Zwei Tutorinnen bei der Arbeit – hier an der Lernstation „Blick in den Körper“.Was sind Stammzellforschung und regenerative Medizin eigentlich genau? Welche Chancen, Risiken und gesellschaftlichen Herausforderungen sind damit verbunden? Mit diesen und weiteren Fragen beschäftigten sich mehr als 200 Schülerinnen und Schüler aus Hannover. Sie nahmen an einer in Deutschland bislang einzigartigen Veranstaltungsreihe teil, der „Ethik-Universität“. Zuhören, lernen, sich eine Meinung bilden und diese diskutieren – das waren die Ziele der Ethik-Uni, die von der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) mit Förderung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) veranstaltet wurde.
Regenerative Medizin – Was ist das?
Ziel der regenerativen Medizin ist, Zellen, Gewebe oder Organe, die nicht mehr funktionstüchtig sind, durch gezüchtete Gewebe oder durch körpereigene Regenerations- und Reparaturprozesse wiederherzustellen. Hierdurch erhofft man sich – neben bisherigen Erfolgen wie der Knochenmarktransplantation für Leukämiepatienten – neue Therapieansätze für ein breites Feld von Erkrankungen. Zur regenerativen Medizin zählen auch das Züchten von Gewebe- und Zellverbänden, das sogenannte „Tissue Engineering“, die Gentherapie, die auf Reparatur oder Ersatz defekter Erbinformationen zielt, und das „therapeutische Klonen“, also das Züchten genetisch identischer Organe. Das BMBF-geförderte Internetportal www.zellux.net beschreibt medizinische und ethische Aspekte der regenerativen Medizin und bietet anschauliches diskursförderndes Unterrichtsmaterial für Lehrer und Schüler der Oberstufe. |
Informieren – Interagieren – Reflektieren
Ein Blick durchs Mikroskop verrät, wie Stammzellen aussehen.Was genau ist die Ethik-Uni? Interessierte Schülerinnen und Schüler kamen an vier aufeinanderfolgenden Terminen jeweils für ein paar Stunden in die MHH. Der erste Tag stand im Zeichen der Information. Zunächst gab es Einführungsvorträge zu den Themen regenerative Medizin, Stammzellforschung und Gentherapie. Die Experten vermittelten dabei Basiswissen, informierten über aktuelle Forschungsprojekte in Hannover und erklärten den Schülern die ethische, rechtliche und soziale Dimension der Forschung. Anschließend durchliefen die Schüler in kleinen Gruppen verschiedene Lernstationen, zum Beispiel zu den Themen „Blick in den Körper“, „Zellen unter dem Mikroskop“ oder „Was sind Stammzellen?“. An den Lernstationen wurden sie von Tutoren, speziell geschulte Medizinstudierende ab dem achten Studiensemester, angeleitet.
Am zweiten, dritten und vierten Tag standen Interaktion und Reflexion im Vordergrund. Hierzu wurden die Schülerinnen und Schüler in kleine Gruppen aufgeteilt und machten mit den Tutoren beispielsweise ein Rollenspiel zum therapeutischen Klonen, ein Planspiel zur gerechten Verteilung von Forschungsgeldern oder diskutierten ihre Meinungen. „Tatsächlich konnten wir auf diese Weise den Jugendlichen den Umgang mit unterschiedlichen Positionen, Wertvorstellungen und Argumenten vermitteln und sie bei ihrer Meinungsbildung zum Thema Stammzellforschung und der Diskussion darüber unterstützen“, erklärt Professor Dr. Dr. Daniel Strech, einer der Projektleiter und Initiatoren der Ethik-Universität.
Professor Strech im Dialog mit den Schülerinnen und Schülern: Bei der Ethik-Uni
können sie sich eine Meinung bilden und diese diskutieren.
Note: gut
Wo normalerweise Studierende sitzen, nehmen bei der Ethik-Uni Schülerinnen und Schüler Platz.Die meisten Schüler waren von der Ethik-Uni begeistert: Sie gaben der Veranstaltung durchweg gute Noten. Mehr als 80 Prozent haben Interesse, noch einmal an einer Ethik-Universität zu einem anderen Thema teilzunehmen. „Vielen Schülern ist erst durch die Ethik-Uni die gesellschaftliche Dimension der regenerativen Medizin klar geworden“, sagt Projektleiterin Professorin Dr. Marie-Luise Dierks. Auch die Tutoren profitierten von der Veranstaltung. Sie konnten ihre sozialen und ethischen Kompetenzen stärken Tutoren profitierten von der Veranstaltung. Sie konnten ihre sozialen und ethischen Kompetenzen stärken und empfanden dies als persönlichen Gewinn für ihre zukünftige Rolle als Mediziner.
Zweimal wurde die Ethik-Uni mit Förderung des BMBF schon an der MHH durchgeführt. Zwei weitere Ethik-Unis sind in Planung. „Das Gute an unserem Format ist, dass es leicht auf andere Zielgruppen und andere Themen angepasst werden kann. Derzeit planen wir eine Ethik-Uni für Erwachsene zum Thema regenerative Medizin. Aber auch das Thema Ethik am Lebensende möchten wir zukünftig mit Interessierten diskutieren. Die Themen gehen uns nicht aus“, freut sich Dierks.
Die ELSAFörderung des BMBF
Kaum ein Forschungsgebiet hat in den letzten Jahrzehnten eine so rasante Entwicklung durchgemacht wie die modernen Lebenswissenschaften. Mit neuem Wissen werden zugleich Fragen über die gesellschaftlichen Auswirkungen der Entwicklungen aufgeworfen. Daraus hat sich eine eigenständige Forschungsrichtung entwickelt, die die modernen Lebenswissenschaften ergänzt – die ELSA-Forschung. Hinter dem Akronym „ELSA“ verbirgt sich ein vielseitiger Forschungszweig, der sich mit den ethischen, rechtlichen und sozialen Aspekten („Ethical Legal and Social Aspects“) der modernen Lebenswissenschaften auseinandersetzt. Ziel der ELSA-Forschung ist es, Aussagen zu Chancen und Risiken der modernen Lebenswissenschaften zu ermöglichen. Das BMBF hat die Bedeutung der ELSA-Forschung früh erkannt. Seit 1997 fördert das BMBF die ELSA-Forschung, derzeit mit rund 4,5 Millionen Euro.
Weitere Informationen zur ELSA-Förderung des BMBF finden Sie unter
www.gesundheitsforschungbmbf.de/de/5062.
Ansprechpartner/in:
Prof. Dr. Marie-Luise Dierks
Institut für Epidemiologie, Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung
Medizinische Hochschule Hannover
Carl-Neuberg-Straße 1
30625 Hannover
Tel.: 0511 532-4458
Fax: 0511 532-5347
E-Mail:
dierks.marie-luise@mh-hannover.de
Prof. Dr. Dr. Daniel Strech
Institut für Geschichte, Ethik und Philosophie der Medizin
Medizinische Hochschule Hannover
Carl-Neuberg-Straße 1
30625 Hannover
Tel.: 0511 532-2709
Fax: 0511 532-5650
E-Mail:
strech.daniel@mh-hannover.de