Jedes Jahr sterben mehr als eine Million Menschen an Malaria. Viele davon sind Kinder. Die lebensgefährliche Infektionskrankheit bedroht in erster Linie Menschen in den ärmsten Regionen der Welt. Ein Wissenschaftlerteam des Hamburger Bernhard-Nocht-Instituts für Tropenmedizin hat jetzt Veränderungen im Erbgut gefunden, die vor schweren Verläufen der Infektion schützen. Hierbei ist es den Forscherinnen und Forschern erstmals gelungen, eine moderne genetische Methode einzusetzen, die bei Infektionskrankheiten bislang wenig erfolgreich war. (Newsletter 61 / Februar 2013)
Malaria – auch Sumpffieber oder Wechselfieber genannt – ist eine Tropenkrankheit, die jedes Jahr weltweit für etwa 1,2 Millionen Todesfälle verantwortlich ist. Sie wird durch den Stich einer weiblichen Anopheles-Mücke übertragen und von einzelligen Parasiten der Gattung Plasmodium ausgelöst. Obwohl sich die Malaria in frühen Krankheitsstadien gut behandeln lässt, konnte sie in den Armutsgegenden aufgrund mangelnder medizinischer Versorgung bislang nicht eingedämmt werden.
Genetische Anlagen schützen vor Erkrankung
Die Erforschung möglicher Schutzmechanismen, die den Ausbruch der Krankheit oder tödliche Verläufe verhindern, ist daher ein wichtiges Forschungsgebiet. Seit der Entdeckung der Sichelzell-Anämie wissen wir: Es gibt genetische Veranlagungen, die ihre Träger vor tödlicher Malaria schützen können. Bei der Sichelzell-Anämie tragen die Betroffenen eine Mutation im Hämoglobin-Gen, also in dem Gen, das für die Bildung des roten Blutfarbstoffs verantwortlich ist. Diese Anlage schützt Menschen fast vollständig vor den tödlichen Verläufen der Malaria. Untersuchungen haben jedoch gezeigt, dass die Sichelzellen-Anlage nur einen Bruchteil des Schutzes vor der Tropenkrankheit ausmacht, der insgesamt durch genetische Veranlagungen des Menschen bewirkt werden kann. Demnach bleiben noch zahlreiche genetische Varianten zu entdecken, die ebenfalls zum Schutz vor Malaria beitragen.
Dieser Aufgabe hat sich ein Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Hamburger Bernhard-Nocht-Instituts für Tropenmedizin gestellt. Unter der Leitung von Prof. Dr. Rolf Horstmann sollten durch Einsatz einer speziellen Technik, der sogenannten Genomweiten Assoziationsstudie, kurz GWAS (siehe Infobox), bislang unbekannte genetische Schutzmechanismen gegen Malaria identifiziert werden.
Kleinkind mit lebensbedrohlicher Beteiligung des Gehirns bei Malaria. Die
Aufnahme entstand im Komfo Anokye Teaching Hospital in Kumasi, Ghana.
Bildquelle: Mika Väisänen
3.000 Kleinkinder in Ghana untersucht
Die Studie wurde in enger Kooperation mit dem Universitätskrankenhaus von Kumasi in Ghana sowie den Universitäten Kiel und Lübeck durchgeführt und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Nationalen Genomforschungsnetz (NGFN) gefördert. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler untersuchten das Erbgut von nahezu 3.000 ghanaischen Kleinkindern mit lebensbedrohlichen Verläufen der Malaria auf jeweils 1 Million Mutationen. Parallel dazu wurden in den Stadtteilen und Dörfern, aus denen die malariakranken Kinder stammten, von etwa 2.000 gleichaltrigen, nicht betroffenen Kindern ebenfalls Blutproben für den genetischen Vergleich entnommen. „Bei der lebensbedrohlichen Malaria handelt es sich in den Malariagebieten in der Regel um Erkrankungen bei Kleinkindern, die häufig durch die Malaria zudem unter schwerer Blutarmut leiden. Daher konnten wir für die genetische Analyse nur Reste von Blutproben verwenden, die ohnehin für die Diagnostik entnommen wurden“, erklärt Professor Horstmann.
Eine schwierige Ausgangssituation, die Professor Horstmann aber noch auf ganz andere Weise Kopfzerbrechen bereitet hat: „Genomweite Assoziationsstudien sind bereits bei zahlreichen Krankheiten wie beispielsweise Diabetes, Herzinfarkt oder Schizophrenie mit großem Erfolg angewandt worden. Bei Infektionskrankheiten waren die Erfolge aber dünn.“ Erschwerte Bedingungen also für den methodisch anspruchsvollen und wissenschaftlich ehrgeizigen Ansatz.
Genetiker identifizieren neuen Schutzmechanismus
Die Anopheles-Mücke, Überträgerin der MalariaAber allen negativen Vorzeichen zum Trotz sollte der Einsatz der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler belohnt werden: Die Studie gelang. „Das Wichtigste an unserer Studie war zu zeigen, dass die Methode der Genomweiten Assoziationsstudie auch bei Infektionskrankheiten mit Erfolg angewandt werden kann. Zudem haben wir zwei Gene entdeckt, die möglicherweise vor Malaria schützen können“, so Professor Horstmann. Das eine Gen reguliert die Bildung von Ionenkanälen in roten Blutkörperchen, das zweite die Abdichtung von Zellen der Blutgefäßwand.
Der Schlüssel zum Medikament
Doch wie geht es jetzt weiter? Genetische Mutationen, wie sie in dieser Studie entdeckt wurden, sind nicht unmittelbar für diagnostische, therapeutische oder prophylaktische Maßnahmen nutzbar. Gene bilden die Grundlage für die Herstellung von Eiweißen in unserem Körper, den Proteinen. Es sind dann schlussendlich die Proteine, die wichtige Funktionen übernehmen, zum Beispiel den Sauerstofftransport im Blut oder die Abwehr von Krankheitserregern. „Wir müssen daher die Rolle der Proteine verstehen, die hinter den Genen stehen“, erklärt Professor Horstmann. Diesen Weg haben die Forscherinnen und Forscher am Hamburger Bernhard-Nocht-Institut nun eingeschlagen. Welche Rolle die beiden Proteine beim Schutz vor Malaria spielen, ist bislang unklar. Dieses Verständnis ist jedoch die Grundlage für die Entwicklung von Medikamenten und Impfstoffen. Bis dahin ist es noch ein weiter Weg.