Oktober 2023

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Vielversprechender Schleimlöser gegen verengte Atemwege

Ein neuer Wirkstoff kann den Schleim im Auswurf von Patientinnen und Patienten mit Mukoviszidose schnell und effektiv lösen. In einem Tiermodell verbesserte er außerdem krankheitstypische Beschwerden.

Eine Frau sitzt mit einem Kind auf dem Boden und hält ihm ein Inhalationsgerät vor das Gesicht

Tägliches Inhalieren hilft auch kleinen Mukoviszidose ­Patienten, verstopfte Atemwege von zähem Schleim zu befreien und so ihre Lunge zu schützen.

dalibor/Adobe Stock

Der Schleim, den die Schleimhäute der Lunge produzieren, schützt uns vor Krankheitserregern und anderen schädlichen Reizen aus der Umwelt. Außerdem dient er der Selbstreinigung der Atemwege. Doch bei einigen Erkrankungen ist der Schleim so zäh, dass er die Atemwege verstopft. Der Luftstrom kann dann nicht mehr ungestört fließen, und es kommt zu Infektionen und Entzündungen. Das ist nicht nur bei Mukoviszidose ein Problem, sondern auch bei der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD), Asthma und Bronchiektasen. Bislang gibt es für keine der Erkrankungen effektive schleimlösende Medikamente.

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Professor Dr. Marcus Mall vom Deutschen Zentrum für Lungenforschung und Direktor der Klinik für Pädiatrie mit Schwerpunkt Pneumologie, Immunologie und Intensivmedizin an der Charité – Universitätsmedizin Berlin und sein Team haben zusammen mit Forschenden der University of California gezeigt, dass die neue Substanz MUC-031 eine starke schleimlösende und therapeutische Wirkung hat.

Dafür untersuchten sie den Auswurf von Patientinnen und Patienten mit Mukoviszidose, auch Cystische Fibrose (CF) genannt. Als Auswurf oder Sputum bezeichnet man das schleimige Sekret der unteren Atemwege, das beim Husten in den Rachenraum gelangt. Bei der genetisch bedingten Erkrankung Mukoviszidose verlegt ein zäher Schleim die unteren Atemwege, was das Atmen erschwert.

Schleim und schleimlösende Medikamente

Das strukturgebende Grundgerüst des Schleims wird von sogenannten Muzinen gebildet. Zu den wichtigsten Mechanismen der krankhaften Schleimbildung gehört eine erhöhte Konzentration sowie eine stärkere Vernetzung dieser Muzine. Thiol-Medikamente haben eine schleimlösende Wirkung, indem sie diese Vernetzungen zwischen den Muzinen spalten. Der am häufigsten verwendete Thiol-Wirkstoff, der inhaliert werden kann, ist N-Acetylcystein (NAC). Allerdings hat er den Nachteil, dass er die Bronchien verengt. MUC-031 ist ein neuartiges Thiol-Kohlenhydrat, das mithilfe der synthetischen Chemie hergestellt wurde. Professor Dr. Marcus Mall und seine Kollegen haben Thiol-Kohlenhydrate als neue Schleimlöser für ihre Untersuchungen ausgewählt, da sie wirksam sind und günstige Eigenschaften für die inhalative Einnahme haben.

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler analysierten das Verformungs- und Fließverhalten des Sputums und verglichen dabei den neuen Wirkstoff mit herkömmlichen schleimlösenden Medikamenten, sogenannten Mukolytika. Mukolytika lockern den Schleim, sodass dieser besser aus den Atemwegen abtransportiert oder abgehustet werden kann. 15 Minuten nach Wirkstoffgabe löste MUC-031 schneller und mehr schleimiges Sekret in den Sputumproben als die herkömmlichen Medikamente.

Weniger Schleim und Entzündungen in den Atemwegen

Auch in einem Mausmodell zur Mukoviszidose konnten die Forschenden zeigen, dass MUC-031 die Schleimansammlung verringert, die Entzündung der Atemwege lindert und die Überlebenschancen der Tiere verbesserte. Aufgrund dieser vielversprechenden präklinischen Ergebnisse des unter anderem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projekts ist bereits eine erste klinische Studie zur Wirksamkeit der Substanz in Planung.

„Unsere Arbeit ist ein schönes Beispiel, wie akademische Forschung zur Entwicklung neuer Therapien beitragen kann“, sagt Mall. „Außerdem zeigt sie, wie Wissen von einer seltenen genetischen Erkrankung wie Mukoviszidose auf eine Volkskrankheit wie COPD übertragen werden kann.“

Deutsches Zentrum für Lungenforschung e. V. (DZL)

Das Deutsche Zentrum für Lungenforschung e. V. (DZL) ist ein vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und von den Sitzländern geförderter Zusammenschluss aus 29 führenden universitären und außeruniversitären Einrichtungen, die sich der Erforschung von Atemwegserkrankungen widmen. Im DZL wird die grundlagen-, krankheits- und patientenorientierte Forschung auf dem Gebiet der Lungenerkrankungen koordiniert und auf internationalem Spitzenniveau durchgeführt, um so die Translation grundlagenwissenschaftlicher Erkenntnisse in neue klinische Konzepte zur Verbesserung der Patientenversorgung zu beschleunigen.
Mehr Informationen: www.dzl.de

Originalpublikation:
Addante, A., Raymond, W., Gitlin, I., et al. (2023). A novel thiol-saccharide mucolytic for the treatment of muco-obstructive lung diseases [published online ahead of print, 2023 Apr 20]. Eur Respir J. 2023;2202022. DOI: 10.1183/13993003.02022-2022

Ansprechpartner:
Prof. Dr. Marcus Mall
Charité – Universitätsmedizin Berlin
Klinik für Pädiatrie mit Schwerpunkt Pneumologie, Immunologie und Intensivmedizin
Augustenburger Platz 1
13353 Berlin
Tel.: 030 450 566-131
E-Mail: marcus.mall@charite.de

Pressekontakt:
Deutsches Zentrum für Lungenforschung e. V.
Alina Zidaric
Tel.: 0641 99-46718
E-Mail: contact@dzl.de