April 2016

| Newsletter 78

Schnelle Identifikation gefährlicher Keime

Ein Würzburger Forschungsteam konnte erstmals zeigen, welche Gene im Verlauf einer Salmonellen-Infektion im Erreger und in der Wirtszelle aktiv sind. Ihre Erkenntnisse liefern ganz neue Ansätze im Kampf gegen gefährliche Keime.

Grün eingefärbte Salmonellen dringen in die rotblau gefärbten menschlichen Zellen ein.

Grün eingefärbte Salmonellen dringen in die rotblau gefärbten menschlichen Zellen ein.

Alexander Westermann, Institut für Molekulare Infektionsbiologie (IMIB) der Universität Würzburg

Mayonnaise, Speiseeis, Mettbrötchen – auf diesen und vielen weiteren Lebensmitteln können Salmonellen-Erreger lauern. Sie können eine Durchfallerkrankung auslösen, die in der Regel nach wenigen Tagen überstanden ist. Bei einem schweren Verlauf kann es jedoch zu einem lebensgefährlichen Befall innerer Organe kommen. Das Forschungsteam um Professor Jörg Vogel von der Universität Würzburg untersucht, was in den ersten Stunden nach einer Salmonellen-Infektion passiert. Wie der Befall einer menschlichen Zelle durch die Bakterien abläuft, war bisher im Detail unbekannt. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler können mit ihrer neuartigen Methode erstmals zeigen, welche Gene im Verlauf einer Infektion im Erreger und in der Wirtszelle aktiv werden.

Das Forschungsteam hat dafür die komplette RNA des Bakteriums und des Wirts zusammen isoliert und ausgelesen. Die RNA ist in der Zelle für die Umsetzung der genetischen Informationen, aber auch für das Feintuning der Genaktivität zuständig. Mit ihrer Methode konnten die Forscherinnen und Forscher im Detail beobachten, welche der rund 5.000 Gene der Salmonellen-Erreger zu verschiedenen Phasen der Infektion an- oder abgeschaltet sind. Gleichzeitig konnten sie nachweisen, wie die Gene der Wirtszelle auf den Eindringling reagieren. Die Ergebnisse ihrer Forschung haben sie im Januar in der renommierten Fachzeitschrift „Nature“ veröffentlicht.

Bei ihrer Untersuchung haben die Forscherinnen und Forscher zunächst festgestellt, dass die Bakterien während der Infektion verstärkt ein kleines RNA-Molekül herstellen. Nun lag es nahe zu ermitteln, welche Rolle dieses Molekül beim Befall des Wirts spielt. Dem Forschungsteam ist es gelungen, die Produktion des Moleküls im Erreger gezielt abzuschalten. So konnten Sie beobachten, inwieweit die Aktivität des Moleküls den Verlauf der Infektion beeinflusst.

RNA-Molekül als Taktgeber der Infektion

Auch in Speiseeis können Salmonellen-Erreger lauern. Durchfallerkrankungen durch diese Bakterien sind in der Regel in wenigen Tagen überstanden. In einigen Fällen kann eine solche Infektion aber auch zu schweren Komplikationen führen.

Auch in Speiseeis können Salmonellen-Erreger lauern. Durchfallerkrankungen durch diese Bakterien sind in der Regel in wenigen Tagen überstanden. In einigen Fällen kann eine solche Infektion aber auch zu schweren Komplikationen führen.

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„Das Ergebnis war überraschend. Dieses Molekül beeinflusst offensichtlich eine ganze Reihe von Genen in den Salmonellen. Sie entscheiden darüber wie aggressiv sich die Bakterien bei der Infektion durchsetzen können“, berichtet Jörg Vogel. Das RNA-Molekül ist dabei der Taktgeber der Infektion. Diese verläuft in zwei Phasen. In der ersten Phase dringen die Bakterien in die Wirtzelle ein. Die Salmonellen produzieren hierfür spezielle Proteine, die wie ein Türöffner funktionieren. Diese Proteine bergen für die Bakterien allerdings auch die Gefahr, vom Immunsystem des Menschen entdeckt zu werden. Sobald die Bakterien in die Zelle gelangt sind, wird die Produktion der Türöffner daher abgeschaltet.

Nun beginnt die zweite Phase: Die Bakterien vermehren sich jetzt in der Wirtszelle. „Für eine erfolgreiche Infektion muss der Übergang zwischen diesen beiden Phasen genau zum richtigen Zeitpunkt stattfinden“, sagt Vogel. Ist das RNA-Molekül als Taktgeber wie im Versuch der Forschungsgruppe abgeschaltet, gerät diese fein orchestrierte Abstimmung durcheinander. Der Angriff der Bakterien kann nun vom menschlichen Körper besser abgewehrt werden.

Forscher hoffen auf Durchbruch in der Diagnostik

„Diese Erkenntnis liefert völlig neue Angriffspunkte für Therapien von Infektionen“, erklärt Vogel. So wäre etwa die Entwicklung von Wirkstoffen denkbar, die die Funktion des RNA-Moleküls behindern und damit die Infektion eindämmen. Neuartige Wirkstoffe werden angesichts der sich ausbreitenden Antibiotikaresistenzen immer dringender nötig.

Neben der potenziellen Entwicklung von Medikamenten könnte die neue Methode der Würzburger Forscherinnen und Forscher auch einen Durchbruch in der Diagnostik bringen. „Die Methode ist für jeden bakteriellen Krankheitserreger einsetzbar und vor allem deutlich schneller als alle bisherigen Verfahren“, sagt Vogel. In Zukunft könnten die Ärztinnen und Ärzte in Echtzeit am Krankenbett feststellen, welcher Keim den Patienten befallen hat und in welchem Aktivitätszustand er sich befindet. „Unsere Diagnosemethode könnte künftig innerhalb von Minuten funktionieren“, sagt Vogel. „Bei schweren Infektionen, wie etwa einer Blutvergiftung, hat man keine Zeit zu verlieren, da muss man so schnell wie möglich das zum Erreger passende Antibiotikum verabreichen. Die Überlebenschancen werden durch eine schnelle Identifikation enorm gesteigert.“

BMBF-Fördermaßnahme e:Bio – Innovationswettbewerb Systembiologie

In der Systembiologie entschlüsseln die Forscherinnen und Forscher komplexe biologische Vorgänge durch eine Kombination von Experimenten und mathematischen Modellen. Dafür arbeiten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus verschiedener Fachrichtungen wie Biologie, Medizin, Physik und Mathematik zusammen. Im Innovationswettbewerb wird ein breites Spektrum von Themen gefördert: von der Gesundheitsforschung über Welternährung bis hin zur Energieversorgung. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Weiterentwicklung der Ergebnisse aus der Grundlagenforschung für die Anwendung. Darüber hinaus stärkt die Fördermaßnahme den wissenschaftlichen Nachwuchs durch eine gezielte Förderung von jungen Systembiologen.

Ansprechpartner:
Prof. Dr. Jörg Vogel
Institut für Molekulare Infektionsbiologie
der Universität Würzburg
Josef-Schneider-Straße 2/Bau D15
97080 Würzburg
0931 31-82576
0931 31-82578
joerg.vogel@uni-wuerzburg.de
www.imib-wuerzburg.de