Gerd Nettekoven spricht als Vorsitzender der Deutschen Krebshilfe über das Ziel, in der Nationalen Dekade gegen Krebs mehr Krebsfälle zu verhindern und die Behandlung Betroffener durch gegenseitiges Lernen von Forschung und Versorgung zu optimieren.
Herr Nettekoven, Sie setzen sich seit über 40 Jahren in der Deutschen Krebshilfe für die Verbesserung der Versorgung krebskranker Menschen ein. Welchen Stellenwert hat dabei die Krebsforschung?
Die Krebsforschung war schon von unserer Gründerin, Mildred Scheel, als eine der Kernaufgaben der Deutschen Krebshilfe definiert worden. Innovative Forschung ist die wichtigste Grundlage, um die Therapie zu verbessern. Die Krebsforschung mit voranzubringen, war immer auch ein Anliegen unserer Spenderinnen und Spender, die unsere Arbeit ausschließlich finanzieren. Die Deutsche Krebshilfe ist der größte private Drittmittelgeber der onkologischen Forschung in Deutschland. Allein im Jahr 2020 haben wir rund 48 Millionen Euro für neue Forschungsprojekte und -programme auf den Gebieten der Grundlagenforschung, klinischen Krebsforschung und der Versorgungsforschung bereitgestellt. Wichtig ist uns dabei immer, dass die wissenschaftlichen Erkenntnisse rasch den Patientinnen und Patienten zugutekommen.
Für Ihren Einsatz haben Sie vor Kurzem das Bundesverdienstkreuz erhalten. Was bedeutet Ihnen diese Ehrung und was motiviert Sie persönlich besonders?
Über diese Ehrung habe ich mich natürlich sehr gefreut. Mir ist es jedoch ein großes Bedürfnis, zu betonen, dass ich diese Auszeichnung für alle diejenigen entgegengenommen habe, die sich für die Deutsche Krebshilfe einsetzen oder sich in der Vergangenheit mit mir gemeinsam eingesetzt haben. Ganz besonders aber auch für unsere zahlreichen Spender, die unsere vielfältigen Aktivitäten auf allen Gebieten der Onkologie erst ermöglichen. Unsere Spender sind es auch, die mich persönlich besonders motivieren, weil sie uns in die Lage versetzen, die Krebsbekämpfung maßgeblich mitgestalten zu können.
Auch in der Nationalen Dekade gegen Krebs wirken Sie im Strategiekreis mit. Welche Dinge liegen Ihnen da primär am Herzen?
Zunächst möchte ich hervorheben, dass die Dekade für die Deutsche Krebshilfe eine hervorragende und ganz wichtige politische Initiative ist, um aktuelle Forschungsfragen und Themen auf politischer Ebene platzieren und im Dialog mit den in der Krebsforschung relevanten Akteuren und der Politik zeitnah diskutieren zu können.
Ein zentrales Anliegen von uns ist es – ich hatte es bereits erwähnt –, dass neueste Forschungserkenntnisse und Therapieoptionen schnell bei Erkrankten ankommen. Umgekehrt wiederum bergen Erkenntnisse und Daten aus der Versorgung ein immenses Potenzial für weitere Forschungsansätze. Diesen Mechanismus müssen wir regelhaft umsetzen. An dieser Schnittstelle lassen wir derzeit mögliche Erkenntnisgewinne für die Patientenversorgung liegen. Ich habe es daher sehr begrüßt, dass sich hierfür innerhalb der Dekade eine Arbeitsgruppe – in der ich selbst mitwirke – konstituiert hat, um Strategien für einen solchen Prozess zu entwickeln.
Wichtig war mir aber auch, dass der Strategiekreis von Anfang an auch der Krebspräventionsforschung einen hohen Stellenwert gegeben hat. Die Krebsprävention mit ihrem Potenzial wird in den nächsten Jahren auch ein besonderes Schwerpunktthema der Deutschen Krebshilfe sein, was wir mit der gemeinsamen Errichtung eines Nationalen Krebspräventionszentrums mit dem Deutschen Krebsforschungszentrum bereits deutlich gemacht haben.
Wie für die Dekade gegen Krebs ist auch für die Deutsche Krebshilfe die Einbindung von Patientinnen und Patienten in der Forschung besonders wichtig. Wie geht die Deutsche Krebshilfe hier vor?
Bei zahlreichen unserer Aktivitäten sind Krebsbetroffene bereits unmittelbar in unsere Arbeit eingebunden, teilweise auch mit Beteiligung an der Entwicklung einzelner Förderschwerpunktprogramme und deren Begutachtungsprozessen. Die Deutsche Krebshilfe bindet bereits seit dem Jahr 2004 einen Fachausschuss „Krebs-Selbsthilfe/Patientenbeirat“ in ihre Arbeit ein. Im vergangenen Jahr haben wir mit der Einrichtung einer Koordinierungsstelle für Patienteninteressen hier eine gezielte Weiterentwicklung angestoßen mit dem Ziel, eine Patientenbeteiligung bei allen unseren Aktivitäten zu verwirklichen. Gemeinsam mit Patientenvertretenden und den Mitgliedern unserer Gremien erarbeiten wir derzeit ein Konzept zur Einbindung von Patientenvertretenden in unsere gesamte Forschungsförderung.
Im November 2022 findet der Deutsche Krebskongress (DKK) statt; die Deutsche Krebshilfe ist eine der Initiatorinnen und Ausrichter des Kongresses. Welche Themen sind für Sie und die Deutsche Krebshilfe auf dem Kongress von besonderer Bedeutung und welches Signal soll vom diesjährigen Kongress ausgesandt werden?
Der DKK ist der größte und wichtigste onkologische Fachkongress im deutschsprachigen Raum und steht im November 2022 unter dem Motto „Krebsmedizin: Schnittstellen zwischen Innovation und Versorgung“. Der Kongress greift somit ein wichtiges Thema auf, das auch in der Nationalen Dekade gegen Krebs diskutiert wird.
Auch wird der Kongress der Krebsprävention den entsprechenden Raum geben. Rund 40 Prozent der Krebsfälle in Deutschland wären nach heutigem Wissensstand vermeidbar, wenn alle bekannten Maßnahmen zur Prävention konsequent umgesetzt würden. Darüber hinaus ist aber auch ein erheblicher Forschungsbedarf auf diesem Gebiet vorhanden, um individuelle Krebsrisiken besser abschätzen und eine personalisierte Krebsprävention ermöglichen zu können. Mehrere wissenschaftliche Sessions werden sich während des Kongresses daher erfreulicherweise mit dem Thema Krebsprävention auseinandersetzen.
www.dekade-gegen-krebs.de/zweivonzehn
Hier informieren Sie sich über die bisherigen Ergebnisse, Akteure und Initiativen in der Nationalen Dekade gegen Krebs.