Die Forschenden des Projektes GI-SARS-2 untersuchen, ob das neuartige Coronavirus auch Darmzellen infizieren kann und inwiefern sich das auf das Fortschreiten einer COVID-19-Erkrankung auswirkt.
Etwa fünf bis zehn Prozent der Menschen, die sich mit SARS-CoV-2 infiziert haben, leiden unter Durchfall. Zudem lässt sich das Virus bei jeder zweiten positiv getesteten Person auch in Stuhlproben nachweisen. Über die Ursachen, Ausbreitung und Folgen einer Infektion des Darms ist allerdings bislang wenig bekannt. „Wir wissen weder wie das Virus in den Darm gelangt noch kennen wir die damit einhergehenden Auswirkungen auf das Krankheitsgeschehen. Das Wissen darüber könnte uns helfen, die Ausbreitung des Virus einzudämmen und erkrankte Patientinnen und Patienten erfolgreicher zu behandeln“, erläutert Dr. Steeve Boulant, Virologe der Medizinischen Fakultät der Universität Heidelberg. Gemeinsam mit der Gastroenterologin Professorin Uta Merle (Universität Heidelberg) und dem Bioinformatiker Dr. Theodore Alexandrov (Europäisches Laboratorium für Molekularbiologie, EMBL), untersucht Boulant daher, wie das Virus die Darmzellen infiziert, sich in ihnen vermehrt und anschließend wieder ausgeschieden wird.
Eine zentrale Frage hierbei ist zunächst die nach dem Infektionsweg: Breitet sich das Virus über die Atemwege in den Darm aus? Oder infizieren sich Personen ein zweites Mal, nachdem das Virus die Lunge schon befallen hat? Und ist eine direkte Ansteckung über kontaminierten Stuhl möglich? Um diese Fragen beantworten zu können, entwickeln die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unter anderem ein standardisiertes Protokoll, um SARS-CoV-2 aus Stuhlproben infizierter Personen zu isolieren und auf mögliche Ansteckungsgefahr zu untersuchen.
Ein zweiter wichtiger Aspekt ihrer Arbeit ist das Krankheitsgeschehen im Darm selbst. Löst das Virus hier – wie auch in der Lunge – eine starke Entzündungsreaktion aus, so könnte diese das Fortschreiten einer COVID-19-Erkrankung beschleunigen, beispielsweise über die Freisetzung bestimmter Botenstoffe, sogenannter Zytokine. Von diesen wird angenommen, dass sie bei Menschen, die schwer an COVID-19 erkrankt sind, das Entzündungsgeschehen in der Lunge verstärken. „Sollte sich bestätigen, dass im Verlauf der Erkrankungen Entzündungen auch im Darm auftreten und diese wiederum den Krankheitsverlauf in der Lunge verschlimmern, so ist das eine wichtige Erkenntnis“, so Boulant. Denn dann könne es sinnvoll sein, das Infektionsgeschehen auch im Darm medikamentös zu bekämpfen, um die Lunge der Betroffenen zu schützen.
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung öffnete zu Beginn der SARS-CoV-2 Pandemie das Rapid Response Modul der „Richtlinie zur Förderung eines Nationalen Forschungsnetzes zoonotische Infektionskrankheiten“ für einen Förderaufruf zur Erforschung von COVID-19. Ab dem 3. März 2020 konnten Forschende Anträge stellen, um zum Verständnis des Virus und dessen Ausbreitung beizutragen sowie um therapeutische und diagnostische Ansätze gegen COVID-19 zu entwickeln.