Menschen mit einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung, kurz COPD, können den Krankheitsverlauf durch regelmäßige Bewegung und Sport positiv beeinflussen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Langzeitstudie des Deutschen Zentrums für Lungenforschung (DZL).
Die COPD zählt zu den häufigsten Krankheiten weltweit. Die Zahl an Neuerkrankten steigt kontinuierlich. Allein in Deutschland leiden drei bis fünf Millionen Menschen an der Volkskrankheit COPD. Zehn bis zwölf Prozent der deutschen Erwachsenen im Alter über 40 Jahre sind Schätzungen zufolge davon betroffen. Zu den Symptomen zählen lang anhaltender Husten mit zähem Schleim sowie Kurzatmigkeit. Darüber hinaus kann es zu einem Engegefühl im Brustraum und Geräuschen beim Ausatmen (wie z. B. Brummen oder Pfeifen) kommen. Hauptursache der Erkrankung ist Tabakrauchen: Etwa 90 Prozent der COPD-Patientinnen und -Patienten rauchen oder haben ehemals geraucht. Es erkranken jedoch auch Personen, die nie geraucht haben, denn Luftverschmutzung, Atemwegsinfektionen und genetische Veranlagung stellen weitere Risikofaktoren dar. Im Krankheitsverlauf der COPD macht sich die charakteristische Atemnot zunächst bei körperlichen Anstrengungen bemerkbar, im fortgeschrittenen Stadium leiden Betroffene jedoch bereits im Ruhezustand unter Kurzatmigkeit. „Die meisten Patientinnen und Patienten neigen deshalb dazu, sich körperlich zu schonen. Dies jedoch kann den Krankheitsverlauf dramatisch beschleunigen“, so Privatdozent Dr. Henrik Watz, Geschäftsführer des Pneumologischen Forschungsinstituts an der LungenClinic Grosshansdorf.
Körperliche Aktivität beeinflusst COPD-Verlauf
Während früher in der Therapie galt, dass sich Lungenkranke schonen müssen, zeigen neuere Studien, dass gerade Bewegung wichtig ist und sich positiv auf die Lungengesundheit auswirkt. Physische Inaktivität hingegen führt zur Verschlechterung des Krankheitsverlaufs. Je weniger sich COPD-Patientinnen und -Patienten körperlich im Alltag betätigen, desto schneller baut sich die Muskulatur ab. Lungenerkrankte sind jedoch auf die Muskeln, insbesondere auf die Atemhilfsmuskulatur, angewiesen. Die Schonhaltung führt dazu, dass sich die körperliche Belastbarkeit stark reduziert. Zu diesem Ergebnis kommt eine Langzeitstudie von DZL-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftlern an 200 COPD-Erkrankten. Die Studie befasst sich mit dem Zusammenhang zwischen körperlicher Aktivität und bedeutsamen Krankheitsfaktoren der COPD im zeitlichen Verlauf. Während sich frühere Analysen lediglich auf einen Untersuchungszeitpunkt beschränkten, haben Dr. Benjamin Waschki, Pneumologe an der LungenClinic Grosshansdorf, und seine Kolleginnen und Kollegen die Betroffenen über einen Zeitraum von drei Jahren beobachtet. Diese trugen eine Woche lang einen Bewegungsmesser (Accelerometer), der ihre körperliche Aktivität und ihren Kalorienverbrauch im häuslichen Alltag aufzeichnete. Die Messung wurde nach zwei bis drei Jahren wiederholt. Die gewonnenen Resultate erlauben also eine Aussage über den Verlauf der Erkrankung. Hauptergebnis der Studie ist, dass sich die körperliche Aktivität – unabhängig vom anfänglichen Schweregrad der Erkrankung – im Verlauf einer COPD deutlich verschlechtert. „Ein typischer Betroffener legt dabei jedes Jahr ca. 400 Schritte pro Tag weniger zurück“, so Watz. Gesunde ältere Menschen verlieren etwa 200 Schritte pro Tag im Jahr. Damit ist der Verlust von körperlicher Aktivität bei COPD-Erkrankten deutlich beschleunigt. In der Untersuchung nahmen gleichzeitig auch die Lungenfunktion, der allgemeine Gesundheitszustand und die Lebensqualität der Patientinnen und Patienten ab. Ferner nahm die Muskelmasse der Betroffenen, die im Beobachtungszeitraum von drei Jahren körperlich nahezu komplett inaktiv waren, dramatisch ab. Die Muskulatur jedoch ist essenziell, wenn es um Atmung (Atemhilfsmuskulatur) und Belastbarkeit geht, denn ansonsten kommt es zu einer gegenseitigen Verstärkung und somit zu einer „Abwärtsspirale“. „Damit konnten wir erstmals die Bedeutung der Inaktivität für die klinisch immer wieder beobachtete Abwärtsspirale der Erkrankung COPD nachweisen. Die Studienergebnisse unterstreichen zudem, wie wichtig tägliche Bewegung ist, um den Krankheitsverlauf einer COPD günstig zu beeinflussen“, so Waschki. Je weniger sich die Erkrankten bewegten, desto schneller sank ihre Leistungsfähigkeit. Diese und andere Untersuchungen zeigen darüber hinaus, dass die Abnahme des Aktivitätslevels auch ein bedeutender Faktor ist, der die Sterblichkeit und die Anzahl der Krankenhauseinweisungen erheblich beeinflusst. „Die Patientinnen und Patienten fühlen sich nicht nur schlechter – Bewegungsmangel führte auch zu häufigeren Krankenhausaufenthalten und vermehrten Todesfällen“, ergänzt Watz.
Die COPD zeichnet sich durch eine fortschreitende und meist irreversible Einschränkung der Lungenfunktion aus. Die unteren Atemwege, das heißt die Bronchien und deren feine Verzweigungen (Bronchiolen), sind chronisch entzündet, was Umbauprozesse zur Folge hat. Dadurch kommt es zu einer Verengung (Obstruktion) der Atemwege, die die Atmung erschwertGrundsätzlich unterscheidet man zwei Hauptformen der COPD. Im Fall einer sogenannten emphysemdominierten COPD kommt es zu einer „Überblähung“ der Lunge. Das bedeutet, dass selbst nach dem Ausatmen noch viel Luft in der Lunge zurückbleibt, die den Einstrom frischer Luft beim folgenden Einatmen blockiert. Außerdem werden die kleinen Lungenbläschen zerstört. Dadurch werden Atmung und Gasaustausch (Aufnahme von Sauerstoff und Abatmen von Kohlendioxid) in der Lunge erheblich behindert. Die zweite Hauptform, der sogenannte atemwegsdominierte Typ, ist durch eine chronische Bronchitis, also eine Entzündung der Atemwegsschleimhaut, gekennzeichnet. Typische Symptome sind Husten und Auswurf.
Motivation zu mehr Bewegung
Vergleichsweise geringe Aktivitäten können den Verlauf der Erkrankung bereits positiv beeinflussen.Um die Abwärtsspirale bei einer COPD zu bekämpfen, sollten COPD-Erkrankte zeitnah beginnen, sich wieder mehr zu belasten bzw. schon im frühen Krankheitsstadium regelmäßig aktiv werden. Dabei können bereits kurze Bewegungs- und Sporteinheiten die Sterblichkeit von Menschen mit chronischen Lungenerkrankungen senken. „Joggen oder 150 Minuten Sport pro Woche sind mit COPD natürlich unrealistisch. Aber schon vergleichsweise geringe, dafür regelmäßige Aktivitäten bringen etwas. Möglicherweise reichen schon 15 bis 30 Minuten tägliches schnelleres Spazierengehen oder Nordic Walking aus, um den Krankheitsverlauf der Patientinnen und Patienten positiv zu beeinflussen. Die Erkrankten sind oft leistungsfähiger, als sie denken“, so Lungenexperte Watz. Untersuchungen einer taiwanesischen Arbeitsgruppe haben gezeigt, dass moderate, regelmäßige Belastungen, wie beispielsweise täglich eine Viertelstunde Spazierengehen, die Gesamtsterblichkeitsrate um 14 Prozent senken und die Lebenserwartung um durchschnittlich drei Jahre steigern kann. Auch Fitnessarmbänder, Schrittzähler oder Bewegungs-Apps sowie die regelmäßige Teilnahme an einer Lungensportgruppe können zu mehr Bewegung beitragen. Neben einem moderaten Trainingsprogramm ist jedoch auch eine professionelle Raucherentwöhnung bei der COPD-Behandlung unerlässlich. Darüber hinaus kommt der pneumologischen Rehabilitation, die ebenso eine Inhalationsschulung einschließt und zu nachhaltigen Änderungen der Lebensgewohnheiten führen soll, eine hohe Bedeutung für die Verbesserung der Lebensqualität der Betroffenen zu.
Begleiterkrankungen mit in den Blick nehmen
Die Untersuchungen zur körperlichen Aktivität von COPD-Erkrankten werden gegenwärtig in einem gemeinsamen, über mehrere Jahre laufenden Projekt zwischen dem DZL und dem COSYCONET-Netzwerk (German COPD and Systemic Consequences – Comorbidities Network) fortgeführt. Ziel ist es, Patientinnen und Patienten über einen noch längeren Zeitraum zu beobachten und Begleiterkrankungen, sogenannte Komorbiditäten, mit in den Blick zu nehmen. Letztlich ist eine COPD nämlich nicht ausschließlich eine Lungenerkrankung, sondern hat systemische Konsequenzen, z. B. für das Herz-Kreislauf-System oder – wie hier gezeigt – für die Muskelmasse.
Das im Jahr 2011 gegründete Deutsche Zentrum für Lungenforschung, kurz DZL, ist eines der sechs Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung, die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und den Ländern gefördert werden. Im DZL arbeiten exzellente Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und deren Teams aus 23 deutschlandweit führenden universitären und außeruniversitären Forschungseinrichtungen an fünf Standorten zusammen. Im Sinne der gemeinsamen Mission „Translationale Forschung zur Bekämpfung weitverbreiteter Lungenerkrankungen“ haben sie das Ziel, zügig neue Ansätze für die Prävention, Diagnose und Therapie zu entwickeln. Acht Krankheitsbereiche stehen im Fokus der Forschungsarbeiten: Asthma und Allergien, die chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD), Mukoviszidose, die Lungenentzündung und akutes Lungenversagen, die diffus-parenchymalen Lungenerkrankungen, der Lungenhochdruck, der Lungenkrebs und Lungenerkrankungen im Endstadium.
Ansprechpartner:
PD Dr. Henrik Watz
Pneumologisches Forschungsinstitut an der LungenClinic Grosshansdorf
Wöhrendamm 80
22927 Großhansdorf
04102 88811-22
04102 88811-13
h.watz@pulmoresearch.de
www.dzl.de
Dr. Benjamin Waschki
LungenClinic Grosshansdorf
Wöhrendamm 80
22927 Großhansdorf
04102 601-2414
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