Praktische Hilfen für psychisch Kranke: Hamburger „psychenet“ erforscht neue Versorgungsmodelle

Wissenschaftler haben neue praxisnahe Hilfen für psychisch Erkrankte und deren Angehörige entwickelt und erprobt. Den Umgang mit der Erkrankung erleichtern sollen beispielsweise ein Webangebot mit Informationen über verschiedene psychische Störungen, Selbsttests zur Einschätzung der Gefährdung, Entscheidungshilfen zur Behandlung und Videos, in denen Betroffene über ihre Erfahrungen berichten.

Logo psychenet „psychenet – Hamburger Netz psychische Gesundheit“ ist ein vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördertes Verbundprojekt, an dem sich mehr als 300 Partner in der Region Hamburg beteiligen. Das Ziel: Psychische Gesundheit fördern sowie psychische Erkrankungen früh erkennen und nachhaltig behandeln. Die Ergebnisse der Arbeit von psychenet werden in einem Abschluss-Symposium unter dem Motto „Ergebnisse aus vier Jahren Umsetzung und Begleitforschung in der Gesundheitsregion Hamburg“ am 29. und 30. Juni 2015 in Hamburg vorgestellt. Begleitend zum Symposium erscheint ein Sonderheft der Zeitschrift „Psychiatrische Praxis“, in dem die Fortschritte und Erfolge von psychenet detailliert dargestellt werden.

Psychische Krankheiten zählen zu den sogenannten Volkskrankheiten. Jeder dritte Mensch wird einmal in seinem Leben psychisch krank. Die Betroffenen stehen vor besonderen Herausforderungen, denn sie kämpfen oftmals nicht nur gegen ihre Krankheit, sondern auch gegen das eigene Schamgefühl und das Unverständnis des Umfeldes. Diese höchst komplexe Ausgangslage braucht interdisziplinär vernetzte Forschung.

Bildrechte: psychenet, mit freundlicher Genehmigung von Wibke Schuster, Irre menschlich Hamburg e.V. Psychisch Erkrankte leiden nicht nur unter ihrer Erkrankung. Sie fühlen sich auch oft unverstanden und allein gelassen. (Bildrechte: psychenet, mit freundlicher Genehmigung von Wibke Schuster, Irre menschlich Hamburg e.V.) „Ich kenne die Scham, mit dem Leben allein nicht mehr zurecht zu kommen“, schildert eine ehemalige Patientin ihre Gefühle. Sie wirkt heute bei psychenet mit und berät Betroffene und deren Angehörige. Diese Beratung durch Betroffene selbst, die sogenannte Peer-Beratung, ist ein wesentlicher Bestandteil von psychenet. „Im Mittelpunkt unseres Netzwerks stehen die Menschen mit psychischen Erkrankungen und ihre Angehörige“, sagt Dr. Martin Härter. Er leitet das Institut und die Poliklinik für Medizinische Psychologie am Universitätsklinikum Eppendorf in Hamburg und ist wissenschaftlicher Sprecher des Netzwerks. In elf Projekten werden neue Wege für die Versorgung psychisch Erkrankter erprobt. Schwerpunkte sind dabei Themen wie Aufklärung und Bildung, krankheitsübergreifende Prävention, neue Strukturen in der Versorgung, Stärkung der Betroffenen und Angehörigen sowie Verbesserung der Diagnostik und Behandlung von psychischen Erkrankungen.

Webangebot für Betroffene und Angehörige

Bildrechte: psychenet, mit freundlicher Genehmigung von Hendrik Meyer, Irre menschlich Hamburg e.V. Der Verbund psychenet will psychische Erkrankungen frühzeitig erkennen und schnell behandeln – bevor einem das Wasser bis zum Hals steht (Bildrechte: psychenet, mit freundlicher Genehmigung von Hendrik Meyer, Irre menschlich Hamburg e.V.) Wichtiger Teil von psychenet ist das Internetportal www.psychenet.de. „Unser Internetportal soll Betroffene und Angehörige bei ihren Entscheidungen zur Behandlung und im Umgang mit der Erkrankung unterstützen“, beschreibt Dr. Jörg Dirmaier die Internetseiten. Er leitet zusammen mit Martin Härter das interaktive Internetportal im Verbund. Es stellt wissenschaftlich begründete Informationen und Entscheidungshilfen bereit, die sich an strengen Qualitätskriterien orientieren. Betroffene und Ratsuchende können auf der Seite für sich selbst herausfinden, welche der möglichen Behandlungsoptionen in ihrem speziellen Fall infrage käme. „Dies unterstützt ganz wesentlich die aktive Rolle der Patientinnen und Patienten bei ihrer Behandlung.“, sagt Dirmaier.
Zudem werden standardisierte Selbsttests auf verschiedene psychische Störungen bereitgestellt. Ratsuchende erhalten hier von Experten eine individuelle Rückmeldung und Handlungsempfehlungen. Zum Beispiel – wenn das Ergebnis des Selbsttests den Rückschluss auf eine psychische Erkrankung zulässt – den Rat, einen professionellen medizinischen Dienst aufzusuchen.
Ein Beratungstelefon ergänzt das Webangebot von psychenet. Ausgebildetes fachmedizinisches Personal kann Fragen rund um psychische Erkrankungen beantworten.


Gesundheitsregionen der Zukunft
Eine verbesserte medizinische Versorgung der Menschen ist Ziel des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Jahr 2008 gestarteten Wettbewerbs zur Bildung von “Gesundheitsregionen der Zukunft“. Oft arbeiten Akteure aus Forschung, Entwicklung und Versorgung getrennt voneinander. Das soll in den Gesundheitsregionen durch eine fachübergreifende Kooperation verändert werden. In Deutschland werden fünf Gesundheitsregionen gefördert. Eine davon ist das „psychenet - Hamburger Netz psychische Gesundheit“. Weitere Informationen finden Sie hier


Ansprechpartner:
Dr. phil. Jörg Dirmaier, Dipl.-Psych., Psychologischer Psychotherapeut
Institut und Poliklinik für Medizinische Psychologie
Zentrum für Psychosoziale Medizin
Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
Martinistraße 52
20246 Hamburg
Tel.: 040 7410-59137
Fax: 040 7410-54940
E-Mail: dirmaier@uke.uni-hamburg.de