Interview mit Professor Heyo Kroemer, Dekan der Medizinischen Fakultät der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald über den Forschungsstandort Greifswald und das zehnjährige Bestehen der SHIP-Studie
Herr Professor Kroemer, der Schwerpunkt Community Medicine der Medizinischen Fakultät in Greifswald ist bislang einzigartig in Deutschland. Was genau verbirgt sich dahinter?
Bei der Community Medicine steht die Bevölkerung im Mittelpunkt. Hauptziel ist es, den Gesundheitszustand der Menschen in einer bestimmten Region zu verbessern. Hierbei wird zum Beispiel untersucht, welche Krankheiten in einer Region gehäuft vorkommen oder wie es um die Versorgungsstrukturen steht. Ausgehend von diesem Gedanken, hat das Institut für Epidemiologie und Sozialmedizin eine große epidemiologische Studie über Leben und Gesundheit in Vorpommern auf den Weg gebracht: die Study of Health in Pomerania - kurz SHIP genannt, deren zehnjähriges Bestehen wir hier in Greifswald im September feiern.
Wie kam es zu der Entscheidung, den Schwerpunkt an der Medizinischen Fakultät in Greifswald auf die Community Medicine zu legen?
Greifswald ist neben Rostock die zweite Medizinische Fakultät in MecklenburgVorpommern. Das Land besaß aber eigentlich zu keinem Zeitpunkt ausreichend Geld, um beide Standorte zu finanzieren. Andererseits wollte man eine Einrichtung mit einer so langen Tradition wie Greifswald nicht einfach schließen. Nach der Wende suchte der Wissenschaftsrat deshalb nach Möglichkeiten, eine Medizinfakultät zu betreiben, die sich nicht mit ausgefallenen und apparativ sehr aufwändigen Wissenschaften beschäftigt, sondern mit Projekten, die für die praktische Ausbildung von Medizinern wichtig sind.
Wie beurteilen Sie diese Entscheidungen rückblickend?
Damals wusste sicher niemand, wie sich unsere Fakultät weiterentwickeln würde. Doch wir denken, dass unser Konzept aufgegangen ist: Im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung aufgelegten NBL3Programms zur Restrukturierung medizinischer Fakultäten in den neuen Bundesländern hat sich unsere Fakultät als Departmentsystem neu organisiert. Neben der Community Medicine haben wir inzwischen ein Department für experimentelle Therapie, eines für Neurowissenschaften und ein kardiovaskuläres Department. Diese werden durch zentrale Funktionseinheiten, so genannte Core Facilities, ergänzt. Darin werden Leistungen zusammengefasst, die für Forschungsprojekte verschiedener Departments benötigt werden. Ein Beispiel dafür ist die neu geschaffene Core Facility für Funktionelle Bildgebung.
Welche Bedeutung hat der Forschungsstandort Greifswald für die Region?
Mittlerweile ist das rechtlich selbstständige Universitätsklinikum Greifswald mit mehr als 3.000 Angestellten mit Abstand der größte Arbeitgeber der Region Vorpommern. Wir beschäftigen derzeit allein mehr als 200 Mitarbeiter, die aus Drittmitteln finanziert werden. Schon damit gehört die Medizinische Fakultät zu den zehn größten Arbeitgebern in der Stadt. Angesichts der problematischen demografischen Entwicklung bietet sich hier eine der wenigen Möglichkeiten, hochqualifizierte, junge Menschen in die Region zu ziehen.
Hat sich dadurch ein Technologieschub in der Region entwickelt?
Wenn die geschaffenen Strukturen greifen, wird es zukünftig sicherlich zu den entsprechenden Ausgründungen von Unternehmen aus Klinikum und Fakultät kommen. Die erhebliche finanzielle Unterstützung aus dem NBL3Förderprogramm des Bundesministeriums war und ist für uns von entscheidender Bedeutung für die Restrukturierung der Medizinischen Fakultät. Gemeinsam mit dem im Bau befindlichen Klinikum tragen diese Strukturen dazu bei, die Medizinische Fakultät in Greifswald langfristig wettbewerbsfähig zu machen.