Wein, Bier, Schnaps & Co.: Damit aus Genuss kein Problem wird - Prävention von Alkoholmissbrauch

Ein Gläschen Wein am Abend, ein Bier in geselliger Runde oder ein Verdauungsschnaps nach dem Sonntagsbraten – Alkohol ist in unserem Alltag allgegenwärtig. Wenn Alkohol zum Problem wird, sind die Betroffenen und ihre Familien oftmals auf Unterstützung angewiesen. Ab sofort gibt es ein neues Angebot speziell für Migrantinnen und Migranten, die bislang nicht von einem geeigneten Präventionsangebot profitieren konnten. (Newsletter 59 / Oktober 2012)

Alkoholmissbrauch tritt in jedem Alter und in allen sozialen Schichten auf. Die Grenze, bis wann der Alkoholkonsum noch akzeptabel ist und ab wann er zum Problem wird, verläuft dabei fließend. In Deutschland sind schätzungsweise 1,3 Millionen Menschen alkoholabhängig und weitere 8,4 Millionen trinken in riskantem Ausmaß Alkohol. „Das sind alarmierende Zahlen. Besonders wenn man bedenkt, dass übermäßiger Alkoholkonsum das Risiko für zahlreiche körperliche und psychische Erkrankungen erhöht“, betont der Projektleiter Privatdozent Dr. Isaac Bermejo. Auch für Männer und Frauen mit Migrationshintergrund ist Alkohol immer häufiger ein Problem – besonders ab dem 50. Lebensjahr. „Für Deutsche gibt es zahlreiche Angebote zur Suchtprävention. Migrantinnen und Migranten hingegen“, sagt Privatdozent Dr. Bermejo, „stehen meist ganz allein mit ihrem Problem da.“

„Typisch deutsch“ schlägt fehl

Bildquelle: Universitätsklinikum FreiburgDie Informationsbroschüre „Gesund bleiben, Lebensqualität erhalten – Wissenswertes zum Thema Alkohol” auf Russisch. Obwohl die Weltgesundheitsorganisation WHO fordert, dass im Gesundheitswesen nicht nur körperliche und psychische Aspekte, sondern auch soziale, sprachliche und kulturelle Faktoren berücksichtigt werden müssen, ist hierzu in Deutschland bislang nicht viel passiert. Für Migrantinnen und Migranten gibt es in unserem Gesundheitssystem noch immer zu viele kommunikative und administrative Barrieren – auch in Sachen Suchthilfe. Mit Unterstützung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) hat deshalb eine Forschungsgruppe um Privatdozent Dr. Bermejo am Universitätsklinikum Freiburg ein neues Suchthilfekonzept entwickelt, das sich speziell an ältere Migrantinnen und Migranten richtet. „Unsere Gruppensitzungen finden zwar ebenfalls auf Deutsch statt, die verwendeten Präsentationsfolien und Informationsbroschüren allerdings sind in der Muttersprache der Teilnehmer“, beschreibt Privatdozent Dr. Bermejo. Gerade sprachliche Barrieren haben bislang viele Migrantinnen und Migranten von der Teilnahme an Suchthilfegruppen abgehalten. „Außerdem werden auch kulturelle Besonderheiten berücksichtigt.“ In einer Studie mit mehr als 340 Teilnehmern hat sich gezeigt, dass das neue Prinzip tatsächlich Erfolg hat: Während nur rund 17 Prozent der Migrantinnen und Migranten, die an einer „typisch deutschen“ Präventionsgruppe teilnahmen, ein halbes Jahr später ihren Alkoholkonsum verändert hatten, gaben mehr als 31 Prozent der Teilnehmenden aus den neuen transkulturellen Präventionsgruppen an, weniger zu trinken. 18 Prozent hatten dem Alkohol sogar gänzlich entsagt.

„Besonders gut kommen auch unsere Informationsbroschüren an, die wir auf Deutsch, Türkisch, Russisch, Spanisch und Italienisch anbieten und die kulturelle und migrationsspezifische Aspekte berücksichtigen“, sagt Privatdozent Dr. Bermejo. Diese Broschüren werden im Schnitt von mehr als 70 Prozent der Hilfesuchenden vollständig gelesen, während das bei den bisherigen Broschüren nur rund 20 Prozent taten.

Damit Suchtberatungsstellen und Migrationsdienste die erfolgreichen kultursensiblen und muttersprachlichen Präventionsgruppen anbieten können, stellen die Freiburger Wissenschaftler im Internet alle Materialien hier  kostenfrei zur Verfügung. 


Riskanter Konsum

Riskanter Alkoholkonsum beginnt bei Frauen ab täglich zwei Gläsern Wein (je 1/8 Liter), Bier (je 0,33 Liter) oder Schnaps (je 0,02 Liter) und bei Männern ab drei Gläsern.



Ansprechpartner:

Priv. Doz. Dr. Isaac Bermejo
Celenus-Kliniken GmbH
Moltkestraße 27
77654 Offenburg
Tel.: 0781 932036-310
Fax: 0781 932036-960
E-Mail: i.bermejo@celenus-kliniken.de

Fabian Frank & Dr. Lars P. Hölzel
Universitätsklinikum Freiburg
Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie
AG Klinische Epidemiologie und Versorgungsforschung
Tel.: 0761 270-69870
Fax: 0761 270-69890
E-Mail: fabian.frank@uniklinik-freiburg.de