Greifswalder Wissenschaftler testen erfolgreich neues Programm zur Nikotinentwöhnung Ein neues Angebot zur Nikotinentwöhnung überzeugt auch Raucher, die bisher nicht ans Aufhören gedacht haben. Das Erfolgsrezept ist eine enge Kooperation mit Hausärzten. Konventionelle Entwöhnungsprogramme erreichen dagegen nur die wenigen Raucher, die ihre Sucht sowieso loswerden möchten.
Raucher lassen sich eher auf Programme zur Nikotinentwöhnung ein, wenn der Hausarzt ihnen die Teilnahme empfiehlt. Das geht aus einer aktuellen Untersuchung der Universität Greifswald hervor, die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) finanziell unterstützt wurde. Vier von fünf Rauchern aus 34 an der Studie beteiligten Hausarztpraxen nahmen ein spezielles Beratungsangebot wahr, das ihnen in der Praxis unterbreitet worden war – obwohl 62 Prozent von ihnen bislang nicht beabsichtigt hatten, das Rauchen aufzugeben. Herkömmliche Programme werden vornehmlich von Menschen wahrgenommen, die ohnehin von den Zigaretten loskommen wollen. Folge: Bisher besuchten jährlich weniger als ein Prozent der Raucher Entwöhnungskurse.
Die Greifswalder Wissenschaftler um die Diplom-Soziologin Sabina Ulbricht und den Diplom-Psychologen Dr. Christian Meyer ordneten die 1.653 teilnehmenden Raucher drei Gruppen zu. Die erste Gruppe war eine Kontrollgruppe, sie erhielt keine speziellen Hilfen zur Raucherentwöhnung. Die Mitglieder der zweiten Gruppe wurden einmalig durch den Hausarzt beraten, nachdem dieser an einer Schulung zu Kurzberatungstechniken teilgenommen hatte. Raucher aus der dritten Gruppe wurden zunächst in der Sprechstunde und dann erneut nach drei und sechs Monaten telefonisch befragt, wie es um ihre Motivation für einen Rauchverzicht steht. Anhand der Antworten erstellte ein spezielles Computersystem aus standardisierten Textmodulen individualisierte Beratungsbriefe. Jeder Raucher der dritten Gruppe erhielt nach jedem der Gespräche einen an seine aktuelle Motivationslage angepassten Brief. Eine ausführlichere persönliche Beratung durch den Arzt fand dabei nicht statt.
Nach zwei Jahren 25 Prozent Nichtraucher
Die Beratung mithilfe der Briefe erzielte die besten Ergebnisse. Wie erste Auswertungen zeigen, waren zwei Jahre nach Studienbeginn über 25 Prozent der entsprechend betreuten Patienten Nichtraucher. Der Nichtraucher-Anteil in der durch den Arzt einmalig persönlich beratenen Gruppe betrug knapp 20 Prozent und in der Kontrollgruppe 17 Prozent. Sollten sich diese Abstinenzquoten bestätigen, könnten mithilfe der neuen Beratungsform wesentlich mehr Menschen von ihrer Sucht loskommen als bisher. Nach einer herkömmlichen Entwöhnung in speziellen Kursen und Einrichtungen leben zwar 30 bis 40 Prozent der Teilnehmer dauerhaft rauchfrei. Die Erfolge werden im Vergleich zum Hausarztmodell aber dadurch relativiert, dass nur sehr wenige Raucher diese Angebote nutzen.
Sabina Ulbricht ist mit dem Verlauf des Projekts zufrieden: „Ärzte und Patienten haben das Programm sehr positiv aufgenommen und gute Ergebnisse erzielt. Bisherige Programme scheiterten oft an der Teilnahmebereitschaft der Ärzte. Von unserem Konzept ließen sich aber fast alle der zunächst zufällig ausgewählten Hausärzte überzeugen. Das zeigt, dass Hausarztpraxen stärker in Programme zur Raucherentwöhnung eingebunden werden können.“ Für die Ärzte war das Programm mit wenig zusätzlichem Aufwand verbunden. So nahm jedes persönliche Beratungsgespräch durchschnittlich nur sieben Minuten in Anspruch. Zukünftige Studien der Greifswalder Forschungsgruppe sollen klären, wie die Beratung beim Hausarzt problemlos Teil der Praxisroutine werden kann. Fernziel ist es, die neue Art der Nikotinentwöhnung in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen zu integrieren. Gemessen am guten Erfolg des Programms und dem relativ geringen Aufwand wäre die Kostenübernahme eine gute Investition.
Ansprechpartner:
Sabina Ulbricht, Dipl.-Soz.
Dr. Christian Meyer, Dipl.-Psych.
Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald
Institut für Epidemiologie und Sozialmedizin
Walther-Rathenau-Straße 48
17487 Greifswald
Tel.: 0 38 34 / 86-77 32
Fax: 0 38 34 / 86-77 01
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