auch Bestrahlungen können nicht beliebig oft wiederholt werden. Neue, wirksame Therapiekonzepte sind daher dringend erforderlich.
Welche Therapien und Behandlungsoptionen wurden bisher eingesetzt?
Nach einer sehr genauen Untersuchung der Patientin bzw. des Patienten mit bildgebenden, histologischen und molekularbiologischen Verfahren wird das Behandlungsschema auf die individuelle Situation angepasst. Zu allererst wird versucht, durch eine Operation den Tumor so weit wie möglich zu entfernen. Es folgen Chemotherapie und/oder Strahlentherapie, welche die verbleibenden Tumorzellen zerstören sollen. Zusätzlich wird die Bildung neuer Gefäße durch den Einsatz weiterer Medikamente verhindert, mit dem Ziel, das Tumorwachstum zu verlangsamen. Vielen Patientinnen und Patienten wird angeboten, an klinischen Studien zu neuen Therapieansätzen teilzunehmen, denn aufgrund des hohen medizinischen Bedarfs und der bisher limitierten Therapieergebnisse wird ständig nach wirksameren Therapien gesucht.
Wie und wo setzt das therapeutische Konzept von GLIOTAR an?
Im GLIOTAR Projekt verfolgt die ConsulTech GmbH im Verbund mit der Charité - Universitätsmedizin Berlin, der FU Berlin und den Firmen Chiracon GmbH und EPO GmbH ein „radiopharmazeutisches, theranostisches Prodrug-Konzept“: Wir identifizieren Verbindungen, die fähig sind an ein Radioisotop (Nuklid) zu binden, um so einen sogenannten Radioliganden zu erhalten. Dieser Ligand kann dann im Rahmen einer Radionuklidtherapie gezielt an ein Glioblastom andocken und sich in diesem anreichern, um den Tumor gezielt zerstören zu können. Je nachdem welches Radioisotop eingesetzt wird, ermöglicht es die Diagnose oder die Zerstörung des Tumors. Dieses sogenannte theranostische Konzept hat den entscheidenden Vorteil, dass die zerstörende Strahlung primär im Tumor wirkt und Nebenwirkungen minimiert werden. Dieses individuelle Vorgehen zeigt zum einen, ob die Therapie möglich ist und verhindert zum anderen unwirksame Therapieoptionen - mit all ihren Nebenwirkungen - für Patientinnen und Patienten.
Was sind die nächsten Schritte in der Entwicklung des Therapeutikums?
Wir haben bereits erste Substanzen identifiziert, die sich prinzipiell für die Realisierung dieses Konzepts eignen. Aktuell werden weitere und besser geeignete Verbindungen untersucht. Diese werden chemisch optimiert, dann in Zellkulturen und in Tumormodellen charakterisiert und hinsichtlich ihrer Verteilung und Wirksamkeit verglichen, bevor wir uns für einige wenige Substanzen entscheiden, die präklinisch weiterentwickelt werden. Das bedeutet, dass zunächst ein geeignetes Herstellungsverfahren für die ausgewählten Substanzen entwickelt und dann genügend Material für weitere Versuche hergestellt wird. Zeigen die Substanzen dann immer noch ihre tumorzerstörende Wirkung bei verträglichen Nebenwirkungen, und entsprechen die Ergebnisse den gesetzlichen Vorgaben, werden sie klinisch erprobt.