Ob Kinder lieber Wasser oder Limonade trinken und ob sie zwischendurch lieber zu Obst als zum Schokoriegel greifen, kann maßgeblich durch ihre frühkindliche Ernährung geprägt werden, sagt Prof. Dr. Berthold Koletzko, Leiter der Abteilung Stoffwechsel und Ernährung an der Universität München. Der Koordinator des Forschungsverbundes MEMORI (Multidisciplinary Early Modification of Obesity Risk) im Kompetenznetz Adipositas erklärt im Interview, dass verschiedene Faktoren im frühen Lebensalter das Adipositasrisiko maßgeblich mitbestimmen und daher Maßnahmen zur Prävention von Übergewicht gerade im frühen Kindesalter erfolgversprechend sind.
Tatsächlich beginnt die Prägung der Kinder bereits vor der Schwangerschaft. Aus vielen Studien wissen wir, dass besonders das Körpergewicht der Mütter vor Beginn einer Schwangerschaft das spätere kindliche Risiko für Übergewicht bestimmt. Die praktische Konsequenz ist, dass übergewichtige Frauen, die einen Kinderwunsch haben, sich vor einer Schwangerschaft beraten lassen sollten, wie sie ihr Körpergewicht normalisieren können. Im Mutterleib geht der Einfluss auf das spätere Gewicht der Kinder weiter: Mit jedem zusätzlichen Kilo, das eine Mutter zwischen Beginn der Schwangerschaft und Geburt zunimmt, steigt das Risiko des Kindes, später adipös zu werden, um ein Prozent. Auch ein mütterlicher Diabetes mellitus während der Schwangerschaft erhöht deutlich das Risiko des Kindes, später übergewichtig zu werden.
Es ist in vielen Studien nachgewiesen, dass eine sehr rasche Gewichtszunahme im Säuglingsalter und in den ersten zwei Lebensjahren das Risiko für späteres Übergewicht erhöht. Wir haben selbst eine große europäische Studie durchgeführt, in der wir untersuchten, wie eine Veränderung der frühkindlichen Ernährung das Gewicht beeinflusst. Es zeigte sich, dass durch eine verringerte Eiweißzufuhr in der Flaschennahrung, die den Babys im ersten Lebensjahr gegeben wird, tatsächlich das Körpergewicht von Kindern im Alter von zwei Jahren verringert werden kann. Die hier verwendete Babynahrung war dem Eiweißgehalt der Muttermilch stärker angenähert. Die Größenordnung, in der das Gewicht der Zweijährigen beeinflusst wurde, lässt immerhin eine Reduktion der Adipositas im jugendlichen Alter von 13 Prozent erwarten. Auf Bevölkerungsebene wäre das ein großer präventiver Effekt!
Es gibt verschiedene Verhaltensinterventionen im frühen Kindesalter, die Kinder dazu bringen sollen, sich ausgewogen zu ernähren, Speisen und Getränke richtig zu wählen und sich regelmäßig zu bewegen. Ein Beispiel ist das Bewegungs- und Ernährungsprogramm TigerKids – Kindergarten aktiv, das bundesweit in etwa 4.000 Kindertagesstätten zum Einsatz kommt. TigerKids ist ein Programm, das nicht mit Worten predigt, sondern gesundheitsfördernde Verhaltensweisen praktisch einübt. So lernen die Kinder im Kita-Alltag, sich mit Spaß regelmäßig zu bewegen. Und das nicht wie im klassischen leistungsorientierten Sportunterricht, sondern in Form von Bewegungsspielen, die Freude machen. Zum anderen lernen die Kinder, regelmäßig kalorienarme Getränke wie Wasser statt Saft oder Limo zu trinken und kalorienarme, gesunde Snacks wie frisches Obst und Gemüse zur Gewohnheit zu machen.
Gerade im Kindesalter sind Maßnahmen zur Prävention von Übergewicht besonders erfolgversprechend. In einer Evaluation konnten wir zeigen, dass das Programm TigerKids tatsächlich außerordentlich effektiv ist und sich positiv auf den Lebensstil der Familie zu Hause auswirkt. Denn auch die Eltern sind viel eher bereit, ihr eigenes Verhalten zu ändern, wenn es ihren Kindern nützt.
Ansprechpartner:
Prof. Dr. Berthold Koletzko
Klinikum der Universität München
Dr. von Haunersches Kinderspital
Abteilung Stoffwechsel und Ernährung
Lindwurmstraße 4
80337 München
Tel.: 089 5160-2826
Fax: 089 5160-3336
E-Mail: berthold.koletzko@med.uni-muenchen.de