Prolactin sorgt während der Stillzeit für die Produktion der Muttermilch. In seltenen Fällen können seine Abbauprodukte die gefährliche peripartale Kardiomyopathie auslösen.Was genau die peripartale Kardiomyopathie, kurz PPCM, bei Frauen auslöst, die vorher ein gesundes Herz hatten, weiß man bis heute nicht. Es gibt Hinweise auf bestimmte Risikofaktoren, die die Erkrankung begünstigen. Dazu zählen zum Beispiel Bluthochdruck während der Schwangerschaft, Mehrlingsschwangerschaften, Rauchen, Infektionen oder eine durch Plazentareste verursachte Entzündung der Gebärmutter.
Vor einigen Jahren machte das Team um Professorin Dr. Denise Hilfiker-Kleiner von der Medizinischen Hochschule Hannover zwei wichtige Entdeckungen: Erstens ist die PPCM vermutlich in erster Linie eine Erkrankung der Blutgefäße, insbesondere des Endothels, also der Zellschicht, die unsere Blutgefäße von innen auskleidet. Und zweitens kann ein Spaltprodukt des Hormons Prolactin, das in der Hirnanhangsdrüse, der Hypophyse, gebildet wird, an der Entstehung einer PPCM beteiligt sein.
Auslöser: Stillhormon Prolactin
Prolactin sorgt eigentlich während der Stillzeit dafür, dass ausreichend Muttermilch gebildet wird. In seltenen Fällen jedoch wird das Prolactin vermehrt abgebaut. Es entsteht ein biologisch aktives Spaltprodukt, das 16-Kilo-Dalton-Prolactin. „Dieses Spaltprodukt stellt die eigentliche Gefahr dar. Es wirkt sich negativ auf Endothelzellen aus“, erklärt die Biologin. Das wiederum führt zu einer schlechteren Durchblutung des Herzmuskels und kann so die Kardiomyopathie auslösen Diese Entdeckung brachte Hilfiker-Kleiner auf eine Idee: Warum nicht das Hormon Prolactin medikamentös blockieren und so seine zerstörerische Kraft auf die Blutgefäße verhindern? Insbesondere, da den Patientinnen ohnehin empfohlen wird abzustillen, da sie mehrere Medikamente zur Behandlung der Herzschwäche einnehmen müssen. Gesagt, getan.
Die Idee: Das Medikament Bromocriptin, das Frauen normalerweise einnehmen, um den Prozess des Abstillens einzuleiten, könnte sich hierfür eignen. Im Tierexperiment hat das Team um Hilfiker-Kleiner bereits gezeigt, dass eine Blockade des Prolactins mit dem Abstillmedikament Bromocriptin eine PPCM verhindern kann (Hilfiker-Kleiner et al., Cell 2007). Auch in einer Pilotstudie mit betroffenen Frauen war die Therapie mit Bromocriptin zusätzlich zur normalen Herzinsuffizienztherapie erfolgreich (Sliwa et al., Circulation 2010).
Studie: Teilnehmerinnen gesucht!
Schätzungen zufolge entwickelt sich bei einer von 1.500 bis 2.000 Schwangerschaften eine peripartale Kardiomyopathie.Seither werden viele Frauen mit PPCM bereits mit dem Medikament behandelt. „Weil Bromocriptin nur wenige Nebenwirkungen hat und sehr günstig ist, wird das Medikament bereits von vielen Kollegen in Heilversuchen eingesetzt. Obwohl bislang keine zuverlässigen Daten zu Wirkung und Nebenwirkungen vorliegen“, berichtet Hilfiker-Kleiner. Doch um den Betroffenen wirklich zu helfen, sind die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler darauf angewiesen, möglichst viele Patientinnen in einer kontrollierten klinischen Studie zu behandeln. „Nur so können wir herausfinden, ob die Behandlung mit Bromocriptin PPCM-Patientinnen tatsächlich hilft und welche möglichen Risiken damit verbunden sind.“ Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unterstützt diese multizentrische, randomisierte Studie. Es wird untersucht, ob Bromocriptin zusätzlich zur Standardtherapie der Herzinsuffizienz eine PPCM heilen kann.
Insgesamt sollen 60 Patientinnen an der Studie teilnehmen. „Aktuell haben wir erst 43 Patientinnen rekrutiert. Wir bitten deshalb alle Ärztinnen und Ärzte, sehr kranke PPCM-Patientinnen mit einer deutlich eingeschränkten Herzfunktion an eines der Studienzentren zu überweisen“, bitten die Studienleiter Hilfiker-Kleiner und Professor Dr. Johann Bauersachs, Direktor der Klinik für Kardiologie und Angiologie an der Medizinischen Hochschule Hannover. In der Studie werden die Patientinnen zufällig zwei Gruppen zugeteilt. Eine Gruppe erhält nur für eine Woche Bromocriptin zum Abstillen, die andere Gruppe erhält für acht Wochen Bromocriptin. Alle Patientinnen bekommen zusätzlich die gängige Standardmedikation für die Therapie einer Herzinsuffizienz. Die Ergebnisse der Studie werden voraussichtlich 2016 vorliegen.
Problem: Diagnose
„Obwohl die Kriterien, die eine PPCM anzeigen, eindeutig definiert sind, wird die Krankheit häufig nicht erkannt“, erklärt Hilfiker-Kleiner. Einerseits weil die Symptome von dem meist eingeschränkten Wohlbefinden kurz nach der Geburt überdeckt sein können. Andererseits weil die Symptome zum Teil deckungsgleich mit denen für andere Krankheiten sind und deshalb fehlgedeutet werden können. Denn die Beschwerden der Frauen ähneln oftmals normalen Schwangerschaftsbeschwerden oder Infekten. Sie reichen von Atemnot, Reizhusten, Gewichtszunahme durch Wassereinlagerungen, Herzrasen, Abgeschlagenheit, Müdigkeit, Antriebslosigkeit und Depressionen bis hin zum kardiogenen Schock mit akuter Lebensgefahr. Hilfiker-Kleiner empfiehlt deshalb: „Ärzte sollten bei einer Schwangeren oder einer Wöchnerin immer auch an eine PPCM denken, wenn eines oder mehrere der genannten Symptome auftreten!“
Ansprechpartnerin:
Prof. Denise Hilfiker-Kleiner
Medizinische Hochschule Hannover
Molekulare Kardiologie
Klinik für Kardiologie und Angiologie
Carl-Neuberg-Straße 1
30625 Hannover
Tel.: 0511 532-2531
Fax: 0511 532-3263
E-Mail:
hilfiker.denise@mh-hannover.de,
PPCM@mh-hannover.de