Stillen ist gesund – nicht nur fürs Baby, sondern offenbar auch für die Mutter: Denn Stillen schützt Mütter mit Schwangerschaftsdiabetes langfristig davor, an Typ-2-Diabetes zu erkranken. Der Grund: Der Stillprozess beeinflusst offenbar auch Jahre nach der Entbindung den mütterlichen Stoffwechsel positiv. (Newsletter 64 / Oktober 2013)
„Sie haben Schwangerschaftsdiabetes!“ – diese Diagnose trifft werdende Mütter oftmals unerwartet. Denn in der Regel verursacht ein Gestationsdiabetes keine Beschwerden. Gestationsdiabetes ist eine auf die Schwangerschaft begrenzte Störung der Blutzuckerverarbeitung, die in Deutschland bei etwa vier Prozent aller Schwangerschaften auftritt und durch einen Glukosebelastungstest festgestellt wird. „Bei Gestationsdiabetes kann es nicht nur zu Komplikationen während der Schwangerschaft und Geburt kommen“, sagt Professorin Dr. Anette-Gabriele Ziegler, Sprecherin des Kompetenznetzes Diabetes mellitus. Gestationsdiabetes tritt bei etwa vier Prozent aller Schwangerschaften auf.„Zusätzlich erhöht Gestationsdiabetes das Risiko der Mütter, einige Zeit nach der Entbindung an Typ- 2-Diabetes zu erkranken.“ Und zwar erheblich: Jede zweite Gestationsdiabetikerin entwickelt innerhalb von 10 Jahren nach der Entbindung einen Typ-2-Diabetes – auch wenn sich ihr Blutzuckerspiegel nach der Schwangerschaft zunächst wieder normalisiert hat. Das hat eine Studie des Kompetenznetzes Diabetes mellitus ergeben, die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unterstützt wurde.
In der prospektiven Langzeitstudie wurden mehr als 800 Frauen mit Gestationsdiabetes über einen Zeitraum von bis zu 19 Jahren nach der Entbindung beobachtet und untersucht.
Das größte Risiko für Typ-2-Diabetes haben Frauen, die während der Schwangerschaft mit Insulin behandelt werden mussten, weil ihr erhöhter Blutzucker durch Umstellen der Ernährungs- und Bewegungsgewohnheiten nicht ausreichend gesenkt werden konnte: Fast zwei Drittel der Betroffenen entwickelten innerhalb von drei Jahren nach der Entbindung einen Typ-2-Diabetes – innerhalb von 15 Jahren sogar mehr als 90 Prozent. „Auch übergewichtige Frauen sind besonders gefährdet“, so Ziegler.
Doch dieses Risiko lässt sich erheblich senken – durch Stillen. „Tritt ein Schwangerschaftsdiabetes auf, haben Mütter, die ihre Kinder stillen, später ein deutlich geringeres Risiko, an Typ-2-Diabetes zu erkranken“, beschreibt Ziegler. „Unsere Studie hat ergeben, dass Stillen tatsächlich das langfristige Diabetes-Risiko um mehr als 40 Prozent senkt! In Jahre umgerechnet heißt das, dass die Studienteilnehmerinnen allein durch das Stillen die Entwicklung eines Typ- 2-Diabetes um durchschnittlich 10 Jahre verzögern konnten.“
Je länger, desto besser
Stillen ist für Mutter und Baby gesund.Dabei ist die Dauer des Stillens entscheidend: Der schützende Effekt ist besonders bei denjenigen Frauen ausgeprägt, die ihre Kinder länger als drei Monate gestillt haben. „Bekannt war bislang, dass Stillen kurzzeitige positive Effekte auf den Stoffwechsel der Mutter hat“, beschreibt die Expertin. „Neu ist jedoch die Erkenntnis, dass Stillen auch langfristig einem Typ-2-Diabetes der Mutter vorbeugt. Dies gilt jedoch ausschließlich für Gestationsdiabetikerinnen, bei denen keine mit Typ-1-Diabetes assoziierten Autoantikörper nachgewiesen werden konnten.“
Das Fazit der Wissenschaftlerin: „Besonders übergewichtige Frauen mit Gestationsdiabetes, die bereits durch ihr erhöhtes Körpergewicht ein größeres Diabetes-Risiko haben, sollten ihrem Kind mindestens drei Monate die Brust geben.“ Da bei diabetischen Schwangerschaften Mutter und Kind aufgrund von Komplikationen allerdings häufiger nach der Geburt getrennt sind und somit die Initiierung des Stillvorgangs erschwert ist, plädiert Ziegler: „Frauen mit Schwangerschaftsdiabetes sollten mehr Unterstützung erhalten, um ihren Stillprozess in Gang zu bringen und aufrechtzuerhalten.“ Ziel des Kompetenznetzes ist es nun herauszufinden, welche Mechanismen für den schützenden Langzeiteffekt des Stillens verantwortlich sind.
PINGUIN-Studie sucht noch Teilnehmerinnen
Frauen, bei denen vor bis zu neun Monaten ein insulinpflichtiger Schwangerschaftsdiabetes festgestellt wurde, haben noch die Gelegenheit, an einer neuen vorbeugenden Studie teilzunehmen, der PINGUIN-Studie. In dieser Studie soll durch Ernährungs- und Bewegungstherapie sowie durch die Einnahme des Wirkstoffs Vildagliptin die Entstehung von Typ-2-Diabetes verhindert werden. Der Wirkstoff ist für die Behandlung von Typ-2-Diabetes etabliert.
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Ansprechpartnerin:
Prof. Dr. Anette-Gabriele Ziegler
Helmholtz Zentrum München
Institut für Diabetesforschung und Lehrstuhl Diabetes und Gestationsdiabetes
Klinikum rechts der Isar
Technische Universität München
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