August 2015

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Prostatakrebs: Neuer Biomarker könnte Krankheitsverlauf prognostizieren

Ein internationales Wissenschaftsteam entdeckte einen Biomarker, der in direktem Zusammenhang mit der Bösartigkeit von Prostatakrebs steht. Diese Information entscheidet darüber, wie intensiv und radikal die Patienten behandelt werden müssen.

Logo: International Cancer Genome Consortium, ICGC

Prostatakrebs ist die häufigste Krebserkrankung bei Männern in Deutschland. Bislang sind die Ursachen für die Entstehung sowie Faktoren, die den Verlauf und die Prognose der Erkrankung beeinflussen, im Wesentlichen unbekannt. Wird ein Tumor an der Prostata diagnostiziert, steht für die Betroffen und behandelnden Ärzte oftmals eine Frage im Vordergrund: Ist der Tumor bösartig? Denn die Antwort auf diese Frage entscheidet über die Prognose des Betroffenen und darüber, wie intensiv und radikal die Behandlung ausfallen muss. Denn Prostatakrebs kann von Patient zu Patient einen sehr unterschiedlichen Verlauf nehmen. Deshalb suchen Forscherinnen und Forscher nach messbaren, zuverlässigen Biomarkern, an denen sie die Aggressivität des Tumors ablesen können. Einem Forschungsteam des Internationalen Krebsgenomkonsortiums ICGC ist genau das mit Förderung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung gelungen. Sie haben ein Protein entdeckt, das in direktem Zusammenhang mit der Bösartigkeit von Prostatakrebs steht.

Epigenetisches Muster beeinflusst die Tumorzellen

Jedes Jahr wird allein in Deutschland bei mehr als 65.000 Männern ein Prostatakarzinom diagnostiziert. Ein molekularer Gradmesser für die Aggressivität des Tumors könnte bei der Entscheidung helfen, wie intensiv und radikal die Behandlung ausfallen muss.

Jedes Jahr wird allein in Deutschland bei mehr als 65.000 Männern ein Prostatakarzinom diagnostiziert. Ein molekularer Gradmesser für die Aggressivität des Tumors könnte bei der Entscheidung helfen, wie intensiv und radikal die Behandlung ausfallen muss.

Thinkstock - monkeybusinessimages

Bei zahlreichen Krebsarten geben Veränderungen des Erbguts Hinweise auf die Bösartigkeit. Doch gerade bei Prostatakrebs sind solche Mutationen längst nicht so zahlreich wie bei anderen Krebsarten. „Wir vermuteten daher, dass Prostatakrebs vor allem durch veränderte epigenetische Merkmale angetrieben wird“, sagt Professor Dr. Christoph Plass vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ), einer der Leiter der ICGC-Studie. Epigenetische Informationen sind chemische Veränderungen am Erbgut, die nicht die Reihenfolge der DNA-Bausteine betreffen. Sie versehen die DNA-Sequenz mit zusätzlichen Informationen, steuern den Gebrauch der DNA und bestimmen, welche Gene wann und wo an- oder abgeschaltet werden. Jede Zelle trägt somit neben ihrer rein genetischen Information auch ein charakteristisches epigenetisches Muster. Zahlreiche Proteine der Zelle nehmen Einfluss auf dieses Muster.

Das Forschungsteam startete seine Suche nach epigenetischen Steuerproteinen für Prostatakrebs zunächst in Datenbanken, in denen die molekularen Informationen zahlreicher Prostatakrebsfälle gespeichert sind. Diese Daten überprüften sie darauf, ob die Tumorzellen eines der bekannten epigenetischen Steuerproteine signifikant stärker oder schwächer ausprägen als gesunde Zellen desselben Patienten.

BAZ2A: Gradmesser für die Bösartigkeit

Den auffälligsten Unterschied ermittelten die Forscherinnen und Forscher für das Protein BAZ2A. Es lag in Prostatakrebszellen in deutlich höherer Konzentration vor als in gesunden Zellen. In gesunden Zellen unterdrückt das Protein BAZ2A die Aktivität von Ribosomen, den Proteinfabriken der Zelle. So hemmt BAZ2A das Zellwachstum. In Zellen von metastasierendem Prostatakrebs bewirkt BAZ2A jedoch genau das Gegenteil. Schalteten die Wissenschaftler BAZ2A in Prostatakrebszellen aus, verlangsamte sich ihr Wachstum. Höhere Konzentrationen von BAZ2A steigerten die bösartigen Eigenschaften der Prostatakrebszellen, etwa ihre Beweglichkeit oder die Fähigkeit, in umgebendes Gewebe einzudringen, also Metastasen zu bilden.

Diesen Einfluss nimmt BAZ2A, indem es die epigenetischen Muster der Prostatakrebszellen verändert. Diese veränderten Muster wiederum drosseln die Aktivität einer Reihe von krebsbremsenden Genen. „Deshalb lag die Vermutung nahe, dass sich die BAZ2A-Überproduktion direkt auf die Bösartigkeit von Prostatakrebs auswirkt und daher ein Indikator für den Verlauf der Erkrankung sein könnte“, erläutert Plass.

Hypothese bestätigt

Mehr als 7.700 Gewebeproben hat ein internationales Wissenschaftsteam untersucht und dabei einen molekularen Marker gefunden, der zuverlässig anzeigen kann, wie bösartig ein Prostatatumor ist.

Mehr als 7.700 Gewebeproben hat ein internationales Wissenschaftsteam untersucht und dabei einen molekularen Marker gefunden, der zuverlässig anzeigen kann, wie bösartig ein Prostatatumor ist.

Thinkstock - nikesidoroff

Das Forschungsteam, an dem unter anderem auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Zürich, dem Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf und der Universität Heidelberg beteiligt waren, überprüfte diese Hypothese an fast 7.700 Gewebeproben von Prostatakrebs und stellte fest: Je mehr BAZ2A das Gewebe enthielt, desto fortgeschrittener war der Tumor bei seiner Diagnose, desto häufiger hatte der Krebs bereits Metastasen gestreut und desto höher war der PSA-Wert des jeweiligen Patienten. PSA steht für „prostataspezifisches Antigen“, ein Protein, das in der Prostata gebildet wird und im Blut nachgewiesen werden kann. Die Bestimmung des PSA-Wertes dient zur Früherkennung von Prostatakrebs.

„Tatsächlich scheint BAZ2A einen direkten Einfluss auf die Aggressivität von Prostatakrebs zu haben. Von daher könnte der Grad der BAZ2A-Expression deutliche Hinweise auf den Verlauf der Erkrankung geben. Das muss natürlich noch klinisch bestätigt werden“, sagt Plass. Gerade bei Patienten, deren sonstige klinische Werte ein mittleres Risiko anzeigen, könnte die BAZ2A-Expression zukünftig wertvolle Hinweise darauf geben, mit welcher Wahrscheinlichkeit der Krebs zurückkehrt. Das würde Ärzte und Patienten bei der Wahl der aussichtsreichsten Therapie unterstützen.

ICGC – weltweite Vernetzung im Kampf gegen Krebs

Im Internationalen Krebsgenom-Konsortium (International Cancer Genome Consortium, ICGC) arbeiten weltweit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler daran, die 50 häufigsten Krebserkrankungen genetisch zu untersuchen, um neue verbesserte Ansätze zu Prävention, Diagnose und Therapie zu finden. Derzeit gibt es drei deutsche ICGC-Beteiligungen, eines der Projekte untersucht die Genome von früh entstehenden Prostatatumoren. Es wird dabei vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit einem Gesamtbudget von rund acht Millionen Euro über einen Zeitraum von fünf Jahren gefördert. Die beiden anderen Projekte untersuchen die molekularen Ursachen kindlicher Hirntumore und maligner Lymphome. Mehr zum ICGC und zu den deutschen Beteiligungen lesen Sie hier.

Ansprechpartner:
Prof. Dr. Christoph Plass
Epigenomik und Krebsrisikofaktoren
Deutsches Krebsforschungszentrum
Im Neuenheimer Feld 280
69120 Heidelberg
06221 42-3300
06221 42-3359
c.plass@dkfz.de