Der Pflegeberuf wandelt sich und zunehmend entscheiden sich junge Menschen für ein Studium der Pflege. Die Studie BSN4Hospital untersucht, was dafür getan werden muss, damit sie nach ihrem Abschluss langfristig und motiviert in der Pflege arbeiten.
Obwohl die Anzahl von Pflegenden mit Hochabschluss in den vergangenen Jahren in Deutschland zugenommen hat, ist nicht geklärt, wie die Berufsprofile und Positionen dieser Absolventinnen und Absolventen in der Praxis aussehen sollten, um sie auch längerfristig für die Pflege und Versorgung von Patientinnen und Patienten zu motivieren. Das Thema hat eine besondere Relevanz, da an Hochschulen ausgebildete Pflegefachpersonen in Deutschland nach Abschluss ihres Studiums zahlreiche berufliche Optionen haben – beispielsweise im Management, in der Wissenschaft und der Pädagogik. Zugleich mangelt es aber in Krankenhäusern, der ambulanten Pflege und in stationären Pflegeeinrichtungen an diesen Fachkräften. Eine von den Universitätskliniken durchgeführte Erhebung aus dem Jahr 2018 ergab beispielsweise, dass nur zwei Prozent hochschulisch ausgebildete Pflegefachkräfte in diesen Krankenhäusern direkt in der Patientenversorgung arbeiten.
Mehr über die Zufriedenheit und Verbleibmotivation von akademisch ausgebildeten Pflegefachkräften möchten Forschende der Technischen Universität (TU) Berlin in der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Studie BSN4Hospital („Bachelor of Science in Nursing for Hospital“) herausfinden. Projektleiterin Dr. Claudia Maier, Nachwuchsgruppenleiterin der Forschungsgruppe Pflegewissenschaft des Fachgebiets „Management im Gesundheitswesen“ der TU, berichtet im Interview über die Fragestellungen und erste Ergebnisse der Studie.
Frau Dr. Maier, inwiefern kann die BSN4Hospital-Studie etwas zur Lösung des Fachkräftemangels beitragen?
Pflegefachpersonen haben durch Corona sehr viel Aufmerksamkeit bekommen und mittlerweile ist bekannt, wie herausfordernd der Pflegeberuf ist. In Deutschland überwiegt oft die negative Berichterstattung, insbesondere in Bezug auf fehlende Pflegefachpersonen. Uns geht es darum zu zeigen, wie attraktiv dieser Beruf sein kann und welche Chancen sich bieten. Ein Blick ins Ausland zeigt, dass das möglich ist. In den USA werden die besten Hochschulen geradezu überrannt von Bewerberinnen und Bewerbern, die Pflege studieren wollen. Das Pflegestudium ist dort so begehrt wie bei uns das Medizinstudium, weil die jungen Menschen wissen, dass sie in der Pflege interessante, spannende berufliche Entwicklungsmöglichkeiten haben.
In den skandinavischen Ländern ist Pflege ein akademischer Beruf. Auch in vielen anderen Staaten – nicht aber in Deutschland und Österreich – sind eine zwölfjährige Schulzeit sowie eine akademische Ausbildung Voraussetzung für die Aufnahme des Pflegeberufs. In den deutschsprachigen Ländern konnte sich die Pflegewissenschaft erst in den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts etablieren. Inzwischen wird eine Reihe von Studiengängen (z. B. in der Pflege, aber auch Pflegepädagogik, Pflegemanagement, Pflegewissenschaft oder andere klinisch orientierte Pflegestudiengänge) an Universitäten und Fachhochschulen angeboten. Damit folgt die Entwicklung einer Empfehlung des Wissenschaftsrates, der sich bereits im Jahr 2012 dafür ausgesprochen hat, dass zehn bis 20 Prozent eines Ausbildungsjahrganges mit einem Bachelor-Abschluss zur Tätigkeit am Patienten befähigt werden.
Wie gehen Sie bei Ihrem Forschungsvorhaben vor?
Wir wählen unterschiedliche Zugangswege und Methoden, um an dieses Thema heranzugehen. Dabei haben wir einen Schwerpunkt auf Krankenhäuser gelegt, die einen überdurchschnittlich hohen Anteil an Pflegenden mit mindestens Bachelor-Abschluss haben. Von diesen „Vorreitern“ wollen wir lernen: Was machen sie anders? Was machen sie gut?
Einerseits werden wir mit einer Fragebogenerhebung mindestens 1000 Pflegefachpersonen in diesen Häusern selbst befragen – davon mindestens 200 Pflegende mit hochschulischer Ausbildung. Wir fragen beispielweise: „Wie zufrieden sind Sie? Möchten Sie längerfristig in der Pflege bleiben? Was macht ein gutes Krankenhaus aus? Welche Faktoren sind wichtig, um längerfristig in einem Krankenhaus bzw. der Pflege generell zu bleiben?“
Außerdem führen wir für einen vertieften Einblick Interviews mit unterschiedlichen Personengruppen durch. Hier werden wir unter anderem die Perspektive von Pflegedirektorinnen und -direktoren, von hochschulisch ausgebildeten Pflegenden selbst, von Studierenden der Pflege, aber auch von Akteuren aus der Politik sowie internationalen Expertinnen und Experten einbeziehen.
Was sind Ihre ersten Ergebnisse?
Wir stehen erst am Anfang der Datenerhebung. Aber erste Interviews mit Studierenden von Pflege-Studiengängen zeigten, dass bei der Arbeit auf der Station manchmal zwei Kulturen aufeinandertreffen. Die Studierenden sind in der Praxis dort teilweise die einzigen mit akademischem Hintergrund und verspüren Skepsis. Nach einer Weile frustriert sie das. Sie wünschen sich mehr Wertschätzung und sie hätten gern eigene Aufgabenbereiche, in denen sie ihre Fähigkeiten gut einbringen können. Sie möchten mittel- oder längerfristig Verantwortung übernehmen, brauchen aber Rollenvorbilder, um in die Aufgaben langsam hineinzuwachsen.
Ein gängiges Vorurteil wurde direkt von einzelnen Interviewten angesprochen: Auch den Studierenden ist die Grundpflege wichtig – es ist nicht so, dass sie sich „zu schade“ für die klassischen Aufgaben der Krankenpflege sind. Aber sie möchten auch die darüber hinaus erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten einbringen und beispielsweise eigene Projekte durchführen, um die Pflege zu verbessern. Natürlich sind auch die äußeren Arbeitsbedingungen wichtig – sichere Dienstpläne oder die Frage eines Parkplatzes. Auch das Gehalt ist natürlich ein Thema, aber unser Eindruck ist, dass es für die Studierenden entscheidender ist, dass ihre besonderen Kompetenzen in den Kliniken auch genutzt werden.
Wozu braucht man überhaupt Pflegefachpersonen mit Hochschulabschluss?
Verschiedene Forschungsergebnisse zeigen, dass die Pflege qualitativ besser wird, wenn auch hochschulisch ausgebildete Pflegefachpersonen mitarbeiten. Das heißt nicht, dass Pflegende, die eine klassische dreijährige Ausbildung absolvieren, weniger qualifiziert sind. Aber die Personen mit Bachelor und Master können noch zusätzlich Kompetenzen und Ideen in die Teams einbringen. Es wäre essentiell, diese Personen für die Pflege zu gewinnen und zu halten.
Die quantitative Befragung findet über den Sommer hinweg statt. Hier hoffen wir auf spannende Ergebnisse, um zu erfahren, was sich aus Sicht von Pflegefachpersonen in Zukunft ändern muss, damit sie langfristig motiviert und engagiert in der Pflege arbeiten können.
Fördermaßnahme des BMBF
Mit der Fördermaßnahme „Richtlinie zur Förderung von Zuwendungen für die Stärkung der Pflegeforschung“ unterstützt das BMBF die Pflegeforschung in Deutschland in zwei Modulen. Acht Projekte zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses werden mit insgesamt 5,6 Millionen Euro über drei Jahre unterstützt. In einem weiteren Modul sollen an neu eingerichteten Lehrstühlen oder Abteilungen für Pflegewissenschaft in zwei Förderphasen von jeweils drei Jahren zusätzliche Personalstellen zur Durchführung von Forschungsprojekten gefördert werden.