vom 29.09.2010 - Abgabetermin: 20.01.2011
Erschienen im Bundesanzeiger Nr. 147 vom 29.09.2010
1. Zuwendungszweck, Rechtsgrundlage
1.1 Zuwendungszweck
Sexueller Missbrauch bei Kindern und Jugendlichen ist ein seit langem bekanntes Problem. Aber erst die steigende Bereitschaft vieler Betroffener zur Aussage haben in letzter Zeit das Bewusstsein für Umfang und Bandbreite des sexuellen Kindesmissbrauchs geweckt.
Die Bundesregierung hat am 24. März 2010 die Einrichtung des Runden Tisches „Sexueller Kindesmissbrauch in Abhängigkeits- und Machtverhältnissen in privaten und öffentlichen Einrichtungen im familiären Bereich“ beschlossen mit dem Ziel, der gemeinsamen Verantwortung für einen verbesserten Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexualisierter Gewalt gerecht zu werden. Eine wichtige Funktion ist zunächst die Enttabuisierung, die Aufklärung von Missständen und dabei vorrangig die Anerkennung der Leiden der Betroffenen. Daneben stellt der Runde Tisch gleichberechtigt die Forderung der Vorbeugung und sieht hier Bildung und Forschung in einer Schlüsselstellung, um neue Konzepte zu entwickeln und voranzutreiben.
Zur adäquaten und zielführenden Bearbeitung des Forschungsfeldes ist eine umfassende wissenschaftliche Annäherung an die Thematik notwendig. Die Gesundheitsforschung kann dazu dienen, neue, evidenz-basierte Konzepte zur Prävention, Erkennung und Therapie zu entwickeln und in der Praxis zu erproben. Da sich die Folgen von im Kindesalter erlebter (sexueller) Gewalt über die gesamte Lebensspanne zeigen, sollen die Forschungsfragen nicht auf die Kindheit beschränkt bleiben. Vielmehr sollen, wo sinnvoll, Untersuchungen bis ins Erwachsenenalter Gegenstand der Forschung sein können (Verlaufsforschung). Inhalte der Forschungsförderung können sowohl die Betroffenen als auch die Täter sowie die Rahmenbedingungen berücksichtigen.
Sexueller Kindesmissbrauch tritt häufig nicht isoliert auf, sondern wird begleitet von häuslicher Gewalt, Vernachlässigung, Misshandlung und anderen Formen, wie z. B. emotionaler Misshandlung. Darüber hinaus gibt es unterschiedliche alters- und geschlechtsspezifische Folgeerscheinungen nach sexuellen Übergriffen und sexuellem Missbrauch. Bei Betroffenen und Tätern sind komplexe Verhaltensmuster mit verschiedenen Formen psychischer Belastungen und Störungen zu beobachten. Daher müssen alle Formen der externalisierenden und/oder internalisierenden Verhaltensstörungen im Zusammenhang mit Gewalt, Vernachlässigung, Misshandlung und Missbrauch in Kindheit und Jugend betrachtet werden.
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) beabsichtigt daher, im Rahmen des Programms der Bundesregierung „Gesundheitsforschung: Forschung für den Menschen“ Forschungsverbünde zu Verhaltensstörungen im Zusammenhang mit Gewalt, Vernachlässigung, Misshandlung und Missbrauch in Kindheit und Jugend zu unterstützen.
1.2 Rechtsgrundlage
Vorhaben können nach Maßgabe dieser Richtlinien, der BMBF-Standardrichtlinien für Zuwendungen auf Ausgaben- bzw. Kostenbasis und der Verwaltungsvorschriften zu den §§ 23, 44 Bundeshaushaltsordnung (BHO) durch Zuwendungen gefördert werden. Ein Rechtsanspruch auf Gewährung einer Zuwendung besteht nicht. Der Zuwendungsgeber entscheidet nach pflichtgemäßem Ermessen im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel.
2. Gegenstand der Förderung
Gefördert werden sollen Forschungsverbünde mit 3 bis 5 Arbeitsgruppen für einen Zeitraum von zunächst 3 Jahren zu
- Untersuchungen von biologischen, psychischen und psychosozialen Ursachen von Gewalt, Vernachlässigung, Misshandlung und Missbrauch in Kindheit und Jugend,
- Untersuchungen von biologischen, psychischen und psychosozialen Folgen von Gewalt, Vernachlässigung, Misshandlung und Missbrauch in Kindheit und Jugend,
- Untersuchungen zu Interventions- und Therapiemöglichkeiten bei Betroffenen und Gefährdeten,
- Untersuchungen zu Ursachen, Prävention, Diagnostik, Therapie und Verlauf sexueller Präferenz- und/oder Verhaltensstörungen sowie von Persönlichkeitsentwicklungen, die zur Gewaltausübung gegenüber Kindern und Jugendlichen prädisponieren.
Die Bekanntmachung richtet sich an medizinisch/lebenswissenschaftliche Forschungsdisziplinen wie z. B. Psychologie, Psychiatrie, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie, Pädiatrie, Neurobiologie, aber auch an sozialwissenschaftliche oder juristische Forscherinnen und Forscher, sofern ihre Expertise für die Beantwortung von spezifischen Forschungsfragen innerhalb eines Verbundes notwendig ist. Geschlechtsspezifische Aspekte sollen bei den Vorhaben nach Möglichkeit in angemessener Weise berücksichtigt werden.
Forschungsverbünde können Maßnahmen zur gezielten interdisziplinären Nachwuchsförderung beinhalten (z. B. Rotationsstellen oder Nachwuchsgruppenleiterstellen).
Als nachrangig erachtet werden ausschließlich deskriptive und epidemiologisch orientierte Forschungsansätze ohne begleitende Forschung zum Verständnis der (Patho-)Genese der Verhaltensstörung und/oder Wirksamkeit von Interventionen.
3. Zuwendungsempfänger
Antragsberechtigt sind staatliche und nicht-staatliche Hochschulen und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen, ggf. auch Einrichtungen der Gesundheitsversorgung (z. B. Krankenhäuser, Rehabilitationskliniken und Selbsthilfeorganisationen) sowie Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft mit Forschungs- und Entwicklungs(FuE)-Kapazität in Deutschland, wie z. B. Kleine und mittlere Unternehmen (KMU; die Definition für KMU der Europäischen Gemeinschaft ist hier einzusehen).Unternehmen, die zu mehr als 50 % im Besitz von Großindustrie sind, können nur unter bestimmten Voraussetzungen gefördert werden.
Forschungseinrichtungen, die gemeinsam von Bund und Ländern grundfinanziert werden, kann nur unter bestimmten Voraussetzungen ergänzend zu ihrer Grundfinanzierung eine Projektförderung für ihren zusätzlichen Aufwand bewilligt werden.
Sind Fachhochschulen im Rahmen dieses Auswahlverfahrens erfolgreich, besteht für sie die Möglichkeit einer zusätzlichen Förderung über die BMBF-Förderlinie "ProfilNT". Entscheidungen hierzu erfolgen über ein gesondertes Antrags- und Auswahlverfahren. Nähere Informationen hierzu sind unter http://www.bmbf.de/de/1956.php erhältlich.
4. Zuwendungsvoraussetzungen
Antragsteller müssen durch einschlägige Vorarbeiten in Forschung und Entwicklung zu Verhaltensstörungen im Zusammenhang mit Gewalt, Vernachlässigung, Misshandlung und Missbrauch in Kindheit und Jugend ausgewiesen sein.
Antragsteller müssen die Bereitschaft zur interdisziplinären Zusammenarbeit mitbringen.
Die Partner eines Verbundvorhabens haben ihre Zusammenarbeit in einer Kooperationsvereinbarung zu regeln. Vor der Förderentscheidung muss eine grundsätzliche Übereinkunft über bestimmte vom BMBF vorgegebene Kriterien nachgewiesen werden. Einzelheiten können einem BMBF-Merkblatt - Vordruck 0110 - entnommen werden.
Antragsteller sollen sich auch im eigenen Interesse im Umfeld des national beabsichtigten Vorhabens mit dem EU-Forschungsrahmenprogramm vertraut machen. Sie sollen prüfen, ob das beabsichtigte Vorhaben spezifische europäische Komponenten aufweist und damit eine ausschließliche EU-Förderung möglich ist. Weiterhin ist zu prüfen, inwieweit im Umfeld des national beabsichtigten Vorhabens ergänzend ein Förderantrag bei der EU gestellt werden kann. Das Ergebnis der Prüfungen soll im nationalen Förderantrag kurz dargestellt werden. Informationen zur EU-Förderung können hier abgerufen werden.
5. Art, Umfang und Höhe der Zuwendung
Die Zuwendungen können im Wege der Projektförderung als nicht rückzahlbare Zuschüsse gewährt werden.
Zuwendungsfähig für Antragsteller außerhalb der gewerblichen Wirtschaft ist der vorhabenbedingte Mehraufwand, wie Personal-, Sach- und Reisemittel sowie in begründeten Ausnahmefällen projektbezogene Investitionen, die nicht der Grundausstattung des Antragstellers zuzurechnen sind.
Um den Dialog zwischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern relevanter Disziplinen aus verschiedenen Ländern zu unterstützen, können auch Mittel für folgende Maßnahmen beantragt werden:
- Ausrichtung von Konferenzen mit internationalen Forscherinnen und Forschern,
- Kooperationen mit bestehenden internationalen Netzwerken,
- Gastaufenthalte ausländischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an deutschen Forschungsinstitutionen,
- Auslandsaufenthalte deutscher Forscherinnen und Forscher, sofern diese notwendig für die beantragten Vorhaben sind.
Kooperationen mit thematisch verwandten FuE-Vorhaben im (europäischen) Ausland sind möglich, wobei der internationale Partner grundsätzlich über eine eigene nationale Förderung für seinen Projektanteil verfügen muss. Zusätzlich anfallende Mittel für wissenschaftliche Kommunikation, z. B. für die Durchführung von Workshops und Arbeitstreffen, Gastaufenthalte von Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftlern (Doktoranden, Post-Docs) aus dem Verbund an externen Forschungseinrichtungen und Kliniken sowie die Einladung von Gastwissenschaftlerinnen und Gastwissenschaftlern sind grundsätzlich zuwendungsfähig, wenn dadurch synergistische Effekte erwartet werden können.
Bemessungsgrundlage für Hochschulen, Forschungs- und Wissenschaftseinrichtungen und vergleichbare Institutionen sind die zuwendungsfähigen projektbezogenen Ausgaben (bei Helmholtz-Zentren und der Fraunhofer-Gesellschaft (FhG) die zuwendungsfähigen projektbezogenen Kosten), die individuell bis zu 100 % gefördert werden können.
Bemessungsgrundlage für Zuwendungen an Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft sind die zuwendungsfähigen projektbezogenen Kosten, die in der Regel je nach Anwendungsnähe des Vorhabens bis zu 50 % anteilfinanziert werden können. Nach BMBF-Grundsätzen wird eine angemessene Eigenbeteiligung grundsätzlich mindestens 50 % der entstehenden zuwendungsfähigen Kosten vorausgesetzt.
Die Bemessung der jeweiligen Förderquote muss den Gemeinschaftsrahmen der EU-Kommission für staatliche FuE-Beihilfen berücksichtigen. Dieser Gemeinschaftsrahmen lässt für Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) differenzierte Aufschläge zu, die ggf. zu einer höheren Förderquote führen können.
6. Sonstige Zuwendungsbestimmungen
Bestandteil eines Zuwendungsbescheides auf Kostenbasis werden grundsätzlich die Allgemeinen Nebenbestimmungen für Zuwendungen auf Kostenbasis des BMBF an Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft für FuE-Vorhaben (NKBF98).
Bestandteil eines Zuwendungsbescheides auf Ausgabenbasis werden die Allgemeinen Nebenbestimmungen für Zuwendungen zur Projektförderung (ANBest-P) und die Besonderen Nebenbestimmungen für Zuwendungen des BMBF zur Projektförderung auf Ausgabenbasis (BNBest-BMBF98).
7. Verfahren
7.1 Einschaltung eines Projektträgers und Anforderung von Unterlagen
Mit der Abwicklung der Fördermaßnahme hat das BMBF seinen Projektträger
Projektträger im DLR für das BMBF
Gesundheitsforschung
Heinrich-Konen-Straße 1
53227 Bonn
Telefon: 0228 3821-210
Telefax: 0228 3821-257
E-Mail: gesundheitsforschung@dlr.de
Internet: www.gesundheitsforschung-bmbf.de
beauftragt. Ansprechpartner sind Herr Dr. Rainer Girgenrath (Telefon: 0228 3821-200, E-Mail: rainer.girgenrath@dlr.de) und Frau Petra Pütz (Telefon: 0228 3821-194, E-Mail: petra.puetz@dlr.de). Es wird empfohlen, zur Antragsberatung mit dem Projektträger Kontakt aufzunehmen. Weitere Informationen und Erläuterungen sind dort erhältlich.
7.2 Förderverfahren
Das Förderverfahren ist zweistufig angelegt
7.2.1 Vorlage und Auswahl von Antragsskizzen
In der ersten Verfahrensstufe sind dem Projektträger im DLR zunächst formlose Antragsskizzen einzureichen. Diese sollen alle notwendigen Informationen enthalten, um dem Gutachterkreis eine abschließende fachliche Stellungnahme zu erlauben.
Bei Verbundprojekten sind die Antragsskizzen in Abstimmung mit dem vorgesehenen Verbundkoordinator vorzulegen. Mit Blick auf das internationale Begutachtungsverfahren wird die Einreichung der Antragsskizzen in englischer Sprache empfohlen.
Verbindliche Anforderungen an Antragsskizzen sind in einem Template für Antragsteller niedergelegt. Anträge, die den dort niedergelegten Anforderungen nicht genügen, können ggf. nicht berücksichtigt und ohne weitere Prüfung abgelehnt werden.
Die Antragstellung erfolgt elektronisch über das Internet-Portal. Im Portal ist die Antragsskizze im PDF-Format hochzuladen. Damit die elektronische Version der Antragsskizze Bestandskraft erlangt, muss das Dokument nach erfolgter elektronischer Antragstellung zusätzlich in Papierform mit der Unterschrift des/r Verbundkoordinators/in beim Projektträger eingereicht werden.
Die Eingaben für die Antragsskizze können
bis spätestens 20. Januar 2011
beim Projektträger elektronisch eingereicht werden. Die Vorlagefrist gilt nicht als Ausschlussfrist. Verspätet eingehende Antragsskizzen können aber möglicherweise nicht mehr berücksichtigt werden. Bei verspäteter Einreichung wird dringend die vorherige Kontaktaufnahme mit dem zuständigen Projektträger empfohlen. Eine Vorlage per E-Mail oder Telefax ist nicht möglich.
Aus der Vorlage einer Antragsskizze kann kein Rechtsanspruch auf Förderung abgeleitet werden.
Die eingegangenen Antragsskizzen werden unter Beteiligung externer Gutachter/innen nach folgenden Kriterien bewertet:
1. Relevanz der beantragten Projekte bezüglich der Ziele der Bekanntmachung
2. Wissenschaftliche Qualität (innovatives Potential, Methodik)
3. Internationale Wettbewerbsfähigkeit der beteiligten Forschungsgruppen auf dem Gebiet der Bekanntmachung (einschlägige Vorarbeiten, Expertise)
4. Durchführbarkeit (Angemessenheit des Arbeits- und Zeitplans, der beantragten Mittel, vorhandener Ressourcen)
5. Qualität der wissenschaftlichen Interaktion zwischen den Arbeitsgruppen und Mehrwert durch die Kooperation
6. Potential der erwarteten Ergebnisse für eine zukünftige Anwendung
Auf der Grundlage der Bewertung werden dann die für eine Förderung geeigneten Projektideen ausgewählt. Das Auswahlergebnis wird den Interessenten schriftlich mitgeteilt. Der Antragsteller hat keinen Rechtsanspruch auf Rückgabe einer eingereichten Antragsskizze.
7.2.2 Vorlage förmlicher Förderanträge und Entscheidungsverfahren
In der zweiten Verfahrensstufe werden die Interessenten bei positiv bewerteten Anträgen unter Angabe eines Termins aufgefordert, in Abstimmung mit dem vorgesehenen Verbundkoordinator einen förmlichen Förderantrag vorzulegen.
Informationen und Unterlagen zur ausführlichen Antragstellung werden zu gegebener Zeit an die ausgewählten Interessenten versandt. Die vorgelegten Förderanträge werden unter Hinzuziehung eines externen Gutachterkreises bewertet. Über diese Anträge wird nach abschließender Prüfung entschieden.
Es ist beabsichtigt, rechtzeitig vor Laufzeitende Richtlinien für eine Anschlussförderung über weitere 3 Jahre zu veröffentlichen. Dazu kann ein Anschlussantrag vorgelegt werden, dessen Begutachtung eine Bewertung der Leistungen in der zurückliegenden Förderphase einschließt.
Vordrucke für die einzureichenden Formanträge sowie Richtlinien, Merkblätter, Hinweise und Nebenbestimmungen können hier abgerufen oder unmittelbar beim Projektträger angefordert werden. Zur Erstellung von förmlichen Förderanträgen wird die Nutzung des elektronischen Antragssystems „easy“ dringend empfohlen (Internet-Adresse siehe oben).
Für die Bewilligung, Auszahlung und Abrechnung der Zuwendung sowie für den Nachweis und die Prüfung der Verwendung und die ggf. erforderliche Aufhebung des Zuwendungsbescheides und die Rückforderung der gewährten Zuwendung gelten die Verwaltungsvorschriften zu § 44 BHO sowie die §§ 48 bis 49a des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG), soweit nicht in diesen Förderrichtlinien Abweichungen zugelassen sind.
8. Inkrafttreten
Diese Förderrichtlinien treten am Tag nach der Veröffentlichung im Bundesanzeiger in Kraft.
Berlin, den 17. September 2010
Bundesministerium für Bildung und Forschung
Im Auftrag
Dr. Ute Rehwald