Unser Immunsystem ist darauf ausgerichtet Krankheitserreger schnell zu erkennen und effektiv zu beseitigen. Welche Faktoren dazu beitragen, dass sich ein Virus trotzdem in unserem Körper ausbreiten kann, untersucht ein Forschungsteam aus Ulm.
Damit sich ein Virus im Körper vermehren kann, muss es unserer Immunabwehr entgehen. Dies gilt auch für die unterschiedlichen Arten von Coronaviren. Während einige von ihnen beim Menschen nur harmlose Erkältungssyndrome auslösen – von unserem Immunsystem also gut in Schach gehalten werden -, kann eine Infektion beispielsweise mit dem MERS-Erreger oder in selteneren Fällen auch mit SARS-CoV-2 lebensbedrohlich verlaufen. „Einigen Coronaviren gelingt es zunächst, die Immunreaktion ihres Wirts so zu unterdrücken, dass sie sich ungestört vermehren können. Eine spätere, aufgrund der hohen Viruslast überschießende Abwehrreaktion des Infizierten kann dann allerdings zu schweren, mitunter tödlichen Krankheitsverläufen führen“, erklärt Professor Frank Kirchhoff vom Institut für Molekulare Virologie an der Ulmer Universitätsmedizin.
Die Ursachen für die unterschiedliche Pathogenität der Viren liegen wahrscheinlich sowohl in der körpereigenen Immunantwort des Menschen als auch in den viralen Eigenschaften selber. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um Kirchhoff wollen daher zunächst untersuchen, welche molekularen Eigenschaften es dem Virus ermöglichen, die Immunantwort des Wirtes zu umgehen. Im Zentrum des Projektes RestrictSARS-CoV2 stehen neben SARS-CoV-2 auch das MERS-Coronavirus, der SARS-Erreger sowie einige andere relativ harmlose Coronaviren. Durch einen Vergleich der unterschiedlichen Erreger wollen die Forschenden die biologischen Grundlagen besser verstehen und die Mechanismen identifizieren, die einige dieser Viren für den Menschen so gefährlich machen. Sie suchen aber auch nach Möglichkeiten, unser Immunsystem dahingehend zu modulieren, dass sich schwere Krankheitsverläufe zukünftig vermeiden lassen.
Die angeborene Immunantwort des Menschen im Blick
Für die Forschenden steht dabei zunächst die angeborene Immunantwort des Menschen im Fokus. Sie arbeitet bei einem gesunden Menschen schnell und effektiv: Meist nur wenige Minuten nach dem Eindringen des Krankheitserregers wird dieser als fremd erkannt und innerhalb weniger Stunden oder Tage vollständig eliminiert. Auch die Aktivierung von Entzündungsreaktionen ist Teil der angeborenen Immunantwort und trägt dazu bei, Krankheitserreger wirkungsvoll zu bekämpfen. In Zellkulturen werden die Ulmer Forschenden analysieren, wie verschiedene Viruskomponenten die unterschiedlichen Faktoren der angeborenen Immunantwort manipulieren, um sich in den Wirtszellen zu vermehren. Darüber hinaus gehen sie der Frage nach, inwieweit sich SARS-CoV-2 während der bestehenden Pandemie an den Menschen anpasst und somit möglicherweise seine Ausbreitung beschleunigt. Ihre Ergebnisse könnten zukünftig nicht nur dazu beitragen, den krankmachenden Mechanismus der Viren besser zu verstehen, sondern auch helfen, das Risiko zukünftiger Pandemien besser einschätzen zu können. Zudem könnten sie die Entwicklung von Immuntherapien gegen SARS-CoV-2 unterstützen.
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung öffnete zu Beginn der SARS-CoV-2 Pandemie das Rapid Response Modul der „Richtlinie zur Förderung eines Nationalen Forschungsnetzes zoonotische Infektionskrankheiten“ für einen Förderaufruf zur Erforschung von COVID-19. Ab dem 3. März 2020 konnten Forschende Anträge stellen, um zum Verständnis des Virus und dessen Ausbreitung beizutragen sowie um therapeutische und diagnostische Ansätze gegen COVID-19 zu entwickeln.