Mechthild Krause arbeitet im Deutschen Krebskonsortium daran, biologische Marker von Tumoren zu identifizieren. Mit deren Hilfe will die Radioonkologin die Wirksamkeit der Strahlentherapie vorhersagen und die Behandlung individuell anpassen.
Auch im Kranksein erweist sich der Mensch als höchst individuell. Das gilt besonders bei Krebs, wo die gleiche Therapie bei verschiedenen Patientinnen und Patienten ganz unterschiedlich wirken kann. Die Radioonkologin Professorin Dr. Mechthild Krause will daher die Strahlentherapie bei Kopf-Hals-Tumoren auf einzelne Patientengruppen zuschneiden. Als eine der europaweit führenden Spezialistinnen auf den Gebieten der Protonen- und Photonentherapie verfügt sie über die notwendige Expertise. Die Ärztin und Wissenschaftlerin ist Direktorin der Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie des Universitätsklinikums Dresden und zugleich Direktorin des OncoRay-Zentrums sowie des Instituts für Radioonkologie des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf. Bei ihrem ambitionierten Vorhaben hat Krause zudem die Unterstützung des Deutschen Konsortiums für Translationale Krebsforschung (DKTK), dessen Sprecherin sie am Standort Dresden ist.
Deutsches Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK)
Das Deutsche Konsortium für Translationale Krebsforschung, kurz DKTK, ist eines von sechs Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung, die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert werden. Im DKTK bündeln Forscherinnen und Forscher aus mehr als 20 universitären und außeruniversitären Einrichtungen in ganz Deutschland ihre Kräfte im Kampf gegen Krebserkrankungen. Das Deutsche Krebsforschungszentrum in Heidelberg verbindet sich als Kernzentrum mit sieben universitären Partnerstandorten im Konsortium mit einigen der stärksten Krebsforschungs- und Krebstherapiezentren in Deutschland.
Biomarker in der Strahlentherapie
Schon in früheren Untersuchungen sind Krause und ihre Mitstreiter im DKTK auf mögliche prädiktive Biomarker gestoßen. Das sind Genveränderungen, Biomoleküle oder andere Merkmale, die sich bei den Erkrankten nachweisen lassen und mit deren Hilfe die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vorhersagen können, wie gut der Tumor auf eine bestimmte Strahlentherapie ansprechen wird. Im Rahmen einer seit 2012 laufenden klinischen Studie stellen sie nun verschiedene Marker auf die Probe.
„Wir evaluieren im Rahmen der Studie gerade eine Kombination aus sieben Biomarkern, die an verschiedenen DKTK- Standorten etabliert worden sind“, erklärt Krause. „Unsere Kolleginnen und Kollegen in Essen konnten beispielsweise Marker identifizieren, die anzeigen, ob die DNA-Reparatur der Krebszellen beeinträchtigt ist.“ Wenn das der Fall ist, können die Tumorzellen strahlenbedingte Schäden in ihrem Erbgut schlechter reparieren und sind dadurch anfälliger für diese Art der Therapie. Ist die DNA-Reparatur hingegen intakt, sind die Krebszellen resistenter gegen die Bestrahlung. Die Studie soll nun zeigen, in welchen Fällen es trotz der zu erwartenden Nebenwirkungen ratsam ist, die Krebszellen mit einer zusätzlichen Dosis zu bestrahlen, oder ob weitere Optionen für die Behandlung zur Verfügung stehen.
So viel wie nötig, so wenig wie möglich
Bei Kopf-Hals-Tumoren können Biomarker zudem helfen abzuschätzen, ob auch eine niedrigere Strahlendosis ausreichend wirksam ist. Ein besonders geeigneter Marker scheint eine für den Tumor ursächliche Infektion mit Humanen Papillomviren (HPV) zu sein. „Unsere Daten haben gezeigt, dass durch HPV hervorgerufene Kopf-Hals-Tumoren sensibler auf Strahlen reagieren.“ Eine weniger intensive Bestrahlungstherapie könnte bei den betroffenen Patientinnen und Patienten zukünftig ausreichen, um den Tumor effektiv zu bekämpfen.
Mit dieser Hypothese ausgerüstet, führt das DKTK an seinen acht Standorten im Moment eine weitere klinische Studie durch. „In dieser Studie senken wir bei den Patientinnen und Patienten mit HPV-bedingten Kopf-Hals-Tumoren derzeit die Strahlendosis auf das betroffene Gewebe um zehn Prozent“, sagt Krause. In einem zweiten Schritt soll die Intensität der Strahlung bei einer weiteren Patientengruppe nochmals um zehn Prozent verringert werden. Die Forschenden hoffen, mit der Strahlendosis auch die Nebenwirkungen reduzieren zu können, ohne dabei die Wirksamkeit zu beeinträchtigen.
Als Strahlentherapeutin kennt Krause die möglichen langfristigen Nebenwirkungen nur zu gut. Infolge der OP und der Strahlentherapie entstehen teils starke Vernarbungen, die zu Bewegungseinschränkungen führen können – etwa im Kiefergelenk, im Hals oder in den Schultern. „Auch mit Mundtrockenheit haben die Patienten zu kämpfen“, so Krause. Sie können dann bestimmte Speisen nicht mehr essen oder wachen nachts regelmäßig wegen ihres trockenen Mundes auf. Viele Betroffene seien deshalb offen, die Strahlendosis zu verringern. Dies gilt insbesondere für jüngere Menschen, die wieder ins Berufsleben zurückkehren möchten und deshalb möglichst wenig Schaden durch die Therapie erleiden wollen.
Homogenere Patientengruppen durch standortübergreifende Forschung und Studien
Die Patientinnen und Patienten für beide Studien werden an allen acht Standorten des DKTK über die Radioonkologen vor Ort rekrutiert. Krause glaubt: „Unsere bisherigen Untersuchungen waren wahrscheinlich nicht zuletzt deshalb erfolgreich, weil wir auf eine große Zahl von Patientinnen und Patienten zurückgreifen konnten.“ Dadurch erhält man viel homogenere Patientengruppen. „Man kann viel genauer bestimmen, welche Gruppe man untersucht und nur Erkrankte einschließen, die zu der Untersuchung passen.“
Die Patientendaten werden dabei über eine im DKTK aufgebaute technische Plattform ausgetauscht – wie bei allen Projekten pseudonymisiert und datenschutzkonform. Die Forschenden geben dazu diejenigen Daten einer Patientin oder eines Patienten in das System ein, die in der Studie ausgewertet werden sollen. Sie laden auch Bestrahlungspläne hoch, die unter anderem zeigen, wie die Strahlendosis über verschiedene Organregionen hinweg verteilt war. „Auf diesem Weg können wir feststellen, ob ein Tumor wieder wächst, weil er außerhalb des bestrahlten Gebietes auftritt oder weil er so resistent ist.“
Die acht DKTK-Standorte bringen bei den gemeinsamen Projekten ihre jeweiligen Expertisen ein. Dresden etwa hat sich unter anderem darauf spezialisiert, die Anzahl der Krebsstammzellen im Tumor zu bestimmen. Das könnte möglicherweise helfen, frühzeitig einen drohenden Rückfall zu erkennen. „Die Standorte ergänzen sich sehr gut, ein Zentrum allein könnte das niemals leisten“, ist Krause überzeugt. So individuell Krebserkrankungen sind, umso wichtiger ist die Teamarbeit für deren Erforschung.
Ansprechpartnerin:
Prof. Dr. Mechthild Krause
Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden
Klinik und Poliklinik für Strahlentherapie und Radioonkologie
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