Wie viel können wir unserem Kind zutrauen? Darf unser Kind trotz des Herzfehlers Sport machen? Diese und viele weitere Fragen beschäftigen die Eltern von Kindern mit einem angeborenen Herzfehler. Denn auch nach einer erfolgreichen Behandlung ist die körperliche Belastbarkeit und Leistungsfähigkeit der Patienten oftmals eingeschränkt. Bislang konnten die behandelnden Ärzte auf diese Fragen keine genaue Antwort geben. Es fehlte an Daten, um die Belastbarkeit realistisch einzuschätzen. Dank einer Studie des Kompetenznetzes Angeborene Herzfehler ist das nun anders.
Jedes Jahr kommen in Deutschland rund 6.000 Babys mit einem angeborenen Herzfehler zur Welt. Durch die großen medizinischen Fortschritte in den letzten Jahrzehnten kann den meisten von ihnen sehr gut geholfen werden: Heute erreichen – durch Operationen, Interventionen und medikamentöse Therapien – fast 90 Prozent der Kinder das Erwachsenenalter. Derzeit leben in Deutschland schätzungsweise 300.000 Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit einem angeborenen Herzfehler. Nicht selten haben die kleinen, aber auch großen Patientinnen und Patienten mit einem angeborenen Herzfehler Probleme mit ihrer Belastbarkeit in der Schule, im Beruf, im Familienleben und in ihrer Freizeit. So kommen viele Fragen auf, beispielsweise zum geeigneten Sportverhalten oder zur Berufswahl. „Auf diese Fragen hatten die betreuenden Kinderkardiologen und Kardiologen bislang meist keine genaue Antwort“, sagt Dr. Karl-Otto Dubowy vom Kompetenznetz Angeborene Herzfehler. „Denn um die Belastbarkeit realistisch einzuschätzen und einzuordnen, sind sowohl Vergleichswerte von gesunden Kindern, Jugendlichen, Erwachsenen und Senioren nötig als auch von Patienten mit angeborenen Herzfehlern aller Altersklassen. Diese Referenzwerte fehlten uns bislang.“
Das ist nun anders. Denn mit Unterstützung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) hat Dr. Dubowy eine Studie zur objektiven Belastbarkeit durchgeführt. „Hierfür haben wir in Bad Oeynhausen bei mehr als 2.000 gesunden Probanden über fünf Jahre hinweg Normwerte für die körperliche Belastbarkeit erhoben“, so Dr. Dubowy. Die Belastbarkeit von gesunden Probanden wurde auf dem Fahrrad und Laufband untersucht sowie die in sechs Minuten erreichte Gehstrecke auf ebener Fläche gemessen. Zeitgleich wurden in mehr als 20 Herzzentren und Kliniken Patienten mit angeborenem Herzfehler systematisch nachuntersucht.
„Wichtig ist, dass wir ,mitwachsende‘ Referenzwerte erhoben haben, weil wir Patienten aus allen Altersklassen – vom Grundschulalter bis zum Seniorenalter – untersucht haben.“ Denn die körperliche Belastbarkeit ändert sich erheblich im Laufe des Lebens und nimmt besonders in jungen Jahren aufgrund des Wachstums stark zu. „Deshalb war es gerade bei Kindern und Jugendlichen bislang kaum möglich herauszufinden, welchen Einfluss zum Beispiel eine Operation, eine Intervention oder eine medikamentöse Therapie auf die Leistungsfähigkeit hat“, beschreibt Dr. Dubowy. Mit Hilfe der nun vorliegenden umfangreiche Bestandsaufnahme zur objektiven körperlichen Leistungsfähigkeit in Abhängigkeit von Alter, Geschlecht und der Art des angeborenen Herzfehlers ist es nun möglich, den tatsächlichen Effekt einer Therapie gegenüber dem physiologischen Wachstum abzugrenzen und Rückschlüsse auf die therapeutischen Maßnahmen zu ziehen.
Für die Bestimmung der individuellen Belastbarkeit von Patientinnen und Patienten mit angeborenem Herzfehler steht den behandelnden Ärzten zukünftig im Internet unter www.kompetenznetz-ahf.de ein Webtool „Onlineauswertung Objektive Belastbarkeit“ zur Verfügung. „Die Werte eines Patienten können hier zu Normwerten in Bezug gesetzt und so die individuelle Belastbarkeit bestimmt werden“, erklärt Dr. Dubowy.