Die Hände zittern, die Glieder sind steif - etwa 300.000 Menschen in Deutschland sind an Parkinson erkrankt. Die Ursache liegt im Gehirn: Hier sterben langsam, aber unaufhörlich Nervenzellen ab, die den Botenstoff Dopamin produzieren. Wissenschaftler des Nationalen Genomforschungsnetzes NGFN haben nun eine mögliche Ursache für das Sterben der Neuronen gefunden. Bei Parkinson-Patienten enthalten eben diese Dopamin produzierenden Nervenzellen im Zellkern defekte Strukturen, die oxidativen Stress auslösen und so die Neurodegeneration in Gang setzen. (Newsletter 53 / September 2011)
Was ist der Grund dafür, dass im Gehirn von Parkinson-Patienten Dopamin produzierende Nervenzellen absterben? Ein Blick unter das Mikroskop gab den Wissenschaftlern um Prof. Dr. Günther Schütz vom Deutschen Krebsforschungszentrum einen ersten Hinweis: Genau diese Nervenzellen sehen bei Parkinson-Patienten anders aus als bei Gesunden. "Die Dopamin produzierenden Nervenzellen von Parkinson-Patienten enthalten größtenteils defekte Kernkörperchen", berichtet Professor Schütz. Kernkörperchen, auch Nukleoli oder kleine Kerne genannt, sind winzige Strukturen im Zellkern, die für die Proteinsynthese notwendig sind. "Die Kernkörperchen haben eine wichtige Funktion. In ihnen werden aus RNA-Molekülen und Proteinen die Ribosomen zusammengebaut, die eigentlichen Proteinfabriken der Zelle." Fehlerhafte Kernkörperchen wurden schon bei mehreren seltenen Erbkrankheiten beobachtet.
Um die Rolle der Kernkörperchen bei der Entstehung von Parkinson zu verstehen, veränderten die Wissenschaftler das Erbgut von Mäusen so, dass die Dopamin produzierenden Zellen der Tiere nur defekte Kernkörperchen ausbilden konnten. Das Ergebnis: Die Mäuse zeigten Symptome, die dem Krankheitsbild Parkinson ähneln, also zum Beispiel die charakteristische Bewegungseinschränkung von Parkinson-Patienten, die Akinese. Außerdem starben in den Gehirnen der Tiere die Dopamin produzierenden Nervenzellen ab. "Somit war klar: Defekte Kernkörperchen rufen im Tiermodell parkinsonähnliche Symptome hervor und haben somit voraussichtlich auch beim Menschen etwas mit der Entstehung von Parkinson zu tun", fasst Professor Schütz die Ergebnisse des Projektes zusammen, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen des Nationalen Genomforschungsnetzes (NGFN-Plus) gefördert wurde. Die fehlerhaften Kernkörperchen verändern die molekularen Abläufe der Nervenzellen. So wird ein wichtiges Enzym, mTOR, in seiner Aktivität gedrosselt. "mTOR ist ein zentrales Schlüsselenzym für viele zelluläre Signalwege und reguliert sowohl Wachstum und Stoffwechsel als auch das Überleben von Zellen", sagt Professor Schütz. Als Konsequenz ist die Funktion der Zellkraftwerke, der Mitochondrien, gestört, und diese Funktionsstörung macht sich durch oxidativen Stress bemerkbar. Hierbei sammeln sich hochreaktive Sauerstoffverbindungen in der Zelle an. "Defekte Kernkörperchen bewirken also offenbar oxidativen Stress in der Nervenzelle. Dies wiederum kann die Zelle massiv schädigen und ist eine Voraussetzung für die typischen Nervenschäden bei Parkinson", so Professor Schütz. "Denn gerade Dopamin produzierende Nervenzellen reagieren besonders empfindlich auf oxidativen Stress." Allerdings wissen die Forscher bislang nicht, ob die fehlerhaften Kernkörperchen tatsächlich alleiniger Auslöser für die Neurodegeneration sind. Professor Schütz: "Auf jeden Fall aber funktioniert das Kernkörperchen als Stress-Sensor, an dem wir erkennen können, ob eine Nervenzelle in Gefahr ist."
In einem weiteren Forschungsprojekt des NGFN haben sich Professor Schütz und seine Kolleginnen und Kollegen ebenfalls mit dem Absterben von Dopamin produzierenden Nervenzellen befasst. Schalteten sie den Transkriptionsfaktor Pten in Dopamin produzierenden Nervenzellen von Mäusen aus, führte dies zu einer Aktivierung des mTOR-Signalwegs. "Hierdurch wurden die Dopamin produzierenden Neuronen vor dem Zelltod geschützt", sagt Professor Schütz, "und Mäuse, die zuvor Parkinson-ähnliche Symptome zeigten, konnten sich nach Abschalten von Pten wieder ohne Probleme bewegen." Das Enzym mTOR spielt also eine zentrale Rolle bei Parkinson: Ist mTOR in seiner Aktivität gedrosselt, entsteht oxidativer Stress und Dopamin produzierende Neurone sterben ab. Wird mTOR hingegen aktiviert, bewahrt dies die Nervenzellen vor dem Zelltod und kann - zumindest im Mausmodell - Parkinson- Symptome lindern. "Sowohl der Transkriptionsfaktor Pten als auch das Enzym mTOR sind deshalb mögliche Ansatzpunkte für zukünftige Parkinson-Therapien", so Professor Schütz.
Parkinson
Der Schauspieler Michael J. Fox und der Boxchampion Muhammad Ali - zwei Prominente, die wie etwa 300.000 Menschen in Deutschland an Parkinson erkrankt sind. Das typische Zittern der Hände, der Tremor, ist nur eines der auffälligsten Symptome von Patienten mit Parkinson. Sie leiden vor allem unter Bewegungsarmut (Akinese, griechisch: Bewegungslosigkeit), die Muskeln ihrer Gliedmaßen versteifen sich (Rigor, lateinisch: Starre), sie bekommen Gleichgewichtsstörungen, stürzen schnell und haben Probleme mit ihren Bewegungsabläufen. Die Ursache: Im Gehirn von Parkinson-Patienten sterben Nervenzellen, und es mangelt an einem dämpfenden Botenstoff, dem Dopamin. Der Botenstoff Dopamin wirkt auf bestimmte Hirngebiete und steuert so die Muskelfunktion und damit die Bewegungen. Fehlt es an Dopamin, werden Nervenzellen in diesen Hirngebieten überaktiv und es kommt zur typischen Schüttellähmung der Patienten. Die Therapie von Parkinson-Patienten beginnt stets mit der Einnahme von Medikamenten, die den Mangel des Botenstoffs Dopamin im Gehirn ausgleichen. In einem fortgeschrittenen Stadium der Krankheit lässt die Wirkung dieser Medikamente aber oftmals nach. Um die Symptome dennoch zu lindern, gibt es seit nahezu zehn Jahren die Möglichkeit, diesen Patienten einen Hirnschrittmacher zu implantieren.
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