In ärmeren Regionen ist Tuberkulose insbesondere für Kinder häufig tödlich, weil sie zu spät oder nicht diagnostiziert wird. Forschende testeten erstmals eine schnelle, einfache Diagnosemethode in fünf Ländern – mit vielversprechenden Ergebnissen.
Das Kind hustet, hat leichtes Fieber und schwitzt insbesondere nachts – ist es Tuberkulose? Oder doch eine andere Infektionskrankheit? Gewissheit kann nur ein diagnostischer Test geben. Es gibt verschiedene Testverfahren auf Tuberkulose. Als besonders verlässlich gilt eine Untersuchung des Auswurfs aus den Atemwegen – des Sputums – auf die krankheitsauslösenden Bakterien der Familie Mycobacteriaceae unter dem Mikroskop oder durch Anlage einer Bakterienkultur. Gerade wenn es um Kinder geht, hat dieses Diagnoseverfahren jedoch mehrere Nachteile: Proben aus den tiefen Atemwegen sind bei Kindern schwierig zu gewinnen. Zudem ist Kindertuberkulose oft durch eine niedrige Bakterienlast gekennzeichnet – die Krankheitserreger sind also bei diesem und anderen Diagnoseverfahren nicht leicht zu entdecken. Hinzu kommt, dass in ländlichen Regionen häufig kein Labor zur Verfügung steht, um eine Untersuchung durchführen zu können. „Wir brauchen unbedingt neue, schnelle Tests, denn jährlich sterben rund 240.000 Kinder weltweit, weil die Erkrankung oft nicht schnell genug diagnostiziert wird. Das sind vermeidbare Todesfälle, denn bei richtiger und rechtzeitiger Therapie ist diese Krankheit heilbar“, sagt Kinderärztin Dr. Laura Olbrich vom Tropeninstitut der LMU München.
Die Genaktivität verrät den Erreger
Gemeinsam mit ihrem Kollegen Dr. Norbert Heinrich untersuchte sie nun erstmals in einer groß angelegten Studie in fünf Ländern ein neues Diagnostik-Tool, das wichtige Fortschritte bringen kann. Das neue Tool basiert auf der Aktivität dreier Gene der körpereigenen Immunantwort, die im Kapillarblut der Kinder analysiert werden kann. Mithilfe eines innovativen Systems wird eine sogenannte Transkriptionssignatur dieser Gene ermittelt – also nachgewiesen, dass die Gene abgelesen wurden und damit aktiv sind. „Der große Vorteil dieses Systems ist, dass es mit einem Blutstropfen aus der Fingerspitze funktioniert – die Blutabnahme kann deshalb auch von Gesundheitsmitarbeitern mit begrenztem Training durchgeführt werden und wird von Kindern und deren Eltern vorgezogen“, so Heinrich. Der von einem Industriepartner entwickelte Test ist schnell – das Ergebnis wird innerhalb von etwa einer Stunde angezeigt, sodass die Patientinnen und Patienten vor Ort warten können, was ein enormer Vorteil insbesondere in ländlichen Regionen mit teilweise langen Anfahrtswegen ist.
„In unsere Studie wurden 975 Kinder unter 15 Jahren einbezogen, bei denen Verdacht auf Tuberkulose bestand. Um die Genauigkeit des Tests zu ermitteln, untersuchten wir den Tuberkulosestatus der Kinder zusätzlich mithilfe des standardisierten Referenztests, der auf der mikroskopischen Untersuchung von Sputum und Kultivierung der Bakterien beruht“, beschreibt Olbrich das Vorgehen.
Gute Perspektive für eine schnelle Diagnose
Das ermutigende Ergebnis: „Der Test hat im Vergleich zum Nachweis über eine Bakterienkultur knapp 60 Prozent der Kinder mit Tuberkulose identifiziert, er hat also statistisch gesehen sechs von zehn erkrankten Kindern erkannt“, so Olbrich. Die Spezifität des Tests – also seine Fähigkeit, Gesunde auch als gesund zu erkennen und keine falsch-positiven Ergebnisse zu liefern – lag bei 90 Prozent.
„Eine Bakterienkultur ist zwar zuverlässiger, aber sie dauert bis zu acht Wochen und ist meist vor Ort nicht erhältlich“, fasst Olbrich zusammen. Die Forschenden wollen nun die Genauigkeit des Tests zum Nachweis von Tuberkulose – seine Sensitivität – weiter verbessern. Da die Immunantwort, die als Basis für den Test dient, weitgehend an Erwachsenen ermittelt wurde, gehen die Forschenden außerdem davon aus, dass die Testergebnisse weiter verbessert werden können, wenn die Signatur auf Kinder angepasst wird.
Zweifache Förderung durch das BMBF
Getestet haben die Forschenden das neue Tool im Rahmen der von Heinrich geleiteten RaPaed-TB-Tuberkulose-Studie zusammen mit Kooperationspartnern in Südafrika, Mosambik, Tansania, Malawi und Indien. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unterstützte die Studie auf zwei Wegen: über die EDCTP-Initiative (European and Developing Countries Clinical Trials Partnership), die sich für die Bekämpfung armutsassoziierter, vernachlässigter Infektionskrankheiten engagiert und vom BMBF gefördert wird. Außerdem werden die Forschenden Olbrich und Heinrich auch über das vom BMBF und den Ländern geförderte Deutsche Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) unterstützt.
Was ist Tuberkulose?
Etwa 1,6 Millionen Menschen sterben jedes Jahr an einer Infektion mit Mykobakterien – damit ist die Tuberkulose die bakterielle Infektionskrankheit mit den meisten Todesopfern weltweit. Am häufigsten erkrankt die Lunge an einer Tuberkulose, es können aber auch andere Organe betroffen sein. Kleinkinder haben außerdem ein hohes Risiko, zusätzlich an einer tuberkulösen Meningitis (Hirnhautentzündung) zu erkranken. Typische Krankheitszeichen wie Husten, Fieber, Müdigkeit und Erschöpfung, Gewichtsabnahme und Nachtschweiß können zu Beginn der Erkrankung fehlen. Die Ansteckung erfolgt meist durch eine sogenannte Tröpfcheninfektion, wenn Bakterien einer erkrankten Person z. B. durch Husten in die Atemluft gelangen und dann eingeatmet werden. Da die Tuberkulosebakterien sehr langsam wachsen, kommt es meist erst nach Monaten oder auch Jahren zu einer Erkrankung mit Beschwerden. Es ist auch möglich, dass die Erkrankung trotz einer erfolgten Ansteckung gar nicht ausbricht. Tuberkulose ist behandelbar, allerdings sind weltweit immer mehr Tuberkulosebakterien resistent gegen die wichtigen Medikamente.
Originalpublikation:
Olbrich, L., Verghese, V. P., Franckling-Smith, Z., Sabi, I., Ntinginya, N. E., et al. (2023). Diagnostic accuracy of a three-gene Mycobacterium tuberculosis host response cartridge using fingerstick blood for childhood tuberculosis: a multicentre prospective study in low-income and middle-income countries. The Lancet Infectious Diseases 2023, DOI: 10.1016/S1473-3099(23)00491-7
Wissenschaftliche Ansprechpersonen:
Dr. med. Laura Olbrich, DPhil
PD Dr. med. Norbert Heinrich
Abteilung für Infektions- und Tropenmedizin/
Division of Infectious Diseases and Tropical Medicine
LMU Klinikum München
Leopoldstraße 5
80802 München
E-Mail:
Laura.Olbrich@med.uni-muenchen.de
Norbert.Heinrich@med.uni-muenchen.de