Geht es um Gesundheitsfragen, haben die Menschen ein hohes Bedürfnis nach wissenschaftlich fundierten Informationen und Hinweisen. Dies belegt eine BMBF-geförderte Studie im Münsterland, die die Gesundheitskommunikation in der Corona-Krise analysiert.
Die Corona-Krise ist eine neue Herausforderung nicht nur für das Gesundheitssystem, sondern auch für die Gesundheitskommunikation. Sie macht deutlich, wie wichtig die Vermittlung verlässlicher, relevanter und aktueller Informationen ist, um über die Pandemie aufzuklären, Hinweise zu Schutzmaßnahmen zu geben und die Bevölkerung zu einem entsprechenden Verhalten anzuregen.
Wie aber informieren sich die Menschen in der aktuellen Krise? Welche Kanäle nutzen verschiedene Zielgruppen und wie bewerten sie Inhalte und Vertrauenswürdigkeit der diversen Quellen? Forschende im Projekt GICK ermitteln dies anhand repräsentativer Umfragen und Expertengespräche im Münsterland. Um Veränderungen in der besonderen, dynamischen Situation im Zeitverlauf messen zu können, erfolgen die Befragungen in zwei Wellen im Mai und November 2020. Erste Zwischenergebnisse erläutert Studienleiter Prof. Dr. Bernd Blöbaum von der Universität Münster im Interview.
Erfolgreiche Krisenkommunikation nutzt viele Kanäle
Herr Professor Blöbaum, nicht nur im Internet, auch in den traditionellen Medien kursieren immer wieder Falschmeldungen zum Thema SARS-CoV-2 – wie wichtig ist eine gute und verlässliche Kommunikation in der aktuellen Corona-Pandemie und was braucht es dafür?
Wenn es um Gesundheitsfragen geht, besteht ein hohes Bedürfnis nach wissenschaftlich fundierten Informationen und Verhaltenshinweisen. Gute Krisenkommunikation sollte verständlich sein und berücksichtigen, dass unterschiedliche Zielgruppen unterschiedliche Informationsbedürfnisse haben und dabei diverse Medien nutzen. Wissenschaftler sind hier in hohem Maße gefordert. Vertrauen in wissenschaftliche Forschung basiert auch in Krisenphasen auf Expertise und transparenter Kommunikation.
Bezogen auf das Münsterland: Wie informieren sich die Menschen zum Thema dort, gibt es regionale Besonderheiten? Wie bewerten sie die erhaltenen Informationen?
Während der Corona-Pandemie sind klassische Medien wie Fernsehen, Radio und Regionalzeitung für die Menschen im Münsterland die wichtigsten Informationsquellen. Unsere repräsentative Befragung Anfang Mai 2020 hat ergeben, dass weit über die Hälfte der Münsterländer im Alter zwischen 14 und 80 Jahren täglich oder mehrmals pro Woche auf die Regionalzeitung als Quelle zu Gesundheitsinformationen zurückgegriffen hat. Auch das Fernsehen nimmt einen sehr wichtigen Platz im Informationsmenü der Befragten ein. Unsere Untersuchung dokumentiert ebenfalls die große Bedeutung des persönlichen Umfelds: 55 Prozent der 65- bis 80-Jährigen kommunizierten mehrmals pro Woche mit Familienmitgliedern zu Gesundheitsfragen.
Die Menschen im Münsterland sind insgesamt sehr zufrieden mit den via Medien vermittelten Gesundheitsinformationen. Sie halten die Berichterstattung für nachvollziehbar und aktuell, sie bewerten die Inhalte als kompetent, ausgewogen und vertrauenswürdig. Unsere Untersuchung im ländlich geprägten Münsterland dokumentiert, dass 40 Prozent angesichts Corona besorgt um die eigene Gesundheit sind, wobei dieser Anteil im Kreis Warendorf (48 Prozent) deutlich höher ist als in der Stadt Münster (38 Prozent).
GICK ist in eine laufende Studie eingebunden, wie sich gesundheitsbezogenes Wissen im ländlichen Raum am besten vermitteln lässt – wie sind Sie vorgegangen?
Die Studie ist Teil eines größeren vom Bundesministerium für Bildung und Forschung finanzierten Projekts, in dem wir die Rolle der Medien für die Vermittlung von Gesundheitsbezogener Kommunikation im ländlichen Raum untersuchen. Die Region Münsterland ist gekennzeichnet durch ein Nebeneinander von der Großstadt Münster (mit einem großen Universitätsklinikum) und kleineren Kommunen in den Kreisen Warendorf, Borken, Steinfurt und Coesfeld, auf die wir unsere Studie konzentrieren. Wir haben zahlreiche ausführliche Gespräche mit Experten zu Gesundheit und Vorsorge geführt: Vertretern von Krankenkassen, Ärzten, Patientenvertretern etc., um die Versorgungssituation beschreiben zu können und um zu erfahren, welche Bedeutung verschiedene Medienkanäle wie Zeitungen, Radio aber auch soziale Medien für die Vermittlung von Gesundheitsthemen haben. Die repräsentative Befragung ergänzt dieses Vorgehen und gibt uns Aufschluss über die Perspektive der Nutzer von medizinischen Informationen.
Wo sehen diese Expertinnen und Experten Stärken und Schwächen der bestehenden Kommunikationsinstrumente?
Die Interviewpartner bescheinigten uns den Einsatz eines breiten Kommunikationsmix‘, der an die jeweiligen Zielgruppen bzw. den verfolgten Kommunikationszielen angepasst wird. Wenn es um die Bereitstellung von Informationen geht, werden traditionelle Medien wie Print und Rundfunk als geeignet betrachtet. Gerade ältere Zielgruppen werden durch Print besonders gut erreicht, mittlere Altersgruppen werden durch Formatradio-Angebote angesprochen.
Gibt es bereits Erkenntnisse, die Sie den politisch Verantwortlichen als Entscheidungshilfe an die Hand geben können?
Unsere Untersuchung vermittelt sicher nur eine Momentaufnahme. Es wird jedoch deutlich, dass trotz der sehr einschneidenden Folgen der Corona-Pandemie für jeden Einzelnen und für das gesellschaftliche Zusammenleben ein hohes Vertrauen in die Wissenschaft und in handelnde Politiker besteht. Transparente Kommunikation, die auch die Vorläufigkeit und Fragilität von wissenschaftlichem Wissen nicht verschweigt, die die Notwendigkeit von einschränkenden Maßnahmen nachvollziehbar vermittelt, ist offenbar eine wichtige Voraussetzung für die Einhaltung von Hygieneregeln und der Krise angepassten Verhaltensweisen. Neben politisch Verantwortlichen auf der Bundesebene sind hier auch die lokalen und regionalen politischen Entscheidungsträger gefragt. Sie gelten als vertrauenswürdig. Erfolgreiche Krisenkommunikation nutzt viele Kanäle und berücksichtigt das differenzierte Mediennutzungsverhalten der Menschen.
Was werden die nächsten Schritte des Projekts sein?
Als nächste Schritte steht eine differenzierte Auswertung der Befragungsdaten an: Wir werden genauer untersuchen, welche Unterschiede es im Kommunikationsverhalten zu Gesundheitsfragen zwischen eher ländlichen und eher städtisch geprägten Einheiten gibt und wir blicken genauer auf einzelne Altersgruppen. Weil wir in unserer Untersuchung auch – anders als in einigen anderen repräsentativen Befragungen – die Gruppe der bis 80-Jährigen einbezogen haben, können wir zu deren Informationsbedürfnissen auch Erkenntnisse erwarten. Außerdem werden wir versuchen, die Erkenntnisse aus den ausführlichen Gesprächen mit Akteuren im Gesundheitsbereich in Beziehung zu den Ergebnissen der repräsentativen Befragung zu setzen. Im Herbst/Winter 2020 werden wir eine zweite repräsentative Befragung im Münsterland realisieren, um zu ermitteln, wie sich Medien- und Gesundheitsverhalten im Laufe der Corona-Krise oder (was zu hoffen ist) danach verändert.
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung öffnete zu Beginn der SARS-CoV-2 Pandemie das Rapid Response Modul der „Richtlinie zur Förderung eines Nationalen Forschungsnetzes zoonotische Infektionskrankheiten“ für einen Förderaufruf zur Erforschung von Covid-19. Ab dem 3. März 2020 konnten Forschende Anträge stellen, um zum Verständnis des Virus und dessen Ausbreitung beizutragen sowie um therapeutische und diagnostische Ansätze gegen Covid-19 zu entwickeln.