Einem internationalen Forschungsteam ist es gelungen, bei Erkrankten unterschiedliche Immunantworten auf den Tuberkuloseerreger zu identifizieren. Durch diese Eingruppierung könnte die personalisierte Therapie in Zukunft maßgeblich verbessert werden.
Forschende aus den USA haben gemeinsam mit Partnern des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF) entdeckt, dass es unter den von Tuberkulose Betroffenen „Endotypen“ gibt, die mit einer zu geringen oder einer zu ausgeprägten Immunität einhergehen.
Seit vielen Jahren haben Ärztinnen und Ärzte, die Tuberkulosepatienten betreuen, die Beobachtung gemacht, dass manche Patientinnen und Patienten mit einer sehr starken Reaktion ihres Immunsystems antworten. Bei ihnen kommt es durch eine überschießende Entzündung zu irreversiblen Gewebe- und Organschäden, während andere offenbar eine zu gering ausgeprägte Immunantwort zeigen, um die Infektion zu überwinden und die Bakterien abzutöten.
Tuberkulose ist eine Infektionskrankheit, die durch das Mycobacterium tuberculosis verursacht wird. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) geht davon aus, dass ein Viertel der Weltbevölkerung mit diesem Erreger infiziert ist. Jedes Jahr sterben mehr als 1,5 Millionen Menschen daran. Die Tuberkulose ist damit weltweit die häufigste durch Bakterien verursachte Todesursache und steht insgesamt nach COVID-19 an zweiter Stelle der Todesursachen durch Infektionskrankheiten. Die Mehrheit der Menschen erkrankt nach einer Infektion mit dem Bakterium Mycobacterium tuberculosis nicht. Bei denjenigen, die an Tuberkulose erkranken, kann der Verlauf sehr unterschiedlich sein. Die meisten Tuberkulosekranken entwickeln eine chronische Lungenentzündung, während bei anderen auch Lymphknoten, Knochen oder das zentrale Nervensystem betroffen sein können.
Der Welttuberkulosetag am 24.03.2022 möchte das öffentliche Bewusstsein für die verheerenden gesundheitlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Folgen der Tuberkulose zu schärfen und Anstöße für Maßnahmen geben, um die Krankheit zu beenden.
Weitere Infos: Regionalbüro Europa der WHO
Vorbild für die aktuelle Analyse waren Ansätze, die aus der Krebsforschung abgeleitet wurden. Hierbei wurden große Datensätze aus zuvor veröffentlichten Publikationen genutzt, um die Immunantwort der Patientinnen und Patienten zu charakterisieren. Die Forschenden konzentrierten sich auf die unterschiedliche Produktion von Ribonukleinsäuren (RNA) in Blutzellen. Mit dieser Information konnten sie bestimmte Gruppen unter den Betroffenen ausmachen, die mit zu geringer oder zu ausgeprägter Immunität einhergingen. Die verschiedenen Gruppen werden nun als „Endotypen“ benannt.
Personalisierte Therapieansätze verbessern Heilungschancen
Bei Patientinnen und Patienten aus der Tuberkulosekohorte des DZIF konnten die Forschenden nachweisen, dass ein Endotyp eine bessere Prognose für die Heilung von Tuberkulose hatte als der andere. Mithilfe von Computermodellen sagte das Team auch voraus, welche Art von Medikamenten notwendig wäre, um das Immunsystem der verschiedenen Endotypen wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Solche personalisierten Therapieansätze könnten zukünftig zu einer enormen Verbesserung der Therapieergebnisse führen und sogar die Therapiedauer verkürzen.
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„Die wirtsspezifischen Immuntherapien, die wir identifiziert haben, werden für einen der Endotypen vorteilhaft sein, während sie für Patienten mit einem anderen Endotyp möglicherweise nachteilig sind“, kommentiert Prof. Dr. Andrew DiNardo vom Baylor College von Medicine, der das Konzept der Endotypen federführend entwickelt hat. „Die Ergebnisse dieser Studie werden den Weg für wirtsspezifische Therapien für einzelne Gruppen von Tuberkulosepatienten ebnen, mit dem großen Potenzial, die Behandlungsergebnisse für die tödlichste aller bakteriellen Infektionskrankheiten zu verbessern,“ ergänzt Prof. Dr. Jan Heyckendorf, DZIF-Tuberkuloseforscher aus Borstel und Kiel und einer der Erstautoren der Studie.
Im Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) entwickeln bundesweit circa 500 Wissenschaftler und Ärzte aus 35 Institutionen gemeinsam neue Ansätze zur Vorbeugung, Diagnose und Behandlung von Infektionskrankheiten. Ziel ist die sogenannte Translation: die schnelle, effektive Umsetzung von Forschungsergebnissen in die klinische Praxis. Damit bereitet das DZIF den Weg für die Entwicklung neuer Impfstoffe, Diagnostika und Medikamente gegen Infektionen.
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