Humane Embryonen in der medizinischen Forschung – Fragen und Antworten

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Forschung an frühen Embryonen und Zellstrukturen aus dem Labor bietet neue Perspektiven für die Gesundheitsforschung und Medizin. Zugleich werden ethische, rechtliche und gesellschaftliche Fragen aufgeworfen. Erfahren Sie dazu mehr in unseren FAQ. 

                                                                                                                                                                                                                                       

Was ist das Ziel der Konferenz?

Die vom BMBF ausgerichtete Fachkonferenz greift die Stellungnahme der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina „Neubewertung des Schutzes von In-vitro-Embryonen in Deutschland[1]“ (2021) auf und lädt Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dazu ein, das Thema in wissenschaftlicher, ethischer und rechtlicher Hinsicht grundlegend und differenziert zu reflektieren.

Die Forschung an und mit frühen humanen Embryonen ist in Deutschland durch das seit 1990 geltende Embryonenschutzgesetz (ESchG) verboten, in vielen anderen Ländern jedoch innerhalb enger Grenzen erlaubt. Auch die Forschung an und mit humanen embryonalen Stammzellen in Deutschland ist nur unter strengen Voraussetzungen im Rahmen des Stammzellgesetzes (StZG) möglich. Seit mehreren Jahrzehnten werden im internationalen Raum vielfältige neue Forschungsarbeiten durchgeführt, deren Ergebnisse für die medizinische Forschung und für mögliche Anwendungen von erheblicher Bedeutung sind. Die Wissenschaft hofft, diese Erkenntnisse für die Entwicklung wirksamer Therapien für bislang unheilbare Krankheiten nutzen zu können, zur Behandlung von Volkskrankheiten wie Diabetes, Parkinson, Alzheimer, Schlaganfall oder Herzinfarkt. Von der Forschung mit frühen Embryonen erhofft sich die Wissenschaft zudem Aufschluss darüber, wie Ursachen ungewollter Kinderlosigkeit, Fehl- und Frühgeburten und genetische Erkrankungen beim Kind vermieden oder besser behandelt werden können.

Die Konferenz soll insbesondere dazu dienen, die aktuellen wissenschaftlichen Möglichkeiten und Perspektiven der Forschung mit frühen humanen Embryonen für die verschiedenen Forschungsbereiche der Medizin aufzuzeigen und in einen Bezug zu den rechtlichen Rahmenbedingungen in Deutschland setzen. Das BMBF versteht dies als einen Impuls zu einem breit angelegten Diskurs, der konkrete Forschungsbedarfe aufgreift und zugleich rechtlichen und ethischen Belangen gerecht wird.

Welche hochrangigen Forschungsziele verfolgt die Embryonenforschung?  

Die 2021 veröffentlichte Stellungnahme der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina zur Neubewertung des Schutzes von In-vitro-Embryonen in Deutschland hat bedeutende und hochrangige Forschungsziele aufgezeigt, die im Ausland verfolgt werden und für deren Klärung die Verwendung von humanen Embryonen erforderlich ist. Dazu gehören vor allem:

  • Aufklärung der frühen molekularen und morphologischen Prozesse der Entwicklungsbiologie des Menschen, um z. B. Ursachen für Störungen der frühen Embryonalentwicklung erforschen zu können. Dazu zählen genetische, epigenetische und umweltbedingte Ursachen von erblichen Erkrankungen, Unfruchtbarkeit, Fehlgeburten und Fehlbildungen.
  • Aufklärung der Ursachen von bestimmten Auffälligkeiten bei Verfahren der künstlichen Befruchtung und deren Ursachen. Dazu zählen z. B. Unterschiede beim Geburtszeitpunkt und Geburtsgewicht sowie morphologische Auffälligkeiten.
  • Grundlagenforschung an Embryonen und Nidationsmechanismen zur Entwicklung schonenderer Verhütungsmittel
  • Gewinnung von neuen humanen embryonalen Stammzellen für die regenerative und personalisierte Medizin. Erkenntnisse zu Volkskrankheiten wie Diabetes, Arthrose, Herzinfarkt oder Schlaganfall könnten mit neuen Stammzelllinien gewonnen und im Rahmen klinischer Studien erprobt werden.

Was sind „überzählige“ Embryonen und was geschieht mit ihnen?

Humane Embryonen, die im Rahmen einer In-vitro-Fertilisationsbehandlung erzeugt, aber innerhalb eines Behandlungszyklus nicht unmittelbar für Fortpflanzungszwecke eingesetzt werden, können kryokonserviert, also eingefroren, werden. Dadurch besteht die Möglichkeit, sie gegebenenfalls für eine spätere Behandlung zu verwenden.

Sollte das Paar die Kinderwunschbehandlung für beendet erklären, so bezeichnet man diese gelagerten Embryonen als „verwaist“ oder „überzählig“. Aktuell hat ein Paar in Deutschland die Wahl, die „überzähligen“ Embryonen zu „verwerfen“, d. h. vernichten zu lassen, oder zur Adoption freizugeben. Die Embryonenadoption ist bislang in Deutschland die Ausnahme.

Wieso wird über die Forschung mit humanen „überzähligen“ Embryonen diskutiert?

Der aktuelle Koalitionsvertrag sieht vor, den „elektiven Single Embryo Transfer“ (eSET) bei einer In-vitro-Fertilisation im Rahmen der reproduktiven Selbstbestimmung zuzulassen. Die eSET-Methode vermindert Mehrlingsschwangerschaften und geht deshalb mit wesentlich weniger Risiken während einer Schwangerschaft für die werdende Mutter und das Kind einher. Bei der eSET-Methode werden gezielt mehrere Eizellen befruchtet, aber nur der sich am besten entwickelnde Embryo zur Übertragung auf die Frau ausgewählt. Hierdurch entstehen „überzählige“ Embryonen.

In Zukunft ist davon auszugehen, dass vermehrt Embryonen erzeugt werden, die nicht mehr für die Kinderwunschbehandlung verwendet werden sollen. Diese nicht übertragenen Embryonen werden kryokonserviert, d.h. eingefroren. Nach Abschluss der Kinderwunschbehandlung muss entschieden werden, was mit den „überzähligen“ Embryonen geschieht.

Die in mehreren Ländern unter strengen Voraussetzungen zulässige Embryonenforschung liefert wichtige Erkenntnisse, die in der Therapie von Volkskrankheiten (z.B. Diabetes, Arthrose, Herzinfarkt, Schlaganfall, Krebs) von hoher Bedeutung sind. Vor allem aber das Feld der regenerativen und personalisierten Medizin sowie Therapieoptionen von Erbkrankheiten profitieren von den gewonnenen Forschungsergebnissen.

Gegenwärtig hat ein Paar in Deutschland die Wahl, die „überzähligen“ Embryonen zu „verwerfen“, d.h. vernichten zu lassen, oder zur Adoption freizugeben. Die Embryonenadoption ist bislang in Deutschland die Ausnahme. Aktuell ist es in Deutschland nicht möglich, „überzählige“ Embryonen für die Forschung zu spenden. Die sogenannte fremdnützige Forschung an humanen Embryonen ist strafrechtlich verboten. Ebenso ist Forschenden in Deutschland die Beteiligung an entsprechenden Vorhaben im Ausland verboten, selbst wenn die Forschung dort legal ist.

Die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina empfiehlt daher, die Forschung an „überzähligen“ Embryonen in-vitro neu zu bewerten, sie im Einklang mit internationalen ethischen Standards künftig zu ermöglichen sowie den dafür erforderlichen Rechtsrahmen neu zu diskutieren. Dies soll ausschließlich für hochrangige Forschungsziele gelten, die entsprechend der Stellungnahme der Leopoldina durch ein eigens dafür geschaffenes Gremium überprüft werden. Ebenso sollte die Gewinnung humaner embryonaler Stammzellen für hochrangige Forschungsziele einschließlich möglicher Anwendungsperspektiven ermöglicht werden.

Was ist in Deutschland gesetzlich verboten und was ist erlaubt?

Forschung mit humanen Embryonen ist nach dem Embryonenschutzgesetz (ESchG) grundsätzlich verboten. Wenn deutsche Forschende sich an internationalen Forschungsarbeiten an oder mit humanen Embryonen beteiligen (auch wenn sie im Ausland legal sind), können sie gegebenenfalls strafrechtlich verfolgt werden, sofern diese von deutschem Boden aus geleitet, finanziert oder in sonstiger Form unterstützt werden.

Die Erzeugung von Embryonen für die Forschung oder die Gewinnung von Stammzellen aus vorhandenen Embryonen ist in Deutschland verboten.

Mit humanen embryonalen Stammzellen (hES-Zellen) zu forschen ist in Deutschland nur unter den strengen Voraussetzungen des Stammzellgesetzes (StZG) zulässig. Forschung mit hES-Zellen muss vom Robert Koch-Institut (RKI), auf der Basis eines Votums der Zentralen Ethik-Kommission für Stammzellenforschung (ZES), genehmigt werden. Es dürfen nur hES-Zellen verwendet werden, die vor einem festen Stichtag (01.05.2007) legal im Ausland gewonnen wurden. Sie dürfen nur für hochrangige Forschungszwecke verwendet werden, nicht aber für klinische Anwendungen (sog. Forschungsvorbehalt).

Was sind (humane) embryonale Stammzellen und wie werden sie gewonnen?

Humane embryonale Stammzellen sind Zellen, die in ihrer Bestimmung noch nicht festgelegt sind und jeden der über 200 Zelltypen des Körpers bilden können. Man nennt sie pluripotent. Sie entwickeln sich zunächst zu Vorläuferzellen weiter, die spezialisierte Gewebe bilden (z. B. Haut-, Leber-, Blut-, Nervenzellen). Embryonale Stammzellen sind im Gegensatz zur befruchteten Eizelle nicht totipotent, dementsprechend können embryonale Stammzellen sich nicht eigenständig zu einem vollständigen menschlichen Organismus entwickeln.

Embryonale Stammzellen (ES-Zellen) werden aus der Keimblase (Blastozyste), einem sehr frühen Stadium des Embryos, gewonnen. Sie bestehen zu dem Zeitpunkt aus etwa 60 bis 100 Zellen. Nur sehr wenige Zellen der Blastozyste (nur die der inneren Zellmasse) eignen sich, um daraus ES-Zelllinien zu erzeugen.

Welche Hauptziele werden in der Stammzellforschung für die Medizin verfolgt?

Neben embryonalen Stammzellen (ES-Zellen) können pluripotente Zellen, aus denen unterschiedliche Gewebetypen gebildet werden können, seit 2012 auch aus ausgereiften, d. h. adulten Zellen hergestellt werden (z. B. Hautzellen). Dabei werden Zellen durch eine Vorbehandlung in-vitro mit bestimmten Transkriptionsfaktoren in einen frühen embryonalen Zustand zurückversetzt. Diese „reprogrammierten“ Zellen werden als induzierte pluripotente Stammzellen (iPS) bezeichnet.

In der Forschung werden grundsätzlich beide Arten von Stammzellen (ES und iPS), je nach spezifischer Fragestellung, verwendet. In der Forschung werden verschiedene Ziele verfolgt.

Ein primäres Ziel der Grundlagenforschung besteht darin, an und mit pluripotenten Stammzellen die molekularen Mechanismen zu erforschen, die für die Spezialisierung, die Vermehrung und die Organisation von Zellen zu komplexeren Strukturen (z. B. Organe) und somit für die Entwicklung des Embryos verantwortlich sind. Diese Forschungsarbeiten bilden die Grundlage, um die Entstehung von Störungen bei der Entwicklung von Zellen und Organen, und damit auch Krankheiten, besser verstehen zu können. Dieses Wissen kann in Zukunft helfen Behandlungsmöglichkeiten zu entwickeln.

Darüber hinaus verfolgt die Stammzellforschung das Ziel, Krankheitsmodelle zu entwickeln, um die Ursachen und Verläufe genetisch bedingter Erkrankungen zu erforschen und die Wissensgrundlage für neue Therapieverfahren zu schaffen.