Typ-2-Diabetes ist eine Erkrankung mit vielen Gesichtern. Mithilfe eines speziellen mathematischen Verfahrens lässt sich diese Vielfalt darstellen. Die so gewonnenen Erkenntnisse können die Grundlage für eine präzisere Therapie schaffen.
Typ-2-Diabetes kann recht unterschiedlich verlaufen. Während manche Menschen mit Diabetes nur wenige zusätzliche Beschwerden haben, leiden andere unter Problemen mit Augen, Leber, Nieren, Herz und Kreislauf oder entwickeln Taubheitsgefühle in Füßen und Händen. Das zeigt: Diabetes ist sehr viel komplexer als es die klassische Einteilung vermuten lässt. Im Jahr 2018 schlug daher ein schwedisch-finnisches Forschungsteam die Unterscheidung des im Erwachsenenalter auftretenden Diabetes in fünf Subgruppen vor. Damit lässt sich das Risiko für bestimmte Folgeerkrankungen genauer beurteilen und Komplikationen gezielter vorbeugen. Mit der schwedischen Analysemethode untersuchten Forschende des DZD die Daten von 1.105 Teilnehmenden der Deutschen Diabetes-Studie (German Diabetes Study, GDS, siehe Kasten). Dadurch konnten sie verschiedene Subtypen des Diabetes sowie deren Risiken für Folgeerkrankungen wie Fettleber und Schäden an Augen, Nerven oder Nieren feststellen.
Neue Studie zeigt die Vielfalt des Typ-2-Diabetes
Nun hat ein Team des DZD-Partners Deutsches Diabetes-Zentrum in Düsseldorf einen neuen Algorithmus angewandt, um die unterschiedlichen Phänotypen des Typ-2-Diabetes in größerer Auflösung darzustellen. Mit diesem Verfahren lässt sich von Routineparametern rechnerisch schätzen, ob Menschen empfindlich auf Insulin reagieren, wie viel Insulin sie produzieren, wie ihr Körperfett verteilt ist und ob sie zu chronischen Entzündungen neigen. So lassen sich verschiedene Formen des Typ-2-Diabetes darstellen.
Dafür werden nur solche Messwerte benötigt, die in der ärztlichen Routine erhoben werden können. Der Algorithmus basiert neben Alter und Geschlecht auf einfach zu erfassenden Daten wie beispielsweise Body-Mass-Index, Gesamtcholesterin oder den Blutzuckergehalt anzeigenden HbA1c-Wert. Die Besonderheit des neuen Verfahrens: Die Informationen werden in einer intuitiven Baum-Struktur dargestellt. Dies ermöglicht es, verschiedene Unterformen des Typ-2-Diabetes aufzuzeigen, um besser verständlich zu machen, wie komplex diese Erkrankung ist.
Die Deutsche Diabetes-Studie (GDS)
An der Deutschen Diabetes-Studie (GDS) können Menschen mit einem neu festgestellten Diabetes teilnehmen. Ziel der Studie ist es, frühzeitig Anzeichen für verschiedene Formen von Diabetes zu finden. Dadurch sollen neue Behandlungs- und Vorsorgemethoden entwickelt werden, um Folgeerkrankungen zu verhindern. Auch der Einfluss der Gene auf den Verlauf der Krankheit wird untersucht.
Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Studie erhalten kostenlos die Möglichkeit, frühzeitig Anzeichen von Diabetes-bedingten Schäden an Nerven, Blutgefäßen und der Netzhaut der Augen zu erkennen. Acht Institute in ganz Deutschland machen bei dieser Langzeitstudie mit.
Weitere Informationen:
https://www.dzd-ev.de/forschung/multicenterstudien/gds/index.html
Menschen mit erhöhtem Risiko für Komplikationen frühzeitig erkennen
Mit dem neuen Verfahren lassen sich frühzeitig diejenigen Menschen ausmachen, die innerhalb der ersten fünf Jahre nach der Diabetes-Diagnose weniger Insulin bilden oder zu Bluthochdruck bzw. Fettstoffwechselstörungen neigen. Zudem lassen sich Risiken wie früheres Versterben und mögliche Komplikationen darstellen.
„Die Ergebnisse der Studie haben das Potenzial, die Art und Weise, wie wir Typ-2-Diabetes verstehen und behandeln, zu verändern“, erläutert Professor Dr. Robert Wagner. Der DZD-Forscher leitet das Klinische Studienzentrum am Deutschen Diabetes-Zentrum in Düsseldorf und ist stellvertretender Direktor der Klinik für Endokrinologie und Diabetologie an der Universitätsklinik Düsseldorf. „Es existiert bereits ein Online-Tool, das hilft, die verschiedenen Typen von Typ-2-Diabetes zu erkennen“, führt Wagner weiter aus. Dieses Tool ist einfach zu benutzen und könnte in der ärztlichen Praxis als Vorlage für genauere Therapieansätze dienen. Allerdings müssen zuvor noch klinische Studien bestätigen, dass die mit diesen präzisionsmedizinischen Werkzeugen gesteuerten Behandlungen tatsächlich Vorteile bringen.
Auf dem Weg in eine präzisere Diabetologie
In den vergangenen Jahren hat das DZD bereits zahlreiche neue Erkenntnisse zur Subtypisierung des Prädiabetes (Vorstufe des Diabetes) sowie des Diabetes mellitus gewonnen. Nun arbeiten DZD-Forschende daran, ihre Ergebnisse weiter zu verfeinern, um in Zukunft eine präzisere Behandlung und Vorbeugung zu ermöglichen.
Deutsches Zentrum für Diabetesforschung e. V. (DZD)
Das DZD ist eines der Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung, die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und den Sitzländern gefördert werden. Es bündelt Kompetenzen auf dem Gebiet der Diabetesforschung und verzahnt Grundlagenforschung, Epidemiologie und klinische Anwendung. Ziel des DZD ist es, über einen neuartigen, integrativen Forschungsansatz einen wesentlichen Beitrag zur erfolgreichen, maßgeschneiderten Prävention, Diagnose und Therapie des Diabetes mellitus zu leisten. Mitglieder des Zentrums sind das Helmholtz Zentrum München – Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt, das Deutsche Diabetes-Zentrum (DDZ) in Düsseldorf, das Deutsche Institut für Ernährungsforschung (DIfE) in Potsdam-Rehbrücke, das Institut für Diabetesforschung und Metabolische Erkrankungen des Helmholtz Zentrums München an der Eberhard Karls Universität Tübingen und das Paul Langerhans Institut des Helmholtz Zentrums München am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus der TU Dresden. Darüber hinaus gibt es assoziierte Partner an den Universitäten in Heidelberg, Köln, Leipzig, Lübeck und München sowie weitere Projektpartner.
Weitere Informationen:
www.dzd-ev.de/
Originalpublikation:
Schön M et al. Analysis of type 2 diabetes heterogeneity with a tree-like representation: insights from the prospective German Diabetes Study and the LURIC cohort, The Lancet Diabetes & Endocrinology, Published online December 21, 2023; doi.org/10.1016/S2213-8587(23)00329-7
Ansprechpartner:
Prof. Dr. Robert Wagner
Deutsches Diabetes-Zentrum (DDZ)
Leibniz-Zentrum für Diabetes-Forschung an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
Auf’m Hennekamp 65
40225 Düsseldorf
E-Mail: robert.wagner@ddz.de
Pressekontakt:
Birgit Niesing
Deutsches Zentrum für Diabetesforschung (DZD)
Ingolstädter Landstraße 1
85764 Neuherberg
E-Mail: niesing@dzd-ev.de