Wer im Krankenhaus liegt, hofft auf Besserung. Doch regelmäßig erkranken dort Patientinnen und Patienten an Infektionen, deren Erreger resistent gegen Antibiotika sind. Über diese sog. Krankenhauskeime spricht Professorin Dr. Petra Gastmeier, im Interview.
Frau Professorin Gastmeier, immer wieder erkranken Patientinnen und Patienten im Krankenhaus an einer Infektion. Wie häufig passiert das?
Petra Gastmeier: Aus Studien wissen wir, dass statistisch 3,5 von 100 Patientinnen und Patienten an einem beliebigen Tag im Krankenhaus eine im Krankenhaus erworbene Infektion haben. Pro Jahr erkranken in Deutschland schätzungsweise 500.000 Menschen an nosokomialen Infektionen.
Wo nisten diese Krankenhauskeime eigentlich?
Nosokomiale Infektionserreger gehören zur normalen Darmflora des Menschen, sitzen auf der Haut oder den Schleimhäuten. Sie machen erst dann krank, wenn sie in Organe wie Harnblase, Lunge oder Blutkreislauf eindringen, in denen diese Keime normalerweise nicht vorkommen.
Wie steckt man sich im Krankenhaus an?
Meist sind es Kontaktinfektionen. Die Erreger befinden sich an Händen der Behandelnden oder an Gegenständen. Wenn Ärzte oder das Pflegepersonal diese Geräte bedienen oder die Patienten behandeln und die Hände nicht ausreichend desinfiziert wurden, können die Erreger übertragen werden. Außerdem dringen die Erreger in den Körper der Patienten ein, wenn natürliche Barrieren wie die Haut durchstoßen werden – zum Beispiel wenn der Arzt einen Katheter in eine große Halsvene schiebt. Eine weitere Eintrittspforte für Erreger sind Urinkatheter. Mit dem Hochschieben des Katheters gelangen körpereigene Keime von der Schleimhaut in die Harnblase und können dort eine Harnwegsinfektion verursachen.
Eine weitere Möglichkeit für Erreger, in den Körper einzudringen, ist die Beatmung über einen Tubus, der in die Luftröhre geschoben wird. Dabei können Erreger wie Staphylococcus aureus aus dem Nasen- Rachen-Raum in die unteren Atemwege wandern und dort zu einer Lungenentzündung führen. Bestimmte Eingriffe erhöhen das Risiko – zum Beispiel wenn Chirurgen bei einer Operation einen großen Schnitt machen oder Organe mit natürlich vorkommenden Erregern wie den Darm öffnen müssen.
Welche Patientinnen und Patienten sind besonders gefährdet, in der Klinik eine Infektion zu bekommen?
Eigentlich schwächt jede Krankheit das Immunsystem. Besonders gefährdet sind Menschen nach einer Organtransplantation oder nach einer Knochenmarktransplantation. Sie müssen Medikamente nehmen, die das Immunsystem dämpfen. Das schützt vor einer Abstoßung der verpflanzten Organe, erhöht aber das Risiko einer Infektion. Auch eine Cortison-Therapie hemmt die Abwehrbereitschaft.
Bestimmte Staphylokokken sind gegen die meisten bekannten Antibiotika resistent – wie der methicillinresistente Staphylococcus aureus MRSA. Was können Ärzte gegen multiresistente Keime tun?
Die wichtigste Präventionsmaßnahme ist die hygienische Händedesinfektion, die die Übertragung von multiresistenten Erregern von einem zum anderen Patienten verhindert. Finden Ärzte einen MRSA-Erreger bei einer klinischen Untersuchung eines Patienten, ist das wie bei einem Eisberg. Man sieht nur die Spitze. Sehr wahrscheinlich tragen noch andere Patienten den Keim unentdeckt in sich – die dann aber nicht entsprechend behandelt und isoliert werden. Deshalb sollten alle Risikopatienten bereits bei der Aufnahme in ein Krankenhaus auf multiresistente Erreger untersucht werden. Hierzu zählen Patienten, die vorher schon im Krankenhaus waren, oder chronisch Kranke wie Diabetiker und Menschen mit offenen Wunden.
Woher stammen die multiresistenten Erreger?
Die meisten Patienten sind schon vorher medizinisch behandelt worden und bringen den Keim mit in die Klinik. Menschen, die lange Zeit gesund waren und dann in ein Krankenhaus müssen, tragen solche Erreger nur selten in sich.
Werden die resistenten Keime geradezu gezüchtet, weil in der Medizin zu viele Antibiotika eingesetzt werden?
Das kann man so pauschal nicht sagen. Trotzdem macht es natürlich Sinn, unnötige Antibiotikaanwendungen zu verhindern. Denn die Medikamente töten nur Bakterien, die nicht resistent sind. Keime, die gegen das eingesetzte Antibiotikum resistent sind, können sich hingegen ungestört und ohne Konkurrenz anderer Bakterien vermehren. So droht dem Patienten eine Infektion mit den multiresistenten Erregern. Abseits der Humanmedizin wird beispielsweise diskutiert, ob auch der Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung zur Verbreitung der resistenten Bakterien beiträgt.
Wie viele Infektionen im Krankenhaus ließen sich beispielsweise durch verstärkte Hygienemaßnahmen verhindern?
Ich schätze 30 Prozent. Das betrifft die Infektionen, die durch Übertragung der Erreger von einem Patienten zum anderen zustande kommen. Die endogen bedingten Infektionen, die von der körpereigenen Bakterienflora ausgehen, lassen sich kaum vermeiden.
Vielen Dank für das Gespräch!
Ansprechpartnerin:
Prof. Dr. Petra Gastmeier
Charité – Universitätsmedizin Berlin
Institut für Hygiene und Umweltmedizin
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