Schizophrenie: Wissenschaftler enträtseln Muster im Gehirn - Mit Neuroimaging erstmals zuverlässige Früherkennung möglich

Denkstörungen, Wahnvorstellungen und Halluzinationen - unter diesen und anderen schwerwiegenden Symptomen leiden viele Patienten mit einer schizophrenen Psychose. Meist erhalten Betroffene im Schnitt erst nach drei bis fünf Jahren die richtige Diagnose. Aber je früher eine Schizophrenie erkannt wird, desto besser kann sie behandelt werden. Einer vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unterstützten Forschergruppe ist es nun erstmals gelungen, die Krankheit bereits im Frühstadium mithilfe bildgebender Verfahren im Gehirn zu erkennen und zu diagnostizieren – mit bis zu 90-prozentiger Sicherheit.

Vom Maler Vincent van Gogh wird es gemutmaßt, und vom Mathematiker John Forbes Nash, dessen Leben im Film „A Beautiful Mind“ mit Russell Crowe verfilmt wurde, weiß man es: Sie litten unter einer schizophrenen Psychose, auch Schizophrenie genannt. Diese Krankheit trifft ein Prozent der Bevölkerung und ist damit die dritthäufigste psychische Erkrankung weltweit. Betroffene hören oftmals Stimmen oder leiden unter Wahnvorstellungen, sie reagieren und handeln während einer schizophrenen Episode unkalkulierbar und unkontrolliert.


Die Schizophrenie ist eine schwere Erkrankung der Psyche, die für die Betroffenen, aber auch für ihre Angehörigen, eine massive Belastung darstellt und unbehandelt sogar zum Selbstmord des Patienten führen kann. Wird eine Schizophrenie frühzeitig diagnostiziert, verbessern sich die Behandlungsmöglichkeiten und damit der klinische Verlauf deutlich. Die ersten Symptome einer schizophrenen Psychose sind jedoch meist sehr unspezifisch, weshalb die Krankheit in der Regel häufig erst mehrere Jahre nach Erkrankungsausbruch erkannt wird.

Nun ist es Forschern erstmals gelungen, bereits Vorstadien einer Schizophrenie zu diagnostizieren und so einen Ausbruch der Krankheit mit bis zu 90-prozentiger Sicherheit vorherzusagen. Ein internationales Forscherteam aus Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Friedrich-Schiller-Universität Jena, der Ludwig-Maximilians-Universität München und der University of Pennsylvania (USA) konnte mithilfe der Magnet-Resonanz-Tomographie (MRT) bereits im Frühstadium der Erkrankung Muster im Gehirn sichtbar machen, die nur bei Schizophrenie-Patienten auftreten. Das wissenschaftliche Projekt stammt aus dem Bereich Neuroimaging. Das Neuroimaging ist ein noch junges Forschungsfeld, bei dem Krankheiten durch die Betrachtung von Hirnstrukturen und Hirnaktivitäten analysiert werden.

Früh therapiert verbessert sich die Prognose
Prof. Dr. Christian Gaser, Leiter des internationalen Forscherteams und der vom BMBF geförderten Nachwuchsgruppe Neuroimaging an der Klinik für Psychiatrie der Friedrich-Schiller-Universität in Jena, erläutert die Reichweite der Ergebnisse: „Durch den Blick in das Gehirn des Patienten können wir bereits im Frühstadium Muster erkennen, die auf eine Schizophrenie hindeuten. Damit wird eine Behandlung bereits möglich, bevor die Erkrankung ausbricht. So kann der Arzt den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen.“ Ein späterer Ausbruch der Schizophrenie, der mit Wahnerleben, Halluzinationen und Denkstörungen einhergeht, könne durch eine frühzeitige Therapie verhindert oder zumindest abgemildert werden.

Computerprogramm erkennt Muster im Gehirn
Wie haben die Neurowissenschaftler die Muster im Gehirn, die auf das Frühstadium einer Schizophrenie hindeuten, identifiziert? Hierfür schauten sie sich MRT-Bilder der Gehirne von Testpersonen an, die ein hohes Risiko haben, an einer Schizophrenie zu erkranken. Diese Bilder wurden anschließend mit den Gehirnstrukturen gesunder Kontrollpersonen verglichen. „Dabei haben wir Muster entdeckt, die bei den Hochrisiko-Patienten immer wieder auftraten und bei den Kontrollpersonen nicht. Mit unserem Ansatz können wir im MRT also Unterschiede in der Anatomie der Gehirne der verschiedenen Probandengruppen abbilden“, erklärt der Experte Prof. Dr. Gaser. Aus diesen Abweichungen in der Hirnstruktur haben die Wissenschaftler abgeleitet, dass es sich um krankheitsspezifische Muster handeln muss.

Für den Vergleich der MRT-Bilder nutzten die Forscher ein Mustererkennungsverfahren, das aus dem Forschungsfeld der Computational Neuroscience stammt. Dabei analysierte ein Computerprogramm die Hirnscans von gesunden und Hochrisiko-Probanden auf Unterscheidungsmerkmale und leitete daraus Gesetzmäßigkeiten ab. So konnten die Forscher mithilfe eines Hirnscans und der anschließenden Computeranalyse einen späteren Ausbruch der Krankheit mit bis zu 90-prozentiger Sicherheit vorhersagen.

Die Zukunft der Methode: Diagnose von Morbus Alzheimer
„Sollten sich die jetzt gewonnen Erkenntnisse in weiteren Studien bestätigen“, erläutert Prof. Dr. Gaser, „würde dem Arzt ein wichtiges Mittel an die Hand gegeben, um den Verdacht auf eine beginnende Schizophrenie-Erkrankung zu erhärten. Er könnte frühzeitig mit der Therapie beginnen.“ Auch für die Untersuchung anderer Erkrankungen des Gehirns ist diese neue Methode eine vielversprechende Option. So könnten in Zukunft Mustererkennungsverfahren etabliert werden, die helfen, Veränderungen im Gehirn von Patienten mit einer Vorstufe zur Alzheimer-Demenz zu erkennen. Denn auch Patienten mit einer Alzheimer-Demenz haben bei einer frühzeitigen Diagnose und Behandlung eine deutlich bessere Prognose. Eine Studie zur Etablierung der Methodik an Alzheimer-Patienten ist bereits geplant.

Schizophrenie: Symptome und Verlauf

Der Begriff Schizophrenie geht auf das altgriechische Wort schizein („abspalten“) zurück und wurde erstmals zu Beginn des letzten Jahrhunderts für das Krankheitsbild verwendet. Experten gehen davon aus, dass der Begriff selbst für die meisten Vorurteile in Zusammenhang mit der Krankheit verantwortlich ist. Die gängige Annahme, schizophrene Menschen hätten eine „gespaltene Persönlichkeit“, ist falsch. Vielmehr leiden Betroffene an einer Spaltung ihrer psychischen Leistung: Einige Fähigkeiten, wie das Gedächtnis, bleiben erhalten, andere hingegen werden stark beeinträchtigt. Das kann zu psychischen Denkstörungen, einer Beeinträchtigung der motorischen Fähigkeiten und in vielen Fällen zu starken Wahnvorstellungen und Halluzinationen führen. Oftmals hören Erkrankte Stimmen, fühlen sich verfolgt oder können Realität und Wahnvorstellungen nicht mehr voneinander unterscheiden.

Die Krankheit, an der in Deutschland etwa 800.000 Menschen leiden, tritt in der Regel zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr auf und trifft Männer und Frauen etwa gleich häufig. Meist bricht sie schubweise aus, wobei ein Schub mehrere Wochen bis Monate dauern kann. Bei ca. 30 Prozent der Betroffenen kann die schizophrene Psychose in einen chronischen Zustand übergehen, der bis heute schwer therapierbar ist. Neben den Symptomen der Krankheit leiden Betroffene zudem unter gesellschaftlicher Stigmatisierung und Vorurteilen, die häufig zu sozialer Isolation führen.

Ansprechpartner:
Prof. Dr. Christian Gaser
Zentrum für Neuroimaging
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Friedrich-Schiller-Universität Jahnstraße 3
07743 Jena
Tel.: 03641 934-752
Fax: 03641 934-755
E-Mail: christian.gaser@uni-jena.de