Wissenschaftler identifizieren Tumorzell-Produkte, die sich als Impfstoffe gegen
verschiedene Formen von Lymphknotenkrebs eignen
Die Pocken hat sie bereits ausgerottet, die Kinderlähmung weitgehend eingedämmt. Ob eine Impfung bald auch manchen Lymphomen den Garaus machen kann, untersuchen Wissenschaftler des Kompetenznetzes "Maligne Lymphome". Die bisherigen Ergebnisse sind vielversprechend.
Lymphome sind bösartige Tumoren. Sie entstehen aus speziellen Zellen des Immunsystems, den B- und T-Zellen. In den letzten Jahren erkranken in den westlichen Ländern immer mehr Menschen. Eine Heilung ist oft nicht möglich. "Obwohl große Fortschritte in der Therapie erzielt wurden, führen Lymphome immer noch bei mehr als der Hälfte der Patienten zum Tod", sagt Professor Michael Pfreundschuh von der Uniklinik des Saarlandes in Homburg. Um die Defizite der klassischen Behandlung – Chemotherapie und Bestrahlung – zu überwinden, gehen Pfreundschuh und seine Mitarbeiter neue Wege, indem sie Impfstoffe gegen die Tumoren entwickeln. Zunächst soll es T-Zell-Lymphomen an den Kragen gehen – also Tumoren, die sich aus T-Zellen gebildet haben. Sie machen zwar nur zehn Prozent aller Lymphome aus, haben jedoch eine deutlich schlechtere Prognose als B-Zell- Lymphome. "Insofern wäre es gerade hier sehr wichtig, eine Impfung an der Hand zu haben", erläutert Pfreundschuh. Sein Team hat inzwischen mehrere Impfstoff-Kandidaten gefunden.
Das Immunsystem dazu bringen, den Tumor zu attackieren
Die Wissenschaftler gehen ähnlich vor wie bei einer aktiven Impfung gegen Bakterien oder Viren. Aktive Impfung bedeutet, dass den Patienten abgetötete Krankheitskeime oder Teile von ihnen verabreicht werden. Der Körper erkennt diese als fremd, bildet Antikörper gegen sie und kann im Falle einer Infektion die Erreger gezielt bekämpfen. Übertragen auf die Lymphome hatte Pfreundschuh folgende Idee: mithilfe von Bestandteilen oder Produkten der Lymphome das Immunsystem aktivieren und dazu bringen, das Tumorgewebe zu attackieren. Als Impfstoffe kommen nur Substanzen in Frage, die vom Immunsystem als fremd erkannt werden. Sie dürfen also ausschließlich im Tumorgewebe vorkommen. Heiße Anwärter für einen Impfstoff sind deshalb Cancer-Testis-Antigene (CTA). Sie werden von vielen verschiedenen Tumorarten produziert. Im gesunden Gewebe – mit Ausnahme des Hodens – finden sie sich dagegen nicht.
Impfstoff-Kandidaten identifiziert
Die Forscher konnten zeigen, dass CTA, die sie bereits von anderen Tumorarten kannten, auch von den meisten T-Zell-Lymphomen gebildet werden. Es gelang ihnen, einige CTA zu identifizieren, die sich für die Entwicklung entsprechender Impfstoffe eignen. Inzwischen haben sie sogar nachgewiesen, dass Teilstücke dieser CTA ausreichen können, um eine Immunantwort gegen T-Zell-Lymphome in Gang zu bringen. Diese Entdeckung hat praktische Bedeutung: Denn es ist wesentlich einfacher und kostengünstiger, einen Impfstoff aus solchen Teilstücken herzustellen als aus dem gesamten CTA. Sollte sich die Wirksamkeit dieses Ansatzes in weiteren Laborversuchen bestätigen, hätten die Wissenschaftler eine der wichtigsten Voraussetzungen dafür geschaffen, einen Impfstoff an Patienten mit T-Zell-Lymphomen zu testen. Das Saarbrücker Projekt wird im Rahmen des Kompetenznetzes "Maligne Lymphome" vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert.
Neue Methoden sind notwendig
Aber Pfreundschuh und seine Kollegen lassen auch die wesentlich häufigeren B-Zell-Lymphome nicht außer Acht. Um neue CTA zu identifizieren, haben sie die so genannte SEREX-Methode weiterentwickelt. "Diese Technik stellt eine Revolution in der Tumorimmunologie dar", sagt Pfreundschuh. Bei der Methode werden Antikörper aus dem Blutserum von Krebspatienten genutzt, um Tumorgewebe nach Angriffspunkten für die körpereigene Abwehr – den Antigenen – zu durchforsten. Solche Antigene könnten dann für die Entwicklung von Impfstoffen verwendet werden. In Bezug auf die B-Zell-Lymphome können die Wissenschaftler mittlerweile einen Teilerfolg verbuchen. Es ist ihnen gelungen, ein bislang unbekanntes CTA zu identifizieren. Auch wenn es nur von einigen B-Zell-Lymphomen produziert wird, unterstreicht dies das Potenzial der Methode. Um letztlich einen breit einsetzbaren Impfstoff-Kandidaten zu finden, müssen die Nachweismethoden weiter verfeinert und die Suche fortgesetzt werden.
Besser einheitlich als individuell
Das Impfen gegen Lymphome hat eine gewisse Tradition. Schon seit einiger Zeit werden zum Beispiel gentechnisch hergestellte Antikörper erfolgreich eingesetzt, die sich gegen Tumorzellen richten. Dieser Ansatz ist vergleichbar mit einer passiven Impfung gegen Krankheitserreger: Der Körper produziert die Antikörper nicht selbst, sondern sie werden von außen zugeführt. Darüber hinaus ist bekannt, dass der Einsatz von Immunglobulinen als Impfstoff erfolgreich sein kann. Diese Eiweiße werden von B-Zell-Lymphomen gebildet. Jedes Lymphom stellt ein eigenes, einzigartiges Immunglobulin her. Diese Eigenschaft ist der größte Nachteil der Methode: Für jeden Patienten müssen die Mediziner nämlich einen ganz individuellen Impfstoff produzieren. "Die Herstellung von Impfstoffen aus Immunglobulinen der B-Zell-Lymphome ist sehr aufwändig und teuer. Das dürfte langfristig ihren Einsatz in der klinischen Routine verhindern", sagt Pfreundschuh. Unter anderem aus diesem Grund hatte sich sein Team den CTA und anderen Tumorbestandteilen zugewandt, die bei den Patienten einheitlich sind. Erst dadurch wird es möglich, mit demselben Impfstoff vielen Betroffenen zu helfen.
Ansprechpartner:
Professor Dr. Michael Pfreundschuh
Medizinische Klinik I
Universität des Saarlandes
66421 Homburg
Tel.: 06841/1 62-30 02
Fax: 06841/1 62-31 01
E-Mail: michael.pfreundschuh@uniklinik-saarland.de