Forscher des Centrums für Chronische Immundefizienz in Freiburg haben ein Gen entdeckt, das für eine schwere Störung des Immunsystems verantwortlich ist. Jetzt eröffnen sich für Betroffene neue Therapieoptionen.
Sie sind vor Infektionen schlecht geschützt: Patientinnen und Patienten mit Hypogammaglobulinämie, einer Erkrankung des Immunsystems, bekommen immer wieder Infektionen. Denn ihr Immunsystem ist vergesslich. Bei Gesunden bilden die B- und T-Zellen des Immunsystems ein körpereigenes Gedächtnis. Sie erinnern sich an Erreger, die bereits Krankheiten verursacht haben und können diese wirkungsvoll bekämpfen. Für das Immunsystem von Menschen mit Hypogammaglobulinämie ist dagegen jede Begegnung mit üblichen Erregern immer wieder eine neue Konfrontation. Da die T-Zellen einerseits für die Kontrolle und Entsorgung von Körperzellen verantwortlich sind, die von Erregern befallen wurden, und andererseits überschießende Immunreaktionen verhindern, ist die Abwehrlage der Betroffenen sehr schlecht.
Einer Arbeitsgruppe des Centrum für Chronische Immundefizienz (CCI) am Universitätsklinikum Freiburg ist es nun gemeinsam mit Forschungspartnern in Europa, den USA, Israel und dem Iran in mehrjähriger Arbeit gelungen, ein Gen zu identifizieren, das diese Erkrankung auslösen kann. Hierfür haben die Wissenschaftler die Erbanlagen von fünf betroffenen Familien genau untersucht. Das Ergebnis: Eine Mutation in einem bestimmten Gen, dem LRBA-Gen, führt zu schweren Störungen in der B-Zell-Entwicklung und der T-Zell-Funktion. Es entsteht die Immunkrankheit Hypogammaglobulinämie. Die Forschungsergebnisse wurden wissenschaftlich hochrangig publiziert.
Hoffnung auf neue Therapieoptionen
Da Menschen mit einem Defekt LRBA-Gen jetzt diagnostiziert werden können, eröffnen sich neue Therapieoptionen. Ihnen kann künftig zum Beispiel eine Knochenmarktransplantation angeboten werden und damit eine Chance, zu überleben. Auch könnte langfristig die Entwicklung eines Ersatzproteins erhebliche Verbesserungen bringen. „Die Relevanz der Entdeckung liegt darin, dass ein extrem wichtiges Gen für das Immunsystem gefunden wurde“, sagt Professor Dr. Bodo Grimbacher vom Centrum für Chronische Immundefizienz und Leiter der Studie. „Es birgt die Chance, nicht nur mehr über das Immunsystem zu erfahren, sondern in Zukunft auch Therapien zu entwickeln, die Patientinnen und Patienten mit primären Immundefekten und Autoimmunerkrankungen helfen können.“
BMBF fördert Integriertes Forschungs- und Behandlungszentrum zur Immundefizienz
Das CCI ist eine Einrichtung des Universitätsklinikums und der Medizinischen Fakultät Freiburg, in der Patientinnen und Patienten mit Immundefizienz (Abwehrschwäche) untersucht und behandelt sowie Ursachen, Diagnostik und Therapie dieser Erkrankungen erforscht werden. Es wurde im Jahr 2008 als eines von acht Integrierten Forschungs- und Behandlungszentren (IFB) mit Fördermitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) aufgebaut und wird zunächst für fünf Jahre vom BMBF mit rund 24 Millionen Euro gefördert. Das Besondere am CCI ist das altersübergreifende Konzept und die Interdisziplinarität. Dies bedeutet, dass Kinderärzte und Internisten, Spezialisten für das Abwehrsystem, für Infektionserkrankungen, für Bluterkrankungen und Knochenmarktransplantationen sowie Mediziner und Biologen in einer eigenständigen Einrichtung zusammenarbeiten. Das gemeinsame Ziel ist es, durch Zusammenführung der Expertise das Problem Chronische Immundefizienz besser zu verstehen, zu erkennen und zu behandeln.
Originalpublikation: The American Journal of Human Genetics, Volume 90, Issue 6, 986–1001