Juli 2017

| Newsletter 84

Nicht alkoholische Fettleber und Typ-2-Diabetes

Etwa jeder dritte Erwachsene in den industrialisierten Ländern hat eine krankhaft verfettete Leber. Damit erhöht sich auch das Risiko, an Typ-2-Diabetes zu erkranken. Die nicht alkoholische Fettleber wird daher im DZD intensiv erforscht.

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Weder ein erhöhter Body-Mass-Index (BMI) noch ein Bauchansatz sind alleinig Grund dafür, dass übergewichtige Personen an Diabetes mellitus Typ 2 erkranken. Vielmehr begünstigen Fettansammlungen in der Leber die Entstehung der Erkrankung. In den westlichen Industrieländern ist die nicht alkoholische Fettleber dabei ein sehr häufiger Befund. Schätzungsweise 20 bis 30 Prozent der Bevölkerung haben eine Fettleber, die nicht auf übermäßigen Alkoholkonsum zurückzuführen ist.

Erhöhte Fetuin-A-Konzentrationen als Riskofaktor

Eine Fettleber produziert beispielsweise vermehrt das Hormon Fetuin-A. Untersuchungen des DZD-Forschers Prof. Dr. med. Norbert Stefan vom Universitätsklinikum Tübingen ergaben, dass die Konzentration von Fetuin-A im Blut eng mit einer Insulinresistenz verbunden ist. Zusammen mit Kolleginnen und Kollegen aus Potsdam zeigten Stefan und sein Team, dass Menschen mit einem sehr hohen Fetuin-A-Blutwert ein um 75 Prozent erhöhtes Diabetesrisiko haben. „Neue Untersuchungen ergaben, dass insbesondere die drei Parameter Fetuin-A-Spiegel, Fettleberstatus und Fettsäurewerte auf ein erhöhtes Risiko hinweisen, an Diabetes zu erkranken“, erläutert Stefan.

Mikroskopische Aufnahme von Leberzellen. Die Fetteinschlüsse sind rot dargestellt.

Fettfärbung in der Leber

Helmholtz Zentrum München

Mitochondrien und nicht alkoholische Fettlebererkrankung

DZD-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler des Deutschen Diabetes-Zentrums (DDZ) in Düsseldorf haben entdeckt, dass stark übergewichtige Personen mit einer nicht alkoholischen Fettlebererkrankung (NAFLD) eine deutlich erhöhte Aktivität der Mitochondrien in der Leber aufweisen. Die Mitochondrien gelten als Kraftwerke der Zellen, da sie diese mit Energie versorgen. „In den frühen Stadien von Übergewicht verbrennt die Leber das überschüssige Fett, was zu einer Überbelastung der Leber und zu einem Fortschreiten der Krankheit führt“, erklärt Prof. Dr. Dr. h.c. Michael Roden, Mitglied des Vorstands des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung. Dieser Vorgang spiegelt sich in der erhöhten Aktivität der Mitochondrien wider. Mit dem weiteren Fortschreiten der Erkrankung – hin zur Fettleberentzündung – nimmt die Leistung der Mitochondrien dann wieder ab.

Eiweißreiche Kost und Intervallfasten gegen Fettleber

Doch wie lässt sich eine Fettleber behandeln? Gute Ergebnisse lassen sich mit einer Ernährungsumstellung erzielen. Wie eine Studie des Teams um Prof. Dr. Andreas Pfeiffer vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung in Potsdam zeigt, verringert eiweißreiches Essen bei Menschen mit Typ-2-Diabetes innerhalb von sechs Wochen das Leberfett um bis zu 48 Prozent. Eine Einschränkung der Essensmenge ist dafür nicht nötig. Zudem trat der Erfolg unabhängig davon auf, ob die Kost vorwiegend auf pflanzlichem oder tierischem Eiweiß basierte. Trotz der erhöhten Proteinzufuhr verbesserte sich zudem die Insulinempfindlichkeit der Probandinnen und Probanden.

Intervallfasten

Beim Intervallfasten wechseln sich Nahrungsaufnahme und Nahrungsentzug in bestimmten Intervallen ab. Es gibt zwei Formen des Intervallfastens: Bei der 8:16-Methode muss man täglich 16 Stunden am Stück auf Nahrung verzichten. Bei dem 5:2-Intervallfasten isst man fünf Tage die Woche normal, und an den verbleibenden zwei Tagen wird die Nahrungszufuhr reduziert.

Untersuchungen von DZD-Forscherinnen und -Forschern um Prof. Dr. Annette Schürmann zeigen, dass sich mit Intervallfasten die Menge schädlicher Leberfette verringern und als Folge die Empfindlichkeit für das Hormon Insulin verbessern lässt. Wie sich diese Effekte erklären lassen, erforschten die DZD-Forscher Prof. Dr. Stephan Herzig und Dr. Adam J. Rose vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg. Die Wissenschaftler suchten nach fastenbedingten Unterschieden in der Genaktivität von Leberzellen. Sie konnten zeigen, dass speziell das Gen für das Protein GADD45β (Growth Arrest and DNA Damage-inducible) abhängig von der Ernährung unterschiedlich oft abgelesen wurde: Je größer der Hunger, desto häufiger wurde das Gen transkribiert.

Weitere Versuche zeigten, dass GADD45β dafür zuständig ist, die Fettsäureaufnahme in der Leber zu steuern. Mäuse, denen das Gen fehlte, entwickelten leichter eine Fettleber. Auch beim Menschen konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler das Ergebnis bestätigen: Niedrige GADD45β-Spiegel gingen mit einer erhöhten Fettanreicherung in der Leber und einem erhöhten Blutzuckerspiegel einher. Die neuen Ergebnisse wollen die Forschenden nun nutzen, um therapeutisch in den Fett- und Zuckerstoffwechsel einzugreifen und die positiven Effekte von Nahrungsentzug mit Wirkstoffen nachzuahmen.

Grafische Darstellung der T3 und der T3/Glukagon-Wirkung auf das Braune Fettgewebe, das Herz, die Knochen und die Leber.

Durch die Bindung des Schilddrüsenhormons T3 an Glukagon gelangt T3 nur in Zellen, die einen Glukagonrezeptor haben. So werden unerwünschte Nebenwirkungen auf Herz und Knochen vermieden.

Dr. Timo Müller (Grafik), HelmholtzZentrum München (Quelle)

Entwicklung neuer Wirkstoffe

Forschende des DZD arbeiten aber auch an neuen Wirkstoffen, um eine Fettleber künftig behandeln zu können. Ein wesentlicher Schritt in diese Richtung gelang einem Wissenschaftlerteam um Dr. Timo Müller und Prof. Dr. Dr. h.c. Matthias Tschöp vom Helmholtz Zentrum München. Mithilfe eines speziell entwickelten Kombinationswirkstoffs konnten sie das Schilddrüsenhormon T3 bevorzugt in die Leber einschleusen. Hintergrund: Effekte von Schilddrüsenhormonen (wie T3) auf den Fettstoffwechsel sind bereits seit Jahrzehnten bekannt, allerdings konnten diese aufgrund von Nebenwirkungen u. a. auf Herz und Knochen bisher nicht medizinisch genutzt werden. Um solche unerwünschten Effekte zu vermeiden, haben die Forscher T3 fest an das Hormon Glukagon gebunden. Dieses Doppelhormon gelangt nur in Zellen, die über einen Glukagonrezeptor verfügen – wie zum Beispiel die Leber. Herz und Knochen haben hingegen keinen Rezeptor für Glukagon. In fettleibigen Mäusen bewirkte der neue Wirkstoff binnen weniger Tage eine Verringerung der schädlichen Cholesterinspiegel. Zudem wurden das Körpergewicht und die Verfettung der Leber nachhaltig gesenkt. „Das Wirkprinzip dieses neues Moleküls öffnet eine Tür für die Entwicklung personalisierter Stoffwechselmedizin“, fasst Müller die Ergebnisse zusammen. Denn bislang gibt es für Adipositas- und Diabetes-Patientinnen und -Patienten kaum Präzisions-Therapeutika.

Grafische Darstellung des erweiterten Fettleberindexes.

Mit dem erweiterten Fettleberindex lässt sich eine Fettleber besser diagnostizieren als mit dem bekannten FLI.

IDM

Neuer Index zur Diagnose einer nicht alkoholischen Fettlebererkrankung

Um frühzeitig mit präventiven und therapeutischen Maßnahmen intervenieren zu können, muss die Fettleber jedoch rechtzeitig erkannt werden. Derzeit wird hierfür im klinischen Alltag meist der „Fatty Liver Index“ (FLI) genutzt. Er umfasst die Parameter Alter, Body-Mass-Index, Taillenumfang und die im Nüchternzustand im Blut gemessenen Werte für Triglyzeride und des Enzyms Gamma-Glutamyltranspeptidase. DZD-Forscher aus Tübingen haben diesen FLI zusätzlich verbessert: Sie nutzen neben den Parametern des FLI auch die Triglyzeride- und die Glukosewerte, um Rückschlüsse auf die Leber zu ziehen. Diese Werte bestimmen sie über einen oralen Glukosetoleranztest, der zwei Stunden nach Einnahme der Glukose durchgeführt wird. Darüber hinaus bestimmen sie, ob die untersuchte Person die für die Fettleber wichtigste Genvariante (rs738409 C>G in PNPLA3) trägt. Anhand der Daten der TULIP-Studie (Tübinger Lebensstil Interventionsprogramm) konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nun zeigen, dass sich mit diesem neuen und erweiterten Fettleberindex nicht nur die Fettleber besser diagnostizieren lässt. Vielmehr können die Fachleute genauer vorhersagen, mit welcher Wahrscheinlichkeit der Leberfettgehalt während einer Lebensstilintervention sinkt.

Diese Forschungsergebnisse zeigen, welchen großen Einfluss die Fettleber auf die Entstehung von Typ-2-Diabetes hat. Um diesen Zusammenhang noch zielgerichteter zu untersuchen, baut das DZD einen Forschungsschwerpunkt zum Thema „Fatty Liver“ auf.

DZD – Forschen für eine Zukunft ohne Diabetes

Im Deutschen Zentrum für Diabetesforschung (DZD) arbeiten Expertinnen und Experten aus Grundlagenforschung, Epidemiologie und klinischer Anwendung deutschlandweit zusammen. Durch diesen translationalen Forschungsansatz können Beobachtungen aus epidemiologischen Studien im Labor überprüft und die Ergebnisse aus dem Labor schneller in die klinische Anwendung überführt werden. Ziel des DZD ist es, die Erkenntnisse der Diabetesforschung möglichst schnell zum Erkrankten zu bringen, um Diabetes vorzubeugen und zu behandeln sowie Folgeerkrankungen zu vermeiden.

Ansprechpartner: 
Prof. Dr. Dr. h.c. Michael Roden
Klinik für Endokrinologie und Diabetologie
Universitätsklinikum Düsseldorf
Auf’m Hafenkamp 65
40225 Düsseldorf
michael.roden@DDZ.uni-duesseldorf.de

Prof. Dr. med. Norbert Stefan
Universitätsklinikum Tübingen
Medizinische Klinik, Abteilung IV
Otfried-Müller-Straße 10
72076 Tübingen
norbert.stefan@med.uni-tuebingen.de

Pressekontakt:
Birgit Niesing
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Deutsches Zentrum für Diabetesforschung e. V. (DZD)
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