Solidarisches Handeln ist in der Corona-Pandemie von jedem Einzelnen und der Gesellschaft gefordert – und doch gibt es Dispute und öffentlichen Protest. Im Forschungsprojekt SAFE-19 wird das Thema aus sozialwissenschaftlicher Perspektive analysiert.
In Corona-Zeiten zeigen sich Einzelne und die Gesellschaft von vielen guten Seiten; „Solidarität“ ist zu einem Schlüsselbegriff geworden, solidarisches Handeln gilt als unverzichtbar zur Überwindung der aktuellen Pandemie. Wie die Zustimmungsraten zu den Maßnahmen belegen, die der Eindämmung der hohen Infektionszahlen dienen sollen, ist die Bereitschaft zur Solidarität in der Bevölkerung vorhanden. Viele Menschen stellen ihre eigenen Interessen und persönlichen Freiheiten zugunsten gesellschaftlicher Erfordernisse zurück. Proteste und Demonstrationen gegen die erlassenen Schutzmaßnahmen zeigen aber auch: Es besteht ein emotional aufgeladenes Spannungsfeld zwischen der Bereitschaft zum persönlichen Verzicht und dem Gebot zur gesellschaftlichen Rücksichtnahme.
Forschende des GESIS – Leibniz-Instituts für Sozialwissenschaften in Köln und der Universität Hildesheim beleuchten dieses Spannungsfeld im Projekt SAFE-19, das seit Juli 2020 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wird. Um die Abwägung zwischen Eigeninteresse und Gemeinwohlorientierung sozialwissenschaftlich nachzeichnen zu können, haben Prof. Alexia Katsanidou, Prof. Marianne Kneuer und Prof. Stefan Dietze zwei zentrale Forschungsfragen formuliert:
Mit verschiedenen Methoden werden bei SAFE-19 politische Diskurse analog und digital (Twitter) analysiert, Reden von politischen Akteuren untersucht und Umfragen sowie soziale Medien und computerbasierte Berechnungen ausgewertet. Im Rahmen einer Panelstudie und in drei Befragungswellen werden etwa 1.500 Bürgerinnen und Bürger im Laufe der Pandemie zu ihren Einstellungen befragt. Das längsschnittliche Forschungsdesign erlaubt zudem die Erfassung von Änderungen im Verlauf der unterschiedlichen Pandemiephasen. Die Ergebnisse ihrer Analysen werden den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zufolge für Forschung und Politik gleichermaßen relevant sein, um solidarisches Verhalten in ähnlichen Krisen zu fördern. Konkret werden Erkenntnisse dazu erwartet, welche unmittelbaren Auswirkungen Solidaritätsappelle der Politik haben und wie sich Unterschiede im Verhalten und in den Einstellungen der Einzelnen erklären lassen. Geklärt werden soll zudem, welche Faktoren die Entscheidung für solidarisches Handeln beeinflussen und wie die Bereitschaft zur Solidarität gestärkt werden kann.
Der Wissenschaft sollen Erkenntnisse dazu über Publikationen und Konferenzbeiträge zugänglich gemacht werden; zudem stellt das GESIS-Datenarchiv der Wissenschaft alle erhobenen Daten zur Verfügung. Relevante Ergebnisse für Politik und Medien wollen die Forschenden darüber hinaus in Policy Briefs aufbereiten und so Fragen zum Thema Solidarität in COVID-19-Zeiten gezielt beantworten.
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung öffnete zu Beginn der SARS-CoV-2 Pandemie das Rapid Response Modul der „Richtlinie zur Förderung eines Nationalen Forschungsnetzes zoonotische Infektionskrankheiten“ für einen Förderaufruf zur Erforschung von COVID-19. Ab dem 3. März 2020 konnten Forschende Anträge stellen, um zum Verständnis des Virus und dessen Ausbreitung beizutragen sowie um therapeutische und diagnostische Ansätze gegen COVID-19 zu entwickeln und um ethische, rechtliche und sozio-ökonomische Implikationen (ELSA) im Zusammenhang mit der Pandemie zu erforschen.