Februar 2015

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Tuberkulose bei Kindern – Neuer Test verbessert die Diagnose

Tuberkulose ist die häufigste tödliche Infektionskrankheit, die Bakterien auslösen. Gerade bei Kindern ist eine schnelle und exakte Diagnose bislang schwierig. Ein internationales Forschungsteam entwickelte dafür nun einen neuen Bluttest.

Husten, eine leicht erhöhte Körpertemperatur und nächtliches Schwitzen – die ersten Krankheitszeichen der früher als Schwindsucht bezeichneten Tuberkulose sind besonders bei Kindern meist wenig spezifisch. Um schnell Gewissheit zu haben, muss ein diagnostischer Test durchgeführt werden. „Doch gerade bei Kindern ist die Diagnose nach wie vor problematisch“, sagt der Infektionsforscher Dr. Christof Geldmacher. Das könnte sich zukünftig ändern. In Zusammenarbeit mit dem Mbeya Medical Research Center in Afrika hat ein Forschungsteam um Geldmacher nun einen neuen Test entwickelt: den TAMTB Test. Dass der Test zuverlässige Ergebnisse zur Diagnose bei Kindern liefert, konnte in einer in Tansania durchgeführten Studie nachgewiesen werden, die von der europäisch- afrikanischen Initiative „European Developing Clinical Trials Partnership“ (EDCTP) gefördert wurde.

Jedes Jahr erkranken weltweit fast neun Millionen Menschen an Tuberkulose – schätzungsweise eine Million davon sind Kinder. Rund 85 Prozent aller Erkrankten leben in Afrika, Südostasien und der westlichen Pazifikregion.

Jedes Jahr erkranken weltweit fast neun Millionen Menschen an Tuberkulose – schätzungsweise eine Million davon sind Kinder. Rund 85 Prozent aller Erkrankten leben in Afrika, Südostasien und der westlichen Pazifikregion.

Dr. Christof Geldmacher

Das Ergebnis: Der TAM-TB Test kann eine aktive Tuberkulose hochspezifisch und innerhalb von weniger als 24 Stunden detektieren. Geldmacher, der am Tropeninstitut des Klinikums der Ludwig-Maximilians Universität München arbeitet und Mitglied im Deutschen Zentrum für Infektionsforschung ist, stimmt das zuversichtlich: „Als fertiges Produkt könnte der TAM-TB Test in Zukunft die schnelle und spezifische Diagnose von Tuberkulose besonders bei Kindern, aber auch bei Erwachsenen entscheidend verbessern.“

Ein paar Tropfen Blut genügen

Der neue Test hat viele Vorteile. Er kann bei Kindern eine Tuberkulose schneller und genauer als bisherige Testverfahren erkennen. Ein Beispiel: Dauerte der Test, der in der Studie als Vergleichsstandard untersucht wurde, noch mehrere Wochen, so liegt bei dem neuen Test das Ergebnis bereits nach 24 Stunden vor. Zudem wird für den Test kein Bronchialsekret benötigt. Ein paar Tropfen Blut genügen. „Um Tuberkulose bei Kindern zu diagnostizieren, sollte ein Test optimalerweise ohne Bronchialsekret funktionieren. Denn erfahrungsgemäß haben gerade kleine Kinder Probleme, Sekret auszuhusten“, erklärt Geldmacher.

Aktive oder latente Tuberkulose? Neuer Test erkennt den Unterschied

Doch es gibt noch eine weitere Herausforderung, die ein neuer Tuberkulose-Test erfüllen sollte: „Der Test sollte schnell und zuverlässig anzeigen, ob eine aktive Form der Erkrankung vorliegt. Denn nur diese ist gefährlich und ansteckend“, betont Geldmacher. Bisherige immundiagnostische Tests können nämlich nicht zwischen einer aktiven Infektion, auch offene Tuberkulose genannt, und einer latenten, nicht ansteckenden und damit nicht behandlungsbedürftigen Tuberkulose unterscheiden. Die Folge sind Fehldiagnosen und unnötige Behandlungen. „Unser Test hingegen erkennt den Unterschied“, so Geldmacher.

Verursacht wird die Tuberkulose durch Mykobakterien, meist durch Mycobacterium tuberculosis. Doch nicht alle Infizierten erkranken tatsächlich an einer behandlungsbedürftigen Tuberkulose. In vielen Fällen gelingt es dem Körper, die Bakterien zu bekämpfen. „Dann sind die Mykobakterien von Immunzellen in einer Art Käfig umzingelt und schlafen quasi“, so Geldmacher. Die Weltgesundheitsorganisation geht davon aus, dass weltweit jeder Dritte diese stillgelegten Bakterien im Körper trägt und somit latent mit Tuberkulose infiziert ist.

Die bisherigen diagnostischen Tests weisen die spezifische Immunantwort unseres Körpers auf die Mykobakterien nach. Die Standardmethode ist ein Hauttest. Dieser benötigt allerdings mehrere Tage und erlaubt keine Aussage darüber, ob es sich um eine latente oder eine aktive Infektion handelt. Ein Nachweis von Mykobakterien im Bronchialsekret dauert mitunter sogar Wochen.

Test misst Immunzellen, die mit Mykobakterien in Kontakt waren

Seit zehn Jahren gibt es zudem immundiagnostische Testverfahren, die mit einer Blutprobe durchgeführt werden können. Sie basieren darauf, dass bestimmte Abwehrzellen, die T-Lymphozyten, als Reaktion auf eine Tuberkulose-Infektion verstärkt einen bestimmten Botenstoff freisetzen. Dieser Botenstoff wird in den Testverfahren gemessen. „Doch auch diese Tests können nicht zwischen aktiver und latenter Infektion unterscheiden“, sagt Geldmacher. Anders beim neuen TAM-TB Test. Er misst aktivierte T-Lymphozyten, also T-Zellen, die erst vor Kurzem mit Mykobakterien in Kontakt gekommen sind. Bei einer aktiven Tuberkulose bilden die T-Zellen auf ihrer Oberfläche deutlich weniger eines Proteins, genannt CD27, als bei einer latenten, nicht infektiösen Tuberkulose. „Mit unserer Messmethode können wir deshalb aktive Tuberkulose nachweisen, und zwar mit hoher Genauigkeit“, erklärt Geldmacher.

Kindern unnötige Therapie ersparen

Der TAM-TB Test hat eine Sensitivität von mehr als 83 Prozent und eine Spezifität von fast 97 Prozent. Die Sensitivität eines diagnostischen Testverfahrens gibt an, bei wie viel Prozent der erkrankten Patientinnen und Patienten die Krankheit tatsächlich erkannt wird. Die Spezifität gibt die Wahrscheinlichkeit an, dass Gesunde auch tatsächlich als gesund erkannt werden. „Vor allem die Spezifität ist beim TAM-TB Test im Vergleich zu den bisherigen Bluttests entscheidend verbessert“, sagt Geldmacher. „Das heißt, wir erkennen jetzt viel präziser, welche Kinder keine aktive Tuberkulose haben. Diesen Kindern können wir eine unnötige sechsmonatige Therapie ersparen.“ Zum Vergleich: Bisherige immundiagnostische Tests haben lediglich eine Spezifität von etwa 76 Prozent. Das heißt, mit diesen Tests werden knapp ein Viertel der Kinder ohne aktive Tuberkulose trotzdem als positiv getestet.

Derzeit versuchen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um Geldmacher, die Methodik so zu vereinfachen, dass sie auch in Gesundheitszentren durchgeführt werden kann, die nicht auf Tuberkulose spezialisiert sind. In Zusammenarbeit mit Firmen versucht das internationale Forschungsteam zudem, in den nächsten Jahren ein marktreifes Produkt zu entwickeln.

Gemeinsam gegen Infektionskrankheiten in Afrika – die EDCTP-Initiative

Die EDCTP-Initiative (European and Developing Countries Clinical Trials Partnership) widmet sich der Bekämpfung armutsassoziierter, vernachlässigter Infektionskrankheiten. Besonders im Fokus stehen Aids/HIV, Malaria und Tuberkulose in den Subsahara-Staaten Afrikas. Schwerpunkte sind klinische Studien sowie die Vernetzung deutscher Forscherinnen und Forscher mit europäischen und afrikanischen Partnern. Zur Verbesserung der Gesundheit in Afrika und anderen Ländern der Welt investiert die Bundesregierung in einem Zeitraum von zehn Jahren 110 Millionen Euro in die Initiative. Insgesamt stellen die Europäische Kommission, die Mitgliedstaaten, Stiftungen und die afrikanischen Partnerländer mehr als 1,9 Milliarden Euro bereit. Das Förderkonzept des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) zur Erforschung vernachlässigter und armutsassoziierter Krankheiten finden Sie hier.

Ansprechpartner:
Dr. Christof Geldmacher
Deutsches Zentrum für Infektionsforschung und
Abteilung für Infektions- und Tropenmedizin
Ludwig-Maximilians-Universität
Leopoldstraße 5
80802 München
geldmacher@lrz.uni-muenchen.de