Vorhofflimmern - So krank ist das Herz gar nicht

Die Muskulatur der Herzvorhöfe ist bei Patienten mit Vorhofflimmern gesünder als vermutet. Die Kraft der Vorhofmuskulatur sich zusammenzuziehen ist bei der Erkrankung nur um etwa 15 Prozent reduziert. Bisher dachte man, dass die Zellen ihre Kraft fast vollständig verlieren.

Die Muskulatur der Herzvorhöfe ist bei Patienten mit Vorhofflimmern gesünder als vermutet. Darauf weisen Wissenschaftler des Kompetenznetzes Vorhofflimmern um Dr. Dr. Ulrich Schotten hin. Nach ihren Ergebnissen ist die Kraft der Vorhofmuskulatur sich zusammenzuziehen bei der Erkrankung nur um etwa 15 Prozent reduziert. Bisher dachte man, dass die Zellen ihre Kraft fast vollständig verlieren. Außerdem kommt es entgegen der gängigen Lehrmeinung nicht zu einer Zerstörung der Vorhofmuskulatur.
In Deutschland leiden etwa eine Million Menschen an Vorhofflimmern, der häufigsten Form von Herzrhythmusstörungen. Die Forschungsergebnisse des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unterstützten Kompetenznetzes sind für sie eine gute Nachricht. Offensichtlich stehen die Chancen gar nicht schlecht, die Schlagkraft der Herzvorhöfe dauerhaft zu stabilisieren. Dadurch ließe sich das Risiko gefährlicher Komplikationen, vor allem von Schlaganfällen, senken. Diese entstehen, wenn sich aufgrund der unzureichenden Pumpleistung der Vorhöfe Blutgerinnsel bilden und ins Gehirn gelangen.
Ärzte glaubten bislang, die Herzmuskelzellen seien bei dauerhaftem Vorhofflimmern so stark geschädigt, dass sie selbst nach der Wiederherstellung des regelmäßigen Herzschlags mithilfe eines kurzen Elektroschocks (Kardioversion) nicht mehr richtig funktionieren. „Jetzt haben wir aber eine völlig neue Situation“, so Schotten. „Wenn die Vorhofmuskulatur gar nicht so krank ist, müsste man nach der Kardioversion ihre Schlagkraft durch Medikamente weitgehend wiederherstellen können.” Schotten und seine Kollegen haben deshalb in Tierversuchen eine neue Generation so genannter Kalium-Kanal-Blocker getestet. Diese Arzneien werden gegen Herzrhythmusstörungen eingesetzt, können aber aufgrund ihres Wirkmechanismus gleichzeitig die Pumpfunktion des Herzmuskels verbessern. „Wir haben gezeigt, dass die neuen Kalium-Kanal-Blocker die Kontraktionskraft der Vorhöfe nach der Kardioversion vollständig normalisieren, und zwar innerhalb von Minuten“, so Schotten. „Jetzt wollen wir Partner aus der pharmazeutischen Industrie gewinnen, um dieses zusätzliche Einsatzgebiet der Medikamente an Patienten zu erproben.“ Eine normale Herzleistung bei Patienten mit Vorhofflimmern rückt also in greifbare Nähe. Außerdem besteht die Hoffnung, länger als bisher den regulären Herzrhythmus stabilisieren zu können.
Schotten wurde für seine Erfolge auf der Frühjahrstagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie mit dem Woldemar-Mobitz-Preis 2005 geehrt. Die Auszeichnung ist mit 6.000 Euro dotiert.
Das Kompetenznetz Vorhofflimmern im Internet: www.kompetenznetz-vorhofflimmern.de

Ansprechpartner:
PD Dr. Dr. Ulrich Schotten
Medizinische Klinik I
Universitätsklinikum Aachen
c/o Department of Physiology
University Maastricht
Tel.: 0031-43388-1077
Fax: 0031-43388-4166
E-Mail: schotten@fys.unimaas.nl