Von stricknadeldick bis faustgroß - Blutpumpen unterstützen kranke Herzen

Ob bei einer Herzoperation, nach einem schweren Herzinfarkt oder als Überbrückung bis zur Transplantation - Blutpumpen können kranke Herzen unterstützen und ihnen eine lebensrettende Erholungspause gönnen.

In den industrialisierten Ländern sind Herz-Kreislauf-Erkrankungen die Todesursache Nummer eins. Herzinfarkt, Herzmuskelentzündung oder andere Krankheiten können das zentrale Kreislauforgan des Menschen lebensbedrohlich schädigen. Reicht eine Behandlung mit Medikamenten nicht mehr aus, um seine Pumpleistung aufrechtzuerhalten, bleibt als letzte Maßnahme häufig nur noch die Herztransplantation. Doch Spenderherzen sind knapp und stehen daher oft nicht rechtzeitig zur Verfügung: Bis zu 25 Prozent der Patienten versterben, während sie auf ein geeignetes Herz warten. Blutpumpen können kranke Herzen unterstützen und die Zeit bis zu einer Transplantation überbrücken. Manchen Menschen ersparen sie möglicherweise den Organersatz - ihr Herz regeneriert sich in der Erholungspause. Bei anderen Patienten könnten Blutpumpen vielleicht sogar permanent die natürliche Herzfunktion ersetzen. Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Aachener Kompetenzzentrum für Medizintechnik entwickelt und optimiert solche Blutpumpen. Und das mit Erfolg. Ob Miniblutpumpe mit Formgedächtnis oder Aachener Kunstherz - die Ergebnisse der engen Zusammenarbeit von Medizinern, Ingenieuren und Naturwissenschaftlern sind viel versprechend.

Miniblutpumpe entfaltet sich im warmen Herzblut
Nur ein Stich in die Leistenarterie ist nötig, um die kleinste entfaltbare Blutpumpe der Welt im Herzen zu platzieren. Ein Forschungsprojekt des Kompetenzzentrums hat unter der Leitung von Professor Thomas Schmitz-Rode von der Aachener Universitätsklinik für Radiologische Diagnostik den ersten Prototyp einer Miniblutpumpe mit Formgedächtnis entwickelt. Ein Drahtkäfig beherbergt einen Rotor. Beide bestehen aus einer Nickel-Titan-Legierung. In zusammengeklappter Form sind sie mit drei Millimetern gerade einmal halb so groß wie die bisher kleinste Blutpumpe. Dieses Päckchen führt der Arzt in einem Katheter von der Leistenarterie bis zur linken Herzkammer. Dort schiebt er es aus dem Katheter heraus. Jetzt kommt das Päckchen mit dem Blut im Herzen in Kontakt. Die Wärme aktiviert seine Nickel-Titan-Legierung: Die Miniblutpumpe faltet sich auf, nimmt ihre ursprüngliche Form an und wird funktionsfähig. Über den Katheter ist sie mit einem Motor verbunden, den der Patient am Körper tragen soll. Mit 30.000 Umdrehungen befördert diese kleine Pumpe pro Minute drei Liter Blut, das entspricht 60 Prozent der Pumpleistung eines gesunden Herzens. Hat die Pumpe ausgedient, kann der Arzt sie wieder leicht entfernen: Ein Zug am Katheter und sie klappt zusammen.

Einsatz am Menschen für Ende 2003 geplant
"Die Miniblutpumpe könnte Herzen entlasten, die nach einem Herzinfarkt oder einer Herzmuskelentzündung lebensbedrohlich geschwächt sind. Dadurch kann sich das Organ sogar dauerhaft erholen", sagt Schmitz-Rode. Wird einem geschädigten Herzen die Arbeit abgenommen, schlägt es langsamer und seine Durchblutung steigt. Nach einem Herzinfarkt kann das entscheidend sein und die Überlebenschancen der Patienten erheblich steigern. Im Labor hat sie ihre Funktionsfähigkeit bereits bewiesen. Der erste Einsatz am Patienten ist für Ende 2003 geplant. Bis dahin arbeiten die Wissenschaftler noch an der Verbesserung der Rotor-Geometrie: Denn bisher beschädigt der Rotor Blutzellen, wenn auch nur in geringem Maße. Im Menschen könnte das die Blutgerinnung aktivieren und zu Embolien führen - mit der Gefahr eines Schlaganfalls.

Verträglichere Alternative zu herkömmlichen Herz-Lungen-Maschinen
Viel versprechend sind auch die Ergebnisse des Aachener Forschungsprojektes, das Professor Helmut Reul vom Helmholz Institut und Professor Rüdiger Autschbach, Direktor der Universitätsklinik für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie leiten. In Zusammenarbeit mit verschiedenen Firmen haben die Wissenschaftler Blutpumpen für unterschiedliche Zwecke entwickelt und sie teilweise schon bei Patienten angewendet - mit Erfolg. So kann die Blutpumpe Deltastream™ als Teil einer vereinfachten Herz-Lungen-Maschine eingesetzt werden und in Zukunft vielleicht sogar herkömmliche Geräte ersetzen. Eine spezielle Konstruktion macht es möglich, auf lange Schlauchsysteme zu verzichten. Damit fallen große Fremdoberflächen weg, die die Blutgerinnung aktivieren und dadurch Embolien verursachen können. Das verringert die Gefahr von Schlaganfällen. "Die Deltastream™ macht es uns möglich, auch Patienten mit sehr schlechter Herzfunktion zu operieren, die den Einsatz einer konventionellen Herz-Lungen-Maschine nicht überleben würden", sagt Autschbach. Bei der steigenden Zahl an Hochrisikopatienten ist das ein wichtiger Vorteil. In Aachen wurden bereits 26 Herzoperationen mithilfe der Deltastream™ -Pumpe durchgeführt. Dabei zeigte sich, dass der Einsatz dieses Systems von den Patienten besser vertragen wurde als herkömmliche Herz-Lungen-Maschinen: Die Betroffenen erholten sich nach der Operation schneller und konnten früher aus dem Krankenhaus entlassen werden.

Von der Unterstützung bis zum vollständigen Ersatz
Eine weitere Entwicklung der Forschergruppe um Autschbach und Reul ist das Aachener Kunstherz (ACcor). Es konnte im Tierversuch über acht Stunden den gesamten Kreislauf aufrechterhalten und damit eine ausreichende Durchblutung aller Organe gewährleisten. "Unser Ziel ist es, mit Accor auch längere Zeiträume bis zu einer Herztransplantation zu überbrücken und es eventuell sogar als Alternative zum Organersatz einzusetzen", erklärt Reul. Momentan arbeiten die Aachener Wissenschaftler an der Entwicklung einer kleineren Version dieses Kunstherzens, der MiniACcor-Pumpe. Tierversuche dazu sollen Anfang nächsten Jahres beginnen. Speziell mit dem Ziel, kranken Herzen die Möglichkeit zur Erholung zu geben, wurde die VERSUS-Pumpe entwickelt. Sie kann bis zu 50 Prozent der Pumpleistung eines gesunden Herzens erbringen. Damit soll sie ein stark geschwächtes Herz soweit unterstützen, dass die Patienten im Alltag zurechtkommen. Das kranke Organ kann sich dank der Entlastung auch wieder erholen. Den Betroffenen bleibt so möglicherweise sogar eine Transplantation erspart. Auch die VERSUS-Pumpe hat in Tierversuchen bereits gute Erfolge gezeigt.

Ansprechpartner:
Dr. Robert Farkas
Aachener Kompetenzzentrum Medizintechnik (AKM)
Geschäftsstelle
Technologiezentrum am Europaplatz
52068 Aachen
Tel.: 0241/9 63-24 20
Fax: 0241/9 63-24 21
E-Mail: r.farkas@akm-aachen.de
Internet: http://www.akm-aachen.de/

BMBF-Förderung
Förderschwerpunkt: Kompetenzzentren für Medizintechnik
Laufzeit: 2000-2003
Fördersumme: 9,2 Mio. Euro
Aachener Kompetenzzentrum Medizintechnik (AKM)
Miniaturisierte Komponenten und Systeme für
die Herz-Kreislauf-Therapie und Gewebetherapie
Laufzeit: 2000-2003
Fördersumme: 2,3 Mio. Euro

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Medizintechnik