Zu Hause wieder laufen lernen - Neuartiger Gehtrainer ermöglicht Querschnittgelähmten und Schlaganfallpatienten Therapie im häuslichen Umfeld

Patienten, die wegen eines Schlaganfalls oder einer inkompletten Querschnittlähmung nur eingeschränkt gehen können, sollten auch nach der Entlassung aus der Klinik ihre Gehfähigkeit intensiv weiter trainieren. Bisher existieren aber keine effektiven Therapiegeräte für den Einsatz zu Hause. Daher haben Wissenschaftler von der Universität Ulm und der Orthopädischen Universitätsklinik Heidelberg mit Unterstützung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) einen Gehtrainer entwickelt, der in Zukunft eine Bewegungstherapie zu Hause ermöglicht.

Er soll Patienten dabei helfen, die Erfolge, die während des Klinikaufenthalts erzielt werden, zu Hause selbstständig zu festigen und weiter zu verbessern. Jährlich erleiden 1.200 Menschen in Deutschland eine inkomplette Querschnittlähmung. Auch Menschen nach einem Schlaganfall sind oftmals in ihrer Gehfunktion eingeschränkt. Eines der wichtigsten Ziele der Rehabilitation ist, wieder gehen zu lernen. Denn gehen zu können bedeutet für die Patienten einen Gewinn an Lebensqualität und erleichtert ihnen den Wiedereinstieg ins Berufsleben. Derzeit haben Patienten allerdings nur in der Klinik die Möglichkeit, eine intensive Bewegungstherapie an Großgeräten durchzuführen. Für die Zeit nach der Entlassung gibt es außer der krankengymnastischen Behandlung kaum gerätegestützte Trainingsmöglichkeiten. Damit Patienten wieder ihren eigenen Schritt finden, müssen sie jedoch häufig und regelmäßig üben. Ansonsten können die Erfolge, die während des Klinikaufenthaltes erreicht wurden, wieder verloren gehen.


Um Patienten in Zukunft eine effektive und selbstständige Bewegungstherapie zu Hause zu ermöglichen, haben Wissenschaftler der Universität Ulm zusammen mit einem Team der Orthopädischen Universitätsklinik Heidelberg mehrere Therapiegeräte für das häusliche Training entwickelt. Unterstützt wurde das Projekt vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF).

Erfolgreiches Lauftraining durch Stimulation der Fußsohle
Prof. Dr. Eberhard Hofer, Projektleiter von der Universität Ulm, erläutert das Grundprinzip des Gehtrainers „MoreGait“: „Nervenstrukturen im Gehirn und Rückenmark lassen sich nach einer inkompletten Querschnittlähmung durch wiederholte Reize von außen trainieren. Dadurch können Muskeln wieder aktiviert werden, die für das Laufen wichtig sind.“ Dabei ist es entscheidend, dass die Fußsohle belastet wird. Durch diesen Reiz lernen die Nervenzellen und organisieren sich neu. Daher musste der Patient bisher in aufrechter Position trainieren, was in der Regel nur unter Aufsicht möglich ist. Mit dem MoreGait-Therapiegerät kann der Patient nun sicher und eigenständig in sitzender oder halb-liegender Position trainieren. Möglich wird dies durch ein computergesteuertes Fußteil, den sogenannten stimulativen Schuh, mit dem das Abrollen des Fußes nachgeahmt und dadurch der wichtige Reiz an den Fußsohlen erzeugt wird.

Wird mit dem MoreGait trainiert, wirken ähnliche Kräfte auf den Bewegungsapparat wie beim normalen Gehen. Die Gelenkbewegung wird von sogenannten künstlichen Muskeln unterstützt, deren Wirkprinzip den biologischen Muskeln nachempfunden ist. „Vereinfacht gesagt handelt es sich um einen Schlauch, der sich unter dem Druck eines einströmenden Mediums, in der Regel Luft, um bis zu 25 Prozent seiner Ausgangslänge verkürzen kann. Das ermöglicht ein sicheres Training, da die Gehbewegung der Beine durch die Nachahmung des natürlichen Muskelverhaltens besonders weich gestützt wird“, so Prof. Hofer.

Pilotstudie überprüft Verbesserung der Gehfähigkeit
Das Therapiegerät für die „MotionTherapy@Home“, so der Titel des Programms, kann individuell an die Bedürfnisse des Patienten angepasst werden und ist einfach zu bedienen. MoreGait erkennt, wie viel Kraft der Trainierende selbst aufbringt und gibt nur die erforderliche Unterstützung. Gleichzeitig kann der Patient auf einem Display verfolgen, an welcher Schrittphase das Gerät ihn stärker unterstützen muss. Dadurch kann der Trainierende gezielt an seinen Schwachstellen arbeiten. Derzeit kommt das Gerät erstmals in einer klinischen Pilotstudie bei 30 Patienten im Heimbereich zum Einsatz. Die Studie soll klären, wie effektiv das Lauftraining mit dem Heimgerät bei Patienten mit inkompletter Querschnittslähmung ist. Eine zentrale Fragestellung ist, ob die während der Therapie in der Klinik antrainierten Fähigkeiten erhalten bleiben. Das Gerät ist auch für andere Patientengruppen interessant. So können die Ergebnisse des Projekts auch für die Bewegungstherapie von alten Menschen und von Patienten mit einer Knie- oder Hüftgelenkprothese wegweisend sein.

Weitere Informationen:
www.MoreGait.de

Ansprechpartner:
Prof. Dr. Eberhard P. Hofer
Dipl.-Ing. Markus Knestel
Institut für Mess-, Regel- und Mikrotechnik
Universität Ulm
Albert-Einstein-Allee 41
89081 Ulm
Tel.: 0731 50 263-07
Fax: 0731 50 263-44
E-Mail: eberhard.hofer@uni-ulm.de , markus.knestel@uni-ulm.de

Dr.-Ing. Rüdiger Rupp
Orthopädische Universitätsklinik
Schlierbacher Landstr. 200a
69118 Heidelberg
Tel.: 06221 96 923-0
Fax: 06221 96 923-4
E-Mail: ruediger.rupp@ok.uni-heidelberg.de