Vorhofflimmern: Unterversorgung in Sachen Schlaganfallprophylaxe - Spezialisierte Zentren behandeln häufiger leitliniengerecht

Herzrasen, Kurzatmigkeit oder Schwindel - die Symptome erscheinen auf den ersten Blick harmlos, allerdings kann sich dahinter die häufigste Herzrhythmusstörung verbergen: Vorhofflimmern. Vorhofflimmern ist zwar nicht unmittelbar lebensbedrohlich, doch kann es für die Betroffenen ein erhöhtes Schlaganfallrisiko bedeuten. Um Schlaganfällen bei Patienten mit Vorhofflimmern vorzubeugen, ist in den meisten Fällen eine antithrombotische Therapie mit blutgerinnungshemmenden Medikamenten notwendig. (Newsletter 53 / September 2011)

Daten aus dem Kompetenznetz Vorhofflimmern zeigen, dass es bei der Schlaganfallprophylaxe in Deutschland Unterschiede in der antithrombotischen Behandlung gibt.

Vorhofflimmern ist die häufigste Herzrhythmusstörung. Allein in Deutschland sind rund eine Million Menschen betroffen - Tendenz steigend. Besonders ältere Menschen leiden unter Vorhofflimmern. Etwa zehn Prozent der über 80-Jährigen erkranken an dieser Herzrhythmusstörung. Vorhofflimmern ist zwar nicht unmittelbar lebensbedrohlich, kann aber zu schweren Komplikationen führen, insbesondere zum Schlaganfall. Denn bei einem unregelmäßigen Herzschlag kann es zur Verlangsamung des Blutstroms kommen. Die Folge: Es können sich kleine Blutgerinnsel im Herzen bilden und von dort über den Blutstrom in das Gehirn gelangen. Mehr als 90 Prozent der Vorhofflimmer-Patienten haben daher ein erhöhtes Schlaganfall-Risiko. So sind in Deutschland etwa 40.000 Schlaganfälle jährlich auf Vorhofflimmern zurückzuführen. "Um das Schlaganfallrisiko zu senken, ist daher in den meisten Fällen eine antithrombotische Therapie mit blutgerinnungshemmenden Medikamenten notwendig", sagt Prof. Dr. Paulus Kirchhof, Kardiologe am Universitätsklinikum Münster. Zusätzlich ist es wichtig, zugrunde liegende Erkrankungen wie Bluthochdruck, koronare Herzkrankheit oder Diabetes zu behandeln und die Herzfrequenz zu regulieren. "Darüber hinaus empfehlen die aktuellen Leitlinien bei manchen Patienten - abhängig von ihren Symptomen - eine rhythmuserhaltende Behandlung entweder mit antiarrhythmischen Medikamenten oder mit Hilfe einer Katheterablation." Bei einer Ablation wird per Katheter gezielt das Gewebe im Herzen stillgelegt, das die Herzrhythmusstörung bewirkt.

 Behandlung nicht überall gleich

Patienten mit Vorhofflimmern werden in Kliniken oder in Praxen von Kardiologen, Internisten oder Allgemeinmedizinern behandelt - auch in Sachen Schlaganfallprophylaxe. Doch ist die Qualität der Behandlung überall gleich? "Die Antwort lautet: nein. Gerade bei der Schlaganfallprophylaxe gibt es durchaus Unterschiede", fasst Professor Kirchhof die Ergebnisse eines bundesweiten Patientenregisters zusammen. Das Register wurde im Rahmen des Kompetenznetzes Vorhofflimmern (AFNET) vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert und enthält die Daten von rund 10.000 Patientinnen und Patienten mit Vorhofflimmern. Anders als bei den meisten Studien stammen die Patienten dieses Registers aus allen Ebenen der medizinischen Versorgung, das heißt rund 40 Prozent aus großen Zentren der Maximalversorgung, also zum Beispiel Universitätskliniken,24 Prozent aus kleineren regionalen Krankenhäusern, 28 Prozent aus kardiologischen Fachpraxen und 8 Prozent aus Praxen von Allgemeinärzten oder Internisten. Deutschlandweit haben 72 Kliniken und 122 Praxen Patientinnen und Patienten in das Register des Kompetenznetzes eingeschlossen.

"Zwar werden Patienten mit Vorhofflimmern insgesamt überwiegend leitliniengerecht behandelt, doch besonders bei der Schlaganfallprophylaxe gibt es eine Unterversorgung", sagt Professor Kirchhof. Das heißt: Nicht alle Patienten mit hohem oder sehr hohem Schlaganfallrisiko bekommen eine angemessene gerinnungshemmende Therapie, wie sie von den Leitlinien empfohlen wird. Das Ergebnis der Registerdaten: In Universitätskliniken und bei niedergelassenen Kardiologen werden Patienten häufiger leitliniengerecht antithrombotisch behandelt als in weniger spezialisierten regionalen Krankenhäusern und Hausarztpraxen. Professor Kirchhof: "Während in Universitätskliniken und bei niedergelassenen Kardiologen, also in den spezialisierten Fachzentren, rund 70 Prozent der Patienten leitliniengerecht antithrombotisch behandelt wurden, waren es in den weniger spezialisierten regionalen Krankenhäusern und Hausarztpraxen nur rund 50 Prozent."  

Gezielte Schulung von Ärzten nötig  

 Die Entscheidung für oder gegen eine antithrombotische Behandlung hängt also offensichtlich davon ab, wie spezialisiert die Klinik oder Praxis beziehungsweise die dort tätigen Ärzte sind. "Ich führe diesen Unterschied im Wesentlichen darauf zurück, dass die Kardiologen, die überwiegend in den spezialisierten Zentren arbeiten, im Bereich der antithrombotischen Behandlung möglicherweise besser informiert sind als Ärzte in den weniger spezialisierten Zentren", meint Professor Kirchhof. Um dieses Defizit zu verbessern, fordern die Wissenschaftler des Kompetenznetzes Vorhofflimmern deshalb zukünftig eine gezielte und intensive Schulung der Ärzte hinsichtlich der aktuellen Behandlungsleitlinien im Bereich der Schlaganfallvorbeugung. Bei anderen Behandlungsentscheidungen, wie zum Beispiel für oder gegen eine rhythmuserhaltende Behandlung, wurde kein Unterschied zwischen den unterschiedlichen Zentren gefunden.  


Vom 01. bis 30. November 2011 finden bundesweit die Herzwochen statt. Dieses Jahr hat die Deutsche Herzstiftung den Bluthochdruck zum Thema gewählt.


Was ist ein Register?
Ein Patientenregister erfasst Informationen und Behandlungsdaten von Patienten, die von einer bestimmten Krankheit betroffen sind, wie etwa Patienten mit Vorhofflimmern. So hat das Kompetenznetz Vorhofflimmern (AFNET), das seit 2003 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wird, das Auftreten von Vorhofflimmern und die Behandlung von Patienten mit Vorhofflimmern in Deutschland in einem großen bundesweiten Register erfasst und dokumentiert. Zwischen 2004 und 2006 wurden fast 10.000 Patientinnen und Patienten in das Register aufgenommen und mindestens einmal jährlich Daten zum Krankheitsverlauf und zur Behandlung von jedem Patienten erhoben. Durch eine Verteilung der Registerpatienten über das gesamte Bundesgebiet und auf alle Ebenen der medizinischen Versorgung ergibt sich ein repräsentatives Bild von Patientencharakteristika und derzeitiger Behandlungssituation. Das Ziel des Registers ist es, die Versorgung und Behandlung von Vorhofflimmern in Deutschland zu verbessern.

Weitere Informationen:
http://www.kompetenznetz-vorhofflimmern.de  


Ansprechpartner:
Prof. Dr. Paulus Kirchhof
Universitätsklinikum Münster und
University of Birmingham Centre for Cardiovascular Sciences
City Hospital
Birmingham B18 7QH
England, UK
E-Mail: kirchhp@uni-muenster.de